Das Comeback der Berliner Weiße

Sie wurde bereits als »bedrohtes, regionales Lebensmittel« gelistet. Nun ist das Traditionsbier zurück!

Eine beinahe ausgestorbene Biergattung erlebt eine Neubelebung.
Craft Beer ist in aller Munde, und trendige Bierstile aus den USA, aus England oder Belgien erleben moderne Interpretationen durch neue Kreativbier-Hersteller. Zum Glück widmen sich einige Brauer auch den traditionellen einheimischen Bierstilen, von denen einige schon beinahe gänzlich in Vergessenheit gerieten und beinahe ausgestorben waren, wie etwa Halberstädter Broyhan, Leipziger Gose oder Lichtenhainer.

Das traditionelle Bier der Hauptstadt, die Berliner Weiße, bekam im November 2014 von der Slow-Food-Stiftung die Klassifizierung als bedrohtes, regionales Lebensmittel und erhielt somit Aufnahme in die »Arche des Geschmacks«. Es ist an der Zeit, die Köstlichkeit neu und wiederzuentdecken.

»Champagner des Nordens«

Denn bereits dem Kriegsfürsten Wallenstein soll auf seinen Feldzügen das säuerliche, erfrischende und alkoholleichte Bier gemundet haben, und als die Truppen Napoleons 1806 Berlin besetzten, verliehen sie der obergärigen Köstlichkeit anerkennend den Beinamen »Champagner des Nordens«. Herrenrunden in Berliner Eckkneipen tranken aus mächtigen Schalen ihr Bier, und der Kellner erhielt die Bestellung »Eine Weiße mit Strippe!«, und servierte neben der Weißen einen Kümmelschnaps. Insbesondere für den Gaumen der Damen kamen in der Kaiserzeit der Likör und später der Sirup hinzu, und so wurden die »Weiße Grün« – mit Waldmeister – und die »Weiße Rot« – mit Himbeere – zur bewährtesten Darreichungsform.

Doch der Wunsch nach säuerlichen Ge­­schmacksnuancen im Bier ging kontinuierlich zurück, und viele Brauer scheuten die Verwendung von Milchsäurebakterien und sensiblen Brettanomyces-Hefen, die sich zuweilen nicht mit ihren untergärigen Bieren vertrugen und ganze Sude davon verderben konnten. Das milde Weizenaroma mit eleganten säuerlichen Noten kannten in den letzten Jahren nur die wenigsten – und noch weniger die lange Haltbarkeit und köstliche Nachreifung in der Flasche über Jahrzehnte hinweg. Weiße wurde nicht mehr pur getrunken und war meist nur unter Zuhilfenahme von Sirup überhaupt erträglich.

International hingegen sind Sauerbiere sehr gefragt, insbesondere die belgischen Geuze- und Lambic-Biere. Diese Entwicklung motiviert, auch die Berliner Machart wiederzuentdecken. Neben Funky Buddha aus Florida oder New Glarus aus Wisconsin kommen nun also auch die deutschen Brauer in Schwung. Noch ist das Angebot überschaubar, aber neue Projekte wie Berliner Berg und Bogk-Bier stehen in den Startlöchern und sorgen dafür, dass Genießer entdecken werden, welch aromatische Bandbreite in der Berliner Weißen schlummert. Ob pur, mit Kümmelschnaps oder als Berliner Weiße Kudamm Kir mit Crème de Cassis!

In unserer Bilderstrecke finden Sie die besten Berliner Weißen!

Text von Peter Eichhorn

Aus Falstaff Magazin Deutschland Nr. 06/2015

Peter Eichhorn
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