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Darum sollten Sie jetzt Kalbshaxe schmoren

Cortis Küchenzettel: Was langsam schmort, wird endlich unwiderstehlich gut. Für so ein paar Haxen vom Kalb, nach toskanischer Art in Chianti geschmort, bis das Fleisch fast vom Markknochen fällt, gilt das ganz besonders.

Es gibt Tage, an denen will man das Wetter da draußen nicht einmal dem Hund zumuten – geschweige denn sich selber. Dann empfiehlt es sich, ein ordentliches Stück Fleisch in die Röhre zu schieben, die Beine hochzulagern und sich der ganz eigenen Kunst des Schmorens hinzugeben. Die verlangt nämlich zu allererst nach einem: Geduld und Freude am Müßiggang. Es ist nämlich nicht mehr zu tun als zu warten und hie und da das zu Schmorende mit dem Schmorsaft zu begießen

Es sind nicht die zarten Edelteile, die im Schmortopf zu göttlicher Versuchung schmurgeln, sondern die vermeintlich weniger noblen Stücke, in denen das Bindegewebe und, ja doch, auch das Fett einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am großen Ganzen haben. Und, ganz wichtig, natürlich die Knochen. Gerade bei Fleisch von vergleichsweise jungen Tieren, vom Lamm oder Kalb, ist das im Knochen enthaltene Kollagen so beschaffen, dass es sich bei langsamem Schmoren löst und das umgebende Fleisch, aber auch die Sauce mit Saft und Kraft zu durchwirken versteht. Der Schmorbraten am Knochen schmurgelt deshalb in einer ganz eigenen Liga.

Die Kalbshaxe, also jener Teil des Tiers, der beim Rind den Wadschunken ausmacht – und damit fürs volkstümliche Gulasch reserviert ist –, gerät im Schmortopf zu einem Braten von aristokratischer Finesse. Die Bayern wissen das, dort wird die Kalbshaxe als stolzer Festtagsbraten und als Ikone des nationalen Selbstverständnisses verehrt. In der Toskana, wo das gute Essen bekanntlich erfunden (und von dort via Katharina von Medici an den französischen Königshof exportiert) wurde, wissen sie das auch. In Österreich hingegen werden die Fleischteile des Haxls traditionell pariert, um als »Kalbsvögerl« geschmort zu werden. Auch sehr gut – als festlicher Aufputz einer Tafel aber geben diese manchmal zu Trockenheit neigenden Stücke nur wenig her. Es hat eben eine ganz eigene Qualität, wenn das Fleisch nach langem, zartem Schmoren fast vom Knochen fällt und ihm das Bindegewebe und die Beine ihre ganze Kraft mitgeben konnten. 

Für eine Kalbshaxe im Ganzen muss man sich in unseren Breiten in die Hände eines Spezialisten begeben. Im Supermarkt wird man nicht fündig werden – der Fleischer des Vertrauens ist die Adresse, wo Fleisch noch am Knochen verbleiben darf. Der Fleischer weiß auch, wo er den Knochen so absägt, dass das Mark freigelegt und die Sehnen so gekappt werden, dass die Haxe nach dem Braten diese köstlich-archaische Anmutung bekommt, bei der ein gutes Stück Markknochen herausragt. So wird man nach kraftvollem Anbraten und umso sanfterem Schmoren einen gar prächtigen Braten auftragen und das geflügelte Wort der Briten einer Prüfung unterziehen dürfen, das da heißt: »The nearer the bone, the sweeter the meat«. Gutes Gelingen!


Severin Corti
Severin Corti
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