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Cortis Küchenzettel: Tanz der Garnelen

Drunken Prawns ist ein Klassiker der Hongkong-Küche, der ganz einfach zu machen ist und toll schmeckt – aber eine ziemlich dunkle Geschichte hat.

Uijegerl, schon wieder so ein Text, der wütende Reaktionen hervorrufen wird. Dabei ist das aktuelle Rezept eines, das sich die meisten Leser wohl noch so gern gefallen lassen – die knackigen und grätenfreien Garnelen gelten den Österreichern, Deutschen und auch Schweizern schließlich als bevorzugte Delikatesse aus dem Meer. Dass ihre Zucht in Südostasien (wo fast alle hierorts verkauften Tiere herstammen) ein schmutziges, für die Umwelt nachhaltig verheerendes Business sein kann, steht auf einem anderen Blatt. Wildgarnelen aus nachhaltigem Fang kosten zwar mehr, sie schmecken aber auch unvergleichlich viel besser. Eine Alternative sind auch Bio-Zuchtgarnelen.

Gar nicht harmlos ist aber die Idee, die hinter dem Rezept steht. Sie stellt dar, wie in vielen Regionen Ostasiens mit Tieren umgegangen wird, die für die Küche bestimmt sind. Während in unseren Breiten die Allgegenwart des Todes, die mit dem Konsum von Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten einhergeht, nach Kräften unter den Teppich gekehrt wird und Wegschauen als Vorbedingung für einen »gesunden Appetit« gilt, haben sie in China keine Scheu, der Wahrheit ins Antlitz zu blicken.

Im Gegenteil: Ein chinesischer Markt wird dem westlichen Besucher auf den ersten Blick oft wie eine Tierhandlung erscheinen. Von Schweinen und Ferkeln über Enten und Hühner bis zu Fischen und Meeresfrüchten wird das, was als qualitätsvolles Lebensmittel gilt, vorzugsweise lebendig dargeboten – und auf Wunsch vor Ort geschlachtet, gerupft, ausgenommen. Hat den erheblichen Vorteil, dass man dem Tier schon vorab ansieht, ob es aus guter, pfleglicher Haltung stammt. Und, wie wir seit mindestens einem Jahr wissen, den Nachteil, dass Viren auf diese Art wohl viel leichter von einer Spezies auf eine andere überspringen können – mit bekannt fatalen Konsequenzen.

Bei den »betrunkenen Garnelen« geht es aber noch einmal um etwas anderes: Das südchinesische Originalrezept verlangt nicht nur, dass die Garnelen lebendig in Reiswein mariniert werden, die benebelten Krustentiere werden danach in die heiße Pfanne geworfen, auf dass sie ebenda ein »beschwingtes Tänzchen« hinlegen, wie es auf einer kantonesischen Website heißt. Man kann nur hoffen, dass die Wirbellosen durch den Alkohol so weggetreten sind, dass sie nicht mitbekommen, wie ihnen da geschieht.

Abschließend noch zwei Einkaufstipps: Der dichte Krustentiergeschmack, den wir bei Garnelen so lieben, kommt unvergleichlich besser heraus, wenn die Tierchen mitsamt Panzer und Kopf gebraten werden. Und: beim Einkauf darauf achten, dass sie aus Salzwasserzucht stammen oder, noch besser, aus Wildfang. Garnelen aus Süßwasserzucht (»freshwater«) sind zwar deutlich günstiger, im Geschmack aber entscheidend weniger attraktiv.

ZUM REZEPT

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2021

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Severin Corti
Severin Corti
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