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Corona: Guido Zöllick im Interview zur Lage der Gastronomie

Der Präsident des Dehoga Bundesverbands spricht über Hoffnung für die Gastronomie auch in der kalten Jahreszeit und warum Außengastronomie alleine nicht hilft, die Umsatzverluste aufzufangen. PLUS: So sieht die derzeitige Lage in den deutschen Großstädten aus.

Falstaff: Hört man sich bei Gastronomen in deutschen Großstädten um wird eines klar: alle fürchten sich angesichts der Corona-Krise vor den kalten Monaten, wenn die Außengastronomie wegfällt. Können Sie Hoffnung machen?
Guido Zöllick: Ich bin mir sicher, dass die Menschen auch im Herbst und Winter ausgehen wollen. Unsere Betriebe bereiten sich auf die Innenraumsaison vor. Viele verfügen bereits über Belüftungsanlagen mit Frischluftzufuhr oder Luftreinigungsgeräte, mit denen die Viren belasteten Aerosole fast auf Null reduziert werden können. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir lernen müssen, noch eine Weile mit dem Virus klarzukommen, ohne auf unser Leben komplett zu verzichten. Voraussetzung dafür ist, dass wir uns alle an die geltenden Schutzmaßnahmen halten. Viele Betriebe nutzen die Möglichkeiten zur Verlängerung der Außensaison.

Im ZDF-Morgenmagazin (vom 8. September 2020) bezeichneten Sie ganz kurz den Einsatz von Heizpilzen im Winter, um so Außenplätze attraktiver zu gestalten, als Kompromiss. Gibt es noch andere Ideen, wie man der Gastronomie zu mehr Platz und damit weiterhin Umsatz (wenn auch weniger) verhelfen könnte?
Es gibt viele Ideen zur Verlängerung der Außengastronomie-Saison. Dazu gehören die Installation von Windschutzvorrichtungen, das Anbringen von Überdachungen oder das Errichten von Pavillons als Witterungsschutz. Damit das Terrassengeschäft auch in den kommenden Monaten bestmöglich funktionieren kann, setzen wir weiterhin auf großzügige Regelungen der Kommunen.

Aus der Krise lernen

Einige Gastronomen ziehen auch Positives aus der Krise, haben sich mit Lieferservice oder Online Shops weiterentwickelt. Können Sie dem Ganzen auch positive Aspekte abgewinnen?
Ich spreche lieber von Lernstoff. Die Krise macht deutlich, was wirklich wichtig ist. Es zeigt sich der Wert guter Partnerschaften und tragfähiger Beziehungen zu Lieferanten, Mitarbeitern und Gästen. Der direkte Kontakt mit den Gästen, das Stammgästemarketing und die digitale Kommunikation über die Webseite und soziale Medien zahlen sich aus – auch als es für die Betriebe darum ging, neue Angebote wie das Liefern oder Abholen von Speisen zu etablieren. Ich habe zudem den Eindruck, dass vielen Menschen erst in der Krise die große Bedeutung unserer Branche richtig bewusst wurde. Für die eigene Lebensfreude, die Lebensqualität, die Attraktivität der Innenstädte wie des ländlichen Raumes, für das Funktionieren der Gesellschaft insgesamt. Möge diese Anerkennung und Wertschätzung für die Wohnzimmer der Republik Bestand haben.

Hätte man den Inlandstourismus Ihrer Meinung nach stärker forcieren und unterstützen sollen? Und wenn ja: Wie?
Viele Menschen haben Urlaub in der Heimat gemacht. Die touristischen Regionen waren ab Juli gut gebucht und auch für den Oktober gibt es bereits zahlreiche Reservierungen. Viele Politiker wie zum Beispiel Bundesgesundheitsminister Jens Spahn werben für Reisen im eigenen Land. Grundsätzlich steht Aktivurlaub mit Wandern und Radeln hoch im Kurs. Dafür bietet Deutschlang allerbeste Voraussetzungen.  

Politik soll genau hinschauen

In Wien gab es eine Gutscheinaktion. Jeder Haushalt in Wien hat mindestens einen 25 Euro Gutschein bekommen, der in diversen Restaurants der Stadt eingelöst werden konnte. Wäre so etwas Ihrer Meinung auch in Deutschland möglich, wenn nicht sogar wichtig gewesen?
Auch in Deutschland wurden Konsumgutscheine für Handel und Gastronomie diskutiert. Die politischen Entscheidungsträger haben sich dann aber für einen Kinderbonus für Familien entschieden. Entscheidend für unsere Branche und extrem wichtig war die Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants. Jetzt kommt es darauf an, diese temporär geltende Regelung zu entfristen unter Einbeziehung von Getränken.

Was sagen Sie zu tatsächlichem bzw. angedrohtem Alkoholverbot in einigen Städten?
Wir alle haben ein Interesse an der Eindämmung des Corona-Virus. Angesichts steigender Infektionszahlen verstehe ich die Sorge der Politik. Gleichwohl bedeutet der Genuss eines Glases Wein in einem Restaurant nicht weniger Achtsamkeit beim Einhalten der Schutzmaßnahmen. Vielmehr sind viele neue Corona-Fälle auf private Feiern ohne Hygienekonzepte zurückzuführen. Wir erwarten, dass die Politik genau hinschaut, welche Maßnahmen geeignet und angemessen sind – und welche nicht.

Es braucht effiziente Maßnahmen

Die Auswirkungen der Krise in der Gastronomie wird man auch noch spüren, wenn ein Impfstoff gefunden und der Corona-Virus einigermaßen bekämpft sein wird. Wäre es eine Möglichkeit, Biergärten bis auf weiteres ganzjährig offen halten zu können umso die Umsatzverluste wieder einigermaßen auffangen zu können?
In der Tat war die Außengastronomie ein Segen für viele Gastwirte. Damit auch in der kälteren Jahreszeit gastronomische Außenplätze nutzbar bleiben, setzen wir weiter auf die Kulanz der Kommunen wenn es darum geht, Außenflächen zu genehmigen, die Installation von Windschutzvorrichtungen oder Wärmestrahlern zuzulassen oder auch beim Ausschöpfen von Sperrzeiten. Bis wir als Branche die massiven Umsatzverluste wieder aufgefangen haben, wird es allerdings noch Jahre dauern. Das gelingt nicht mit Außengastronomie allein. Was wirklich zählt, sind ausreichende finanzielle Hilfen der Politik und effiziente Maßnahmen, um die Betriebe durch die schwerste Krise der Nachkriegszeit zu führen.

Unterstützen Sie privat die Branche in der schweren Zeit? Wenn ja, wie?
Selbstverständlich. So oft möglich, gehe ich mit meiner Familie und Freunden in die Gastronomie und lasse mich verwöhnen. Auch meinen bisherigen Urlaub habe ich größtenteils in Deutschland verbracht. Dabei habe ich auch viele Gespräche mit den Unternehmern geführt, ich schätze den direkten Austausch.

Wir haben uns in einigen deutschen Großstädten umgehört – hier sind Stimmungsbilder aus:

Patricia Astor
Patricia Astor
Redakteurin
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