Für Sommeliers besonders schlimm: Geruchs-und Geschmacksverlust nach einer Covid-Infektion.

Für Sommeliers besonders schlimm: Geruchs-und Geschmacksverlust nach einer Covid-Infektion.
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Corona: Geruchs- und Geschmacksverlust

Der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns ist eine der häufigsten Begleiterscheinungen einer Covid-Infektion – und vor allem für Köche und Sommeliers eine Katastrophe. Doch weshalb entsteht diese Störung?

»Ich konnte von einem Tag auf den anderen nichts mehr riechen und nichts mehr schmecken«, sagt Benjamin Edthofer, der sich Ende Jänner eine Omikron-Infektion eingefangen hatte. Besonders schlimm in seinem Fall: Edthofer ist Sommelier im Wiener Weinlokal »Heunisch und Erben« im dritten Bezirk. »Ich hatte eigentlich keine Symptome, ich war nicht krank«, erinnert sich Edthofer, »aber ich konnte plötzlich vier völlig unterschiedliche Weine vom Geruch her nicht mehr unterscheiden. Alle vier rochen für mich völlig gleich, besser gesagt, sie rochen nach gar nichts.«

Totaler Riechausfall

Was für jeden Menschen schlimm ist, erweist sich für einen, der aus beruflichen Gründen über ein funktionierendes Riechsystem verfügen muss, als Katastrophe. Edthofer: »Anfangs hab ich Gerüche nur zu fünf Prozent wahrgenommen – damit könnte ich meinen Beruf an den Nagel hängen. Zum Glück ist es von Woche zu Woche besser geworden. Ich schätze, mein Geruchssinn ist inzwischen zu 60 Prozent wieder zurückgekommen. Aber so gut wie vorher rieche ich noch immer nicht.«

In so einem Fall sprechen Mediziner von einer sogenannten Anosmie. Dabei wird zwischen einer funktionellen und einer kompletten Anosmie unterschieden. Bei einer funktionellen Anosmie ist der Geruchssinn so massiv eingeschränkt, dass er im Alltag nicht mehr sinnvoll genutzt werden kann – auch wenn noch einige wenige Gerüche gelegentlich, schwach oder kurzzeitig wahrnehmbar sind. Dieses Restriechvermögen ist aber unbedeutend. Bei einer kompletten Anosmie ist der Geruchssinn komplett außer Kraft gesetzt, das heißt, es ist auch kein Restriechvermögen mehr vorhanden.

Ob funktionelle oder komplette Anosmie – die Alltagserfahrung der Betroffenen ist einfach: »Ich kann nicht mehr riechen.« Also nicht mehr die eigene Nase fragen, ob die Milch sauer ist, das T-Shirt vom Vortag müffelt oder das Parfum-Geschenk vom Partner gut oder ekelhaft ist. Zusätzlich haben viele Menschen mit Anosmie Probleme mit dem Geschmackssinn: Die meisten können zwar Salziges, Saures, Süßes und Bitteres normal schmecken, aber keine bestimmten Aromen mehr unterscheiden. Dafür braucht es nämlich nicht nur die Geschmacks-, sondern auch die Geruchsrezeptoren auf der Zunge – nur im Zusammenspiel entfaltet sich ein Aroma zur Gänze.

Doch wie kommt es überhaupt zu solchen Störungen im Geruchssinn? Zwei Rezeptortypen spielen dabei eine wichtige Rolle: die ACE2-Rezeptoren (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2) und der so genannte Neurolipin-1-Rezeptor dienen den Corona-Viren als Eintrittspforte in die sensiblen Zellen.

Eine besonders hohe Dichte an Neurolipin-1-Rezeptoren findet man bei Menschen in der Nase im so genannten Riechepithel. Mittlerweile haben Forscher herausgefunden, dass Coronaviren sogar ins Gehirn vordringen können. Auf diesem Weg könnten Viruspartikel ins zentrale Nervensystem gelangen, da es über das Riechepithel eben eine direkte Verbindung zum Gehirn gibt. Ob die Viren wirklich diesen direkten Weg über das Riechepithel nehmen und inwieweit dieser Transportweg bei den meisten Menschen durch das Immunsystem unterdrückt wird, konnte bislang noch nicht belegt werden.

Übrigens: Auch bei einer Grippe kann es zu Geruchs- und Geschmacksstörungen kommen, doch die Mechanismen dabei sind andere. Bei einer Grippe bzw. einem grippalen Infekt sind die Patienten erkältet, die Nase ist zugeschwollen und wenn das Fieber weg ist, verlieren einige für kurze Zeit ihren Geruchssinn, der dann aber rasch wieder zurückkommt. Bei Covid-Patienten ist das anders: Sie können in der Regel sehr gut durch die Nase atmen, aber von Beginn der Infektion an nicht riechen.

Interessanterweise ist das Geruchssystem auch das einzige Sinnessystem, bei dem die Sinneszellen Neuronen sind, während das Geschmackssystem aus Hautzellen besteht, und zwar hauptsächlich auf der Zunge. Es scheint so zu sein, dass die Nervenzellen im Geruchssystem bei einer Covid-Infektion absterben. Glücklicherweise können sich die Neuronen im Geruchssystem erneuern – das dauert aber durchaus mehrere Monate.

Welche Therapien gibt es?

Und was kann man gegen längerfristige Geruchs- und Geschmacksstörungen tun? Forscher der britischen University of East Anglia haben sich damit in einer aktuellen Studie beschäftigt und kamen zu dem Schluss: Nicht nur Medikamente, sondern vor allem ein intensives Geruchstraining hilft Long-Covid-Patienten, weshalb immer mehr Experten bei postinfektiösen Riechstörungen ein strukturiertes Riechtraining empfehlen. Der genaue Aufbau des Trainings kann variieren und wird im Einzelfall mit dem Patienten besprochen. Beispielsweise kann der Patient mehrere Wochen lang zweimal täglich an sogenannten Riechtrainingsstiften schnuppern, die einen bestimmten Duftstoff enthalten (z.B. Zitrone, Gewürznelke, Eukalyptus).

Dieses Training des Geruchs­sinns lässt sich unterstützen, indem man jeden Geruch mit Bildern oder Worten verknüpft. Beim Schnuppern am Zitronen-Stift können die Patienten sich beispielsweise das Bild einer Zitrone anschauen und in Gedanken oder laut das Wort Zitrone aussprechen. So prägt sich der Riecheindruck besser ein. Unklar ist aber immer noch, ob sich der Geruchsinn wirklich bei allen Betroffenen wieder zu 100 Prozent zurückbildet.


»Das kann auch sehr lange dauern«

Der Wiener Universitätsprofessor Felix Stockenhuber, Facharzt für Innere Medizin, über Geruchs- und Geschmacksstörungen bei einer Corona-Infektion.

Felix Stockenhuber ist Facharzt für Innere Medizin und beantwortet einige Fragen zu coronabedingten Geruchs-und Geschmacksstörungen.
© Wilke
Felix Stockenhuber ist Facharzt für Innere Medizin und beantwortet einige Fragen zu coronabedingten Geruchs-und Geschmacksstörungen.

Falstaff: Geruchs- und Geschmacksverlust ist ein gefürchtetes Phänomen
bei einer Corona-Erkrankung. Aber ist die Gefahr bei der Omikron-Variante genauso groß wie bei Delta?

Felix Stockenhuber: Man hat den Eindruck, dass diese Störung bei Omikron etwas weniger häufig ist. Aber auch bei Omikron tritt die Störung über ACE2-Rezeptoren in der Riechschleimhaut ein. Dort nutzen die Spike-Proteine der Corona-Viren diese Andockstellen als Eingangspforte, um in die Zellen einzudringen und sich zu vermehren.

Wo genau spielt sich das ab?
Im oberen Nasenbereich, da ist eine Stelle, das sogenannte Riechepithel, wo sich die ACE2-Rezeptoren befinden. Es gibt ja auch bei einer Grippe diese Störung, allerdings ist es bei der Grippe so, dass es zu einer Geruchsstörung kommt, weil die Nase zugeschwollen ist und man nicht durchatmen kann. Man bemerkt die Störung damit gar nicht. Bei Covid bleibt die Nase aber oft frei, die Geruchs- und Geschmacksstörung gehört deshalb zu den ersten, manchmal ist sie auch das ausschließliche Symptom. Das ist dann meist nach ein, zwei Wochen wieder vorbei.

Aber gibt es nicht auch Fälle, wo das länger gedauert hat …
Ja, das stimmt. Man weiß auch mittlerweile, wovon das abhängt. Man hat nachweisen können, dass in manchen Fällen immer noch genetische Substanzen des Virus in der Nase sind. Auch über einen längeren Zeitraum. Die Betroffenen haben an dieser Stelle im Nasenbereich immer noch Viren, sie können möglicherweise immer noch infektiös sein. Man weiß auch, dass Raucher häufiger betroffen sind als Nichtraucher.

Wird man in solchen Fällen noch positiv getestet?
Wahrscheinlich nicht, es sind ja nur noch wenige Viren vorhanden, die bei einem PCR-Test meist nicht mehr erkannt werden. Das führt dann zu einem negativen Ergebnis. Das Virus ist ja heimtückisch. Es gibt mittlerweile auch Studien, aus denen hervorgeht, dass das Virus von einer Gehirnzelle zu einer anderen wandert (vom Riechepithel gibt es eine direkte Verbindung zum Gehirn, Anm.). Das Immunsystem hat da oft gar keine Chance hinzukommen.

Wie lange kann eine Geruchs- und Geschmacksstörung schlimmstenfalls dauern?
Man weiß inzwischen, dass in fünf bis zehn Prozent der Fälle die Störung sehr lange dauert. Es wird angenommen, dass es sich dabei eben um Viren handelt, die noch vorhanden sind. Es ist nur eine kleine Menge an Viren, aber sie sind eben länger vorhanden. Es gibt Fälle, bei denen die Störung ein Jahr und noch länger gedauert hat. Der Geruchssinn kommt dann erst wieder langsam zurück, es handelt sich da um eine Anosmie durch Covid. Bei einer Anosmie hat man auch eine Art Missempfinden des Geruchs, eigentlich positiv empfundene Gerüche werden dann als negativ und ekelhaft empfunden. Manches riecht dann plötzlich etwa wie eine Kloake – das sind Phantomgerüche, die erst langsam wieder verschwinden, manchmal aber auch gar nicht mehr. Mann muss aber auch sagen, dass ältere Menschen ohnehin schon einen reduzierten Geruchssinn haben.

Für einen Koch oder einen Sommelier ist das jedenfalls besonders unangenehm …
Ja, mit Sicherheit. Ich habe einen Patienten, der produziert Salzgebäck. Der kann das jetzt nicht mehr abschmecken. Der riecht und schmeckt das Salzgebäck einfach nicht mehr.

Gibt es entsprechende Therapien?
Ja, es gibt die Möglichkeit, dass man örtlich Vitamin A einsetzt in Form von Nasentropfen, und auch Vitamin D. Da ist aber die Datenlage noch schwach. Es gibt auch Geruchstraining. Dabei werden in der Früh und am Abend jeweils eine Minute lang bestimmte Gerüche trainiert. Ich habe auch ein Sauerstoffzelt für meine Patienten. Diese hyperbare Sauerstofftherapie hilft normalerweise bei der Wundheilung, bei Knochenödemen und Tauchunfällen. Und es gibt auch positive Erfahrungen bei Long Covid damit.


Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2022

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Herbert Hacker
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