Gin mit Tonic ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner an der Bar. Hersteller und Barkeeper werden bei den Kombinationsmöglichkeiten inzwischen immer kreativer.

Gin mit Tonic ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner an der Bar. Hersteller und Barkeeper werden bei den Kombinationsmöglichkeiten inzwischen immer kreativer.
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Cocktail-Trend: Gin & Tonic reloaded

»Botanicals« heißt der neueste Trend unter Gin-Liebhabern. Der Wacholderschnaps wird dabei mit Kaffee-, Holunder- oder Orangenaromen aufgepeppt und bietet – gemeinsam mit neuen Filler-Kreationen – bislang ungekannte Möglichkeiten für den klassischen Gin-Tonic-Cocktail.

Gin ist heute buchstäblich in aller Munde. Immer neue Sorten, Trends und mehr oder weniger von Innovation geleitete Abwandlungen drängen auf den Markt, für manche ist es bereits so viel, dass kaum mehr ein Überblick über alle Marken und Sorten des Wacholdergetränks möglich scheint.

Da dieser Gin-Boom seit nunmehr gut

20 Jahren anhält, gibt es auch eine Generation an Barflys, die sich gar nicht erinnern kann, dass Gin noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts ein eher tristes Schattendasein fristete. Gin, der damals eigentlich eine zutiefst britische Angelegenheit war, verlor in den 1970ern stark an Popularität und Gin-Drinks waren in den Bars kaum gefragt – ein Zustand, der sich bis in die späten 1990er-Jahre zog. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends kamen sie langsam in das Bewusstsein einiger Barkeeper zurück.

Noch zu Beginn der 2000er-Jahre lautete eine typische Bestellung des heute wohl populärsten Longdrinks: »Ein Gin Tonic, bitte!« Kaum jemand wäre auf die Idee gekommen zu hinterfragen, welche Gin-Sorte dafür verwendet wird, abgesehen davon, dass auch gut sortierte Bars kaum auf mehr als drei verschiedene Produkte (die meist aus England stammten) zurückgreifen konnten. Noch weniger Diskussion gab es wohl um die Wahl des Tonics, wo doch eine 1783 in Genf gegründete Firma das Synonym für die ganze Kategorie darstellte.

Die erste Gin-Welle

Nachdem einige Protagonisten einer neuen Gin-Generation, wie etwas Hendrick’s (gegründet 2000), Anfang des neuen Millenniums von sich reden machten, nahm die Gin-Welle um das Jahr 2010 unglaublich Fahrt auf. Spätestens mit dem Auftauchen neuer Sorten, die außerhalb des Vereinigten Königreichs hergestellt werden und heute zum Inventar jeder Sammlung gehören, änderte sich das Verhalten der geneigten Gin-Tonic-Konsumenten grundlegend. Neben dem besten Mischungsverhältnis werden Marken, die passenden Tonics und auch die Dekoration des Drinks eifrig – mitunter auch mit den Barkeepern – diskutiert. Neben einigen »Standard«-Gins haben die meisten Hausbars immer neue Gin-Sorten zur Verfügung, die gerne ausprobiert und auch ausgetauscht werden.

Fruchtiger Trend: Sloe Gin

Eine alte Tradition, die – eng mit dem Aufstieg des Gins verbunden – wieder zu neuem Leben erwacht ist, ist die Zusammenführung von Gin und Schlehen. Ursprünglich war das Einlegen der Früchte in Gin im privaten Umfeld üblich, um zum einen die Früchte zu verwerten und zum anderen ein feines Getränk für den häuslichen Gebrauch herzustellen. Die Familienrezepte wurden bei Freunden und Verwandten oft hoch geschätzt.

Spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommerzialisierte sich diese Tradition, Gordon’s brachte 1906 einen Sloe Gin auf den Markt. Heute hat diese Variante, bei der es sich geschmacklich eher um einen Likör handelt, wieder stark an Beliebtheit gewonnen. Da Sloe Gin normalerweise deutlich schwächer im Alkohol ist (ab 25 Volumenprozent), bietet der herbe Geschmack, gekühlt und meist mit Tonic aufgegossen, eine leichtere Variante zu einem klassischen Gin Tonic. Auch in der Patisserie, etwa bei Eismachern, wird Sloe Gin bisweilen eingesetzt.

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Gin mit besonderem Fokus

Einer der neueren Trends sind Gin-Sorten, die schon auf dem Etikett besondere Erwartungen erzeugen wollen. Die Betonung einzelner Botanicals wird in den Vordergrund gestellt. Und so finden sich Angaben wie Coffee, Holunder, Himbeer, Hanf, Blood Orange oder Zirbe als Prefix vor dem Wort Gin. Da laut den gesetzlichen Regeln für die Kategorie der Wacholder­geschmack im Getränk merkbar sein muss, bleibt es die Herausforderung der Hersteller, sowohl die angegebenen Botanicals deutlich ins Glas zu bringen, als auch die Gin-Charakteristik abzubilden. Ganz neu ist dieser Trend freilich nicht, Gordon’s hatte von 1929 bis 1988 einen Gin Orange und ab 1931 einen Gin Lemon im Programm. Heute werden diese neu aufgelegt.

Tonic Water

Eine natürliche Entwicklung war das Auftauchen neuer Tonic-Marken, die – nicht ganz so stark wie bei Gin – seit einigen Jahren auf den Markt drängen. Neben der Ikone Schweppes (gegründet 1783) haben sich drei Marken etabliert: Fentiman’s (gegründet 1905) gehört zu den alten Hasen, dagegen sind die anderen richtige Jungunternehmen. Fever Tree startete seinen Siegeszug 2004, 2010 kam Thomas Henry aus Deutschland dazu und wurde freudig angenommen. Auch hier lag die Innovation bei den neuen Mitspielern, insbesondere Fever Tree tat sich mit der Einführung des Fever Tree Mediterranean Tonics hervor. Ein Tonic, das nicht nur Bitterkeit und Frische in einen Drink einbringt, sondern auch einen kräftigen Eigengeschmack aufweist. Das eröffnete neue Möglichkeiten, denn rein gesetzlich ist Tonic Water nur über den Chiningehalt von 15 bis 85 Milligramm pro Liter definiert – der Geschmack bleibt dem Hersteller überlassen.

Neben Kräutern werden deshalb inzwischen gerne Früchte und andere Pflanzenteile betont. Und so finden sich heute Tonics in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen in den Regalen, wie zum Beispiel Elderflower, Rhubarb & Raspberry, Lemon, Cucumber, Lemongrass oder Lärche. Ausgefallener geht es immer noch, was die Existenz von Coffee- und Chocolate Tonic beweist. Die wahre Herausforderung ist dabei, bei so vielen Geschmacksrichtungen ­den richtigen Gin für die perfekte Gin-­Tonic-Kombination zu finden.

Wermut & Gin

Aber nicht nur Tonics erleben als Begleitung zum Gin einen neuen Höhenflug. Auch der Wermut feiert ein beeindruckendes Comeback. Entstanden im 18. Jahrhundert im damaligen Königreich Savoyen (heute die Provinz Savoyen in Frankreich und das angrenzende Piemont in Italien), ist Wermut eine der klassischen Zutaten für alte Cocktailrezepte und harmoniert auch mit Gin ganz hervorragend. Sowohl die weißen, staubtrockenen Varianten, die für einen guten ­Martini-​Cocktail essenziell sind, als auch die süßen, roten Vertreter, die dem Negroni die richtige Tiefe verleihen. Wahrscheinlich ist es nicht zuletzt der derzeitigen Popularität dieses Drinks zu verdanken, dass immer mehr neue Marken entstehen. Vor allem regionale Weingüter sind es, die den Trend aufgreifen, oftmals zusammen mit Gin-Produzenten ihre jeweiligen Kernkompetenzen bündeln und dadurch neue Produkte für die Spirituosenwelt erschaffen.

International vs. Regional

Einem bestimmenden Trend der letzten Jahre kommt diese Entwicklung zusätzlich entgegen, denn auch in der Cocktailwelt ist Regionalität durchaus angesagt. So ist es bei alleine über 180 österreichischen Gin-Marken und mehr als 30 Wermuts aus Österreich längst kein Problem mehr, einen reinen Austro-Negroni im Glas zu bauen. Zwar ist die Vormachtstellung der dritten Originalzutat – Campari – nicht gefährdet, aber auch nationale Bitter Aperitifs sind immer häufiger zu finden. In diesem Spannungsfeld gibt es unzählige Varianten, um Drinks an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Ob international oder streng in der Region bleibend. Jetzt braucht es nur mehr experimentier­freudige Gin-Freunde: Also ran an das Gin-Regal – und viel Freude beim Experimentieren, Verkosten und Mischen!

Ein Best of Botanical Gin finden Sie in der Ausgabe 08/2021 des Falstaff Magazins.


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2021

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Erhard Ruthner
Erhard Ruthner
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