Viele Steine liegen den Spezialitäten der Camba Bavaria im Weg.

Viele Steine liegen den Spezialitäten der Camba Bavaria im Weg.
© Camba Bavaria

Camba Bavaria aus dem Chiemgau trägt Trauer

Peter Eichhorn über das deutsche Reinheitsgebot und die Konsequenzen, wenn es nicht eingehalten wird.

Sie ist eine der kreativsten und experimentierfreudigsten Brauereien Deutschlands, die Camba Bavaria aus Truchtlaching. Dutzende Spezialitäten braut das Team um Markus Lohner und widmet sich dabei den traditionellen Bierstilen, wie Märzen und Bockbier, nimmt sich aber auch den modernen Stilen der Craft-Beer-Bewegung an und überzeugt mit schmackhaftem Black Lager, India Pale Ale oder Belgisch Triple. Darüber hinaus experimentieren die Brauer aus der Chiemsee-Region mit der Nachreifung ihrer Biere in Holzfässer und erproben dafür Eichenhölzer, die zuvor Rum, Cognac, Wein oder Whiskey enthielten.
Neu in 2016 kommen mit einem kuriosen Design, das an die getarnten Testfahrzeuge der Automobilindustrie erinnert, hinzu: die Erlkönige. Mit jener neuen Bier-Edition mit dem Namen »PHNTM«, möchte Camba Bavaria die Grenzen konventioneller Brauerfahrung überschreiten und neue Prototypen mit experimentellen Zutaten und Verfahren schaffen.

Experimentiergeist vs. Reinheitsgebot

Doch nicht jedem gefällt der brautechnische Experimentiergeist. Insbesondere in Bayern ticken die Uhren noch anders. Da, wo moderne Craft Brauer das Zeitalter der Digitaluhr biertechnisch begleiten, verwaltet Bayern noch ein Bierzeitalter der Sanduhr und des Hahnenschreis. So zwangen bayerische Behörden das Projekt aus Truchtlaching, ihren gesamten Bestand an »Milk Stout« zu vernichten. Bei »Milk Stout« handelt es sich um einen international anerkannten Bierstil, bei dem Milchzucker Verwendung findet. Diese Zutat entspricht nicht dem bayerischen Reinheitsgebot und bedeutet ein Dorn im Auge der konservativen Brau-Lobby. Alle Alternativ-Bezeichnungen – jenseits von Bier – wurden ebenfalls abschlägig beschieden. »Vergorenes, alkoholhaltiges Getränk«, »anderes gegorenes Getränk, schäumend« oder die verzweifelte Umkehrung der Schreibweise in »Klim Tuots«: Verneint und abgelehnt. Der Amtsschimmel befiehlt: ausschütten. Sollte dies der Geist sein, der die Feierlichkeiten zu 500 Jahre Reinheitsgebot begleitet? Hoffentlich nicht.

Übersiedlung nach Österreich?

Dennoch lieben zahlreiche Biergenießer die Brauspezialitäten der Camba Bavaria, was zu einem Brauereineubau in Seeon führen sollte. Neue Bauregularien und die Klagen dreier Anwohner sorgten dort jedoch für einen Baustopp – auch wenn die Verkehrswegeplanung angepasst wurde, jegliche Lärmschutzauflage abgegolten schien und selbst die Belange der Bienenvölker und Fledermäuse angemessene Beachtung fanden. Die weitere Entwicklung ist fraglich und mit Anspannung blicken die Beteiligten auf den nächsten Gerichtstermin Ende April.

100 Mitarbeiter und ihre Familien stehen vor einer ungewissen Zukunft. Derzeit überlegen die Verantwortlichen der Camba Bavaria, ob es nicht sinnvoller wäre, Bayern zu verlassen und ins Ausland zu übersiedeln, beispielsweise nach Österreich, um deutsche Bürokratie und Gängelei nicht länger erdulden zu müssen.

www.camba-bavaria.de

Peter Eichhorn
Peter Eichhorn
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