Weizen wird in der Brauerei Schnaitl für die Herstellung von Weißbier benötigt.

Weizen wird in der Brauerei Schnaitl für die Herstellung von Weißbier benötigt.
© Lothar Prokop

Braukunst mit Tradition

Oberösterreich und das Bier verbindet eine lange Geschichte. Bis heute wird nach jahrhundertealten Rezepten gebraut. Doch auch ganz neue Craft-Beer-Aromen erobern von hier aus die Welt.

Es gibt viele Erklärungen, warum Oberösterreich unter den Bundesländern als Bierland hervorsticht. Zum Beispiel weil das gesamte Innviertel bis zum Vertrag von Teschen 1779 zum bierfreudigen Bayern gehörte. In der »Allgemeinen Brauer- und Hopfen-Zeitung« vom 6. November 1889 wird Oberösterreich mit Böhmen und Salzburg verglichen. Da heißt es: »In Oberösterreich liegen in dieser Beziehung die Dinge besser, da auf dem reichen Boden dieses Kronlandes die Aristokratie der österreichischen Bauernschaft sesshaft ist. Ein einziges Dorf im Inn- oder Mühlviertel consumirt an manchem Sonntage mehr des Gerstensaftes als irgendwo ein ganzer Bezirk. (...) Es wäre schwer zu sagen, worin die Ursache hiefür zu suchen ist, jedenfalls dürfte die kräftigere Luft, welche über Salzburg und Oberösterreich weht, einen großen Teil an dieser Erscheinung haben.«
Weiter heißt es in der Expertise von 1889, dass sich »das Hauptkontingent der Biertrinker aus der Bauernschaft« rekrutiere, »und diese muss nach ihrem starken Tagewerke kräftigen Getränken zusprechen, wenn anders der Genuss ein vollkommener sein soll«. Nun ist die Anzahl der agrarischen Betriebe auch in Oberösterreich stark zurückgegangen – der Bierdurst aber ist geblieben. 

Hopfenernte anno dazumal: seit 1858 wird in Zipf erfolgreich Bier gebraut.
© Brau Union Österreich
Hopfenernte anno dazumal: seit 1858 wird in Zipf erfolgreich Bier gebraut.

Biervielfalt

Große und kleine Betriebe nähren heute den Ruf des Bierlands Oberösterreich. Während die Brauerei Zipf als Teil der Brau Union im großen Stil produziert und seit 1. Februar mit Harald Raidl einen neuen Braumeister hat, geht es in Leonding bei Linz beschaulicher zu. Seit 1995 gibt es hier das Michaeli Bräu, das vom »Verein der Freunde der Leondinger Braukunst« betrieben wird und dessen Bier nur für Mitglieder verfügbar ist. Der Verein hat eine lange Warteliste für ­Neuaufnahmen.
Da klingt es sogar zeitgemäß, was da in der »Allgemeinen Brauer- und Hopfen-Zeitung« aus dem Jahr 1889 steht – dass in Oberösterreich nämlich im Unterschied zu anderen Ländern »die Kleinbrauerei, welche sonst überall durch die Konkurrenz der großen Braustätten an die Wand gedrückt, ja auf das Aussterbeetat gesetzt ist, gesund und kräftig erhalten« ist. Zwar gibt es nicht mehr die 228 Brauereien der 1880er-Jahre, aber rund vier Dutzend sind es heute noch – oder heute wieder. Denn obwohl immer wieder eine Mittelstandsbrauerei schließen musste – zuletzt das Kellerbräu in Ried, eine der ältesten Brauereien Österreichs –, werden laufend neue Brauereibetriebe gegründet. Und, um in Ried zu bleiben: Bestehende Brauereien wie die Brauereigenossenschaft Ried errichten zusätzliche Kleinbrauereien, die Spezialitäten anbieten. Auf der kleinen Brauanlage, die der Rieder Braumeister Josef Niklas auch für Brauseminare in Betrieb nimmt, werden gelegentlich Sondersude produziert, die dann entweder als Spezialität für besondere Kunden abgefüllt werden, etwa den für seinen gut sortierten Bierkeller bekannten »Biergasthof Riedberg«, oder die so gut ankommen, dass sie dann gleich im großen Stil weitergebraut werden wie das ­Rieder India Pale Ale.

Moderne Brauerei mit langer Tradition: Grieskirchner.
Foto beigestellt
Moderne Brauerei mit langer Tradition: Grieskirchner.

Craft Beer – Der englische Stil

India Pale Ale ist das Flaggschiff der Craft-Bier-Brauerei, ein englischer Bierstil, der in Amerika in Mode gekommen ist und nun im deutschen Sprachraum an Popularität gewinnt. Hierzulande hat man lange geglaubt, dass man derartige Biere nicht braucht – es gäbe ja genügend gutes bodenständiges Bier.Aber die oberösterreichischen Brauer verstanden bald: Märzen und Pils decken nur einen kleinen Teil des bierigen Aromaspek­trums ab. Im Craft Beer liegt die schier endlose Geschmacksvielfalt.
Hier trifft Tradition auf Moderne. Weizenbier ist in den 1980er-Jahren langsam zu einem in allen Haushalten bekannten Begriff geworden – Grieskirchner braute und braut heute noch die Jörger Weisse, in Zipf hat das Edelweiss ein Zuhause gefunden, in Schärding hat Baumgartner das Sortiment um ein Weißbier ergänzt. Warum dann nicht auch ein belgisches Witbier?
Die Raschhofer-Brauerei in Altheim hat es probiert – und obwohl sie damit erwartungsgemäß wenig Erfolg auf dem konservativen Heimatmarkt hatte, ließ sie nicht locker. Heute hat sich das erfrischende Bier nach belgischem Rezept bundesweit etabliert.

Prämiertes Craft Beer: Rieders dunkelmalziges Schwarzmann.
© Brau Union Österreich
Prämiertes Craft Beer: Rieders dunkelmalziges Schwarzmann.

Oberösterreichische Brauer vertrauen nicht bloß darauf, dass die Leute rund um den Schornstein der Brauerei mit dem lokalen Bier zufrieden sind. Sie zeigen sich innovativ und bieten Biere an, die auch Genießer und Kenner außerhalb des engeren Absatzgebiets ansprechen, etwa ihr neues Bier, Bio ­Naturtrüb. So hat sich die Brauerei Schloss Eggenberg aus Vorchdorf nicht darauf beschränkt, »das Bier zum Salzkammergut« zu brauen. In heimischen Gefilden ist die Brauerei vor allem für ihre Klassiker bekannt wie Hopfenkönig, Classic Märzen oder Gold, das wohl einzige Bier, das aus rein oberösterreichischen Rohstoffen gebraut wird. Aber Eggenberg vertreibt inzwischen auch weltweit Craft-Biere wie ihren Urbock oder ihr Samichlaus-Bier, das es auch in raren holzfassgereiften Varianten gibt. Außerdem bietet Eggenberg informative Brauereiführungen an. 

Von klassisch bis Craft: Die Schlossbrauerei Eggenberg produziert viele Biere.
© Schlossbrauerei Eggenberg
Von klassisch bis Craft: Die Schlossbrauerei Eggenberg produziert viele Biere.

Mit Oak-Aging, einem kräftig eingebrauten Bier, hat sich die Brauerei Grieskirchen inzwischen einen Namen gemacht. Und die Trappistenbrauerei Engelszell ist sowieso eine Sensation: Die Mönche konnten selbst nicht fassen, dass ihnen das Bier aus der neuen Brauerei förmlich aus der Hand gerissen wurde. Vielleicht ist ja auch das eine Erklärung, warum Oberösterreich ein Bierland ist: Sein Bier trifft den Geschmack von Bierfreunden auf der ganzen Welt.

© Ulrich Schueler

Aus dem Falstaff Oberösterreich Special 2016

Conrad Seidl
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Von Redaktion