Die Ernte lief auch bei Château Haut-Bailly in Pessac unter strahlender Sonne ab, der Altweibersommer hat den Jahrgang ins Ziel gerettet.

Die Ernte lief auch bei Château Haut-Bailly in Pessac unter strahlender Sonne ab, der Altweibersommer hat den Jahrgang ins Ziel gerettet.
© Victor Cornec

Bordeaux en Primeur 2021: Claret reloaded

Das Leben ist zurückgekehrt nach Bordeaux. Nach zweijähriger Pause fanden Ende April wieder reguläre En-primeur-Verkostungen vor Ort statt. Die Rotweine 2021 zeigen sich leichtfüßig und zugänglich.

Vieles erinnerte mich an die En-primeur-Proben des Jahrgangs 1997. Die spürbar kleinere Zahl der präsenten Fachleute, sowohl Händler wie Journalisten, und die Art des zu verkostenden Weins. 2021 ist ein leichtfüßiger, frischer, bald zu konsumierender Jahrgang, er bietet Rotweine mit guter Farbe, einer ansprechenden Aromatik, mit Frische und einem dezenten Alkoholwert. Dazu gesellen sich dezente Tannine, nur in seltenen Fällen auch vegetale Nuancen. Die besten Weißweine sind hingegen Spitzenklasse, bei den Süßweinen gibt es nur sehr kleine Mengen, Freunde stark von Botrytis geprägter Weine kommen voll auf ihre Kosten. Die Roten sind sehr unterschiedlich in der Qualität, es gibt einige sehr positive Ausnahmen, insgesamt ist es ein Jahr des Cabernets und damit des linken Ufers.

Wenn die Preise stimmen – und das kann man noch nicht sagen – wird sich der positive Trend im Export, zuletzt vor allem im Segment der »kleinen« Namen, mit einem Letztverbraucherpreis von 30 bis 50 Euro weiter fortsetzen. Die kleine Erntemenge spricht dagegen, die aktuell enorm steigenden Produktionskosten ebenfalls, denn die Kosten für Flaschen, Etiketten, Kork und Verpackung, dazu auch noch Transport der Weine, haben sich in den letzten Monaten um durchschnittlich 30 Prozent gesteigert. Und diese Kosten sind für den »No Name«-Winzer pro Flasche gleich wie beim Kollegen vom Nobel-­Château.

Regenreich und Sonnenarm

Auf einen recht milden Winter folgte ein ausgesprochen kalter April mit einigen schweren Frostnächten, die wie in vielen anderen Regionen Frankreichs und Europas eine Spur der Verwüstung hinterließen. In Bordeaux war die Region im Süden, also Graves und Sauternes, am stärksten betroffen, bei minus sechs Grad Celsius wurden bis zu vier Fünftel der Weingärten geschädigt. Mai und Juni waren niederschlagsreich, eine späte Blüte und Probleme mit Mehl­tau hielten die Winzer auf Trab und setzten den Bio-Produzenten einmal mehr zu. Im Juli gab es nach wie vor Niederschläge, erst ab 8. August war es trocken, da gab es sogar ein Viertel weniger Niederschlag als im langjährigen Durchschnitt. Zum Ende des Sommers stieg das Thermometer noch einmal nach oben, insgesamt zählt 2021 zu den kühleren Jahren. Mitte September gab es wieder Regenfälle, Trockenstress so gut wie keinen, die Beeren waren groß. Die Merlots kamen erst bis Anfang September in den Keller, viele Cabernet Sauvignons wurden erst in zwei sehr schönen, windig-­trockenen Oktoberwochen geerntet. Es war ein Jahr der Weingärtner und Kellermeister, rigoroses Sortieren der Trauben war diesmal unerlässlich.

Vielzitierte Klassik

Generell zeigen die Weine tendenziell geringere Alkoholwerte und eine lebendige Frische, die besseren Exemplare sind gut balanciert. Am linken Ufer ist die Qualität als durchschnittlich einzustufen, vielleicht einen Hauch besser als zuletzt in den Jahren 2017 oder 2014, aber ganz klar auch hinter 2019 oder gar 2016. In gewisser Weise ist 2021 ein stilistischer Rückgriff auf die alten Zeiten in Bordeaux: Statt kraftvollen, überextrahierten, sehr reifen Rotweinen mit 14 Volumenprozent gibt es diesmal zugängliche, frische und leicht konsumierbare Weine wie einst – die Alkoholwerte liegen zwischen 12,5 und 13,5 Volumenprozent.

Vor Ort bezeichnet man diesen Stil der Weine gerne als klassisch – ein Begriff, der Händler wie Journalisten im gleichen Maße hellhörig werden lässt. Denn längst ist »klassisch« ein Codewort für einen eher kleineren Jahrgang, und hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich von den großen Zuckermengen, die man für das Aufbessern der Moste aus 2021 benötig­te, damit die Jungweine wenigstens die 12,5-Vol.-%-Hürde nehmen konnten. Nicht zu vergessen: Die Mostkonzentration wurde in Bordeaux erfunden. 

Dank »L’osmose inverse« haben zahlreiche Weine des Jahrgangs zu ihrer Statur gefunden, die ihnen Mutter Natur in der Form nicht angedeihen lassen wollte. Es hing in diesem Jahrgang letzten Endes alles vom Winzer ab, denn der Witterungsverlauf ließ ohnehin wenig Spielraum nach oben. Und so wurde ohne Marktdruck viel getan, um dem Konsumenten einen guten, zugänglichen Wein anbieten zu können – durch genaue Wahl des Erntezeitpunkts oder mittels Verbesserung der Moste im Rahmen der erlaubten Möglichkeiten. Dies geschieht durch technische Verfahren der Mostkonzentration, durch Chaptalisation (Anreicherung des Mostes mit Zucker) oder durch den Rückverschnitt von bis zu 15 Prozent der Menge von Wein aus dem guten, vorherigen Jahrgang 2020.

Ein Jahr des Cabernet

Die Verkostung der Jungweine zeigt einige recht klare und logische Tendenzen. Wir haben es mit einem kleineren Jahrgang zu tun, aber mit keinem schlechten. Die Qualität der Weine ist extrem heterogen, es gibt durchaus einige herausragende Gewächse. Damit steht 2021 deutlich über Jahren wie 2013 und 2017. Es ist ohne Zweifel ein Jahr der Cabernets, und zwar der Cabernets Sauvignons am linken und der Cabernets Francs am rechten Ufer. Diese Tendenz spiegeln die Zusammensetzungen der Cuvées klar wider. 96 Prozent Cabernet-Sauvignon-Anteil bei Lafite-Rothschild und Latour, 60 Prozent Cabernet Franc bei Château Angélus in Saint-Émilion sprechen eine deutliche Sprache.

Die trockenen Weißweine sind dort, wo sie nicht zu sehr vom Regen strapaziert wurden, sehr gut ausgefallen. Der ohnehin rare Haut-Brion Blanc ist vielleicht der beste jemals produzierte Wein dieses Hauses. Daneben findet man wieder Weine, die vergleichsweise dünn und verwässert wirken, ein Resultat des Terroirs und der sehr ungleich verteilten Regenmengen. Die Süßweine aus Sauternes und Barsac wurden durch den Frost extrem in der Menge limitiert, sie sind von einer starken Botrytisnote gekennzeichnet, selbst in den besten Lagen ist die Erntemenge winzig gewesen. Suduiraut produzierte einen exzellenten Wein, allerdings nur in der Größenordnung von einem Hektoliter. Kleinere der bekannten Gewächse wie  Bastor-Lamon­tagne können aus dem Jahr 2021 gar nur 3000 Flaschen vom Grand Vin anbieten. Am Ende stand eine geringe Erntemenge mit weniger als vier Millionen Hekto­litern – der Zehnjahresschnitt liegt aktuell bei 4,940 Millionen Hektolitern. In den ­qualitativen Spitzenjahren 2010 oder 2016 wurden mehr als 5,7 Millionen Hektoliter erzeugt, der letzte Jahrgang 2020 lag bei 4,4 Millionen Hektolitern.

Das erste Fazit zu 2021 lautet: Wer subskribiert, darf sich keinen allzu ­großen Wertzuwachs erwarten. Da bei vielen Weinen die Mengen geringer sind als üblich, sichert man sich seinen Lieblingswein. Speziell wer Sonder­format einkaufen will, wird sich für den Primeur-Kauf interessieren. Durch seine frühe Antrinkbarkeit wird sich das Jahr auch für die Gastronomie empfehlen. Die Weine sind generell unkompliziert und bereits früh zugänglich. Wir haben für Sie über 300 Jungweine probiert. Die besten Empfehlungen finden Sie im Tasting.

ZUM TASTING: Bordeaux 2021 En Primeur

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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