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Bordeaux En Primeur 2016

Der Jahrgang 2016 hatte es gewaltig in sich. Zunächst beschäftigte der extreme Witterungsverlauf die Winzer. Am Ende bringt er dem Weinfreund grandiose Weine in allen Preisklassen.

Alle Zeichen stehen auf einen großen Bordeaux-Jahrgang 2016. Seine Exzellenz zeigt sich unter anderem darin, dass Merlot und Cabernets gleichermaßen gute Qualitäten aufzeigen. Der sorglose Herbst ließ beide Sorten langsam ins ideale Reifefenster gelangen. Die Frage »Linkes oder rechtes Ufer?« stellt sich 2016 also nicht. Wollte man dennoch eine Rebsorte hervorheben, dann wäre es wohl der Cabernet franc: Denn dieser kam vergleichsweise gut durch die Trockenheit, bewahrte unter den nicht zu heißen Temperaturen von August und September eine große Frische und reifte zur Perfektion.

Das Terroir von Château Montrose konnte 2016 seine ganze Klasse ausspielen.
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Das Terroir von Château Montrose konnte 2016 seine ganze Klasse ausspielen.

In großen Jahren kleine Weine

Ein weiteres Merkmal des Jahrgangs 2016 ist der Erfolg kühlerer Lagen – und von Böden, die durch ihre Tiefgründigkeit und/oder durch einen hohen Kalkgehalt als Wasserspeicher fungieren. So erklärt sich beispielsweise der große Erfolg von Fronsac und der Côtes de Castillon: Beide Gebiete haben Böden, die denjenigen auf dem Kalkplateau Saint-Émilions ähneln. Speziell Castillion hat jedoch in manchen Jahren das Problem, dass sich die Gerbstoffreife erst bei einem Alkoholpotenzial von 14,5 Prozent und mehr einstellt. 2016 hingegen ergab sich durch die gedrosselte Vegetation und die langsame Reifeperiode ein ideales Gleichgewicht von Phenolreife und Zuckerreife. So reichen die Weine dieses Jahr in puncto Frische und Mineralität nahe an diejenigen des Secteur Mondot oder von Ausone/Belair heran. Selbstredend nicht mit deren rarer Mischung aus Kraft und Differenzierung – aber doch soweit, dass man sie als Paradebeispiele für die Aufforderung zum Kauf »kleinerer« Châteaux verwenden kann.
Ähnliches lässt sich am linken Ufer zu manchen Crus bourgeois sagen, über viele Weine des Bas-Médoc, aus Moulis, Listrac und Saint-Estèphe. Allerdings mit der Einschränkung, dass die Betriebe offenbar nicht resigniert haben, als es nach dem nassen Frühjahr so aussah, als werde der Jahrgang in die Binsen gehen. Einzelne Châteaux scheinen befürchtet zu haben, dass sich die Geschichte des 2013ers wiederholt: hohe Kosten und dennoch ein maues Ergebnis. Wer so dachte und nicht bis zuletzt im Weinberg Arbeit investierte, konnte 2016 nicht erfolgreich sein.

Thomas Duroux hat Château Palmer aus Margaux an die Spitze geführt.
© Marlene Awaad
Thomas Duroux hat Château Palmer aus Margaux an die Spitze geführt.

Zudem ist die Homogenität innerhalb ein- und desselben Weinguts 2016 nicht die allerbeste. Im vergangenen Jahr waren viele Zweitweine qualitativ sehr nahe am Grand Vin. 2016 fallen viele Zweitweine stark ab – und belegen, wie kritisch die Phase des Trockenstress für den Jahrgang war. Diese Ungleichmäßigkeit der Lesepartien innerhalb ein- und desselben Weinguts sollte einem beim Kauf »kleiner Weine« dazu bringen, in der Regel den Grand Vin eines kleinen Châteaus dem Zweitwein eines klassifizierten vorzuziehen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Mit einem Carruades de Lafite, einem Alter Ego (Palmer) oder einem Chapelle d’Ausone macht man auch beim 2016er keinen Fehler.

Die Top-Gebiete

Wo die Vorgaben der Natur von den Böden unterstützt und von menschlichem Sachverstand genützt wurden, sind Weine mit einer raren Balance und sehr eigenem Gefüge entstanden: Die besten 2016er sind frisch und dennoch reif, sie haben eine gesunde Säure und wirken dennoch rund. Ihr Gerbstoff bleibt hinter Frucht und Schmelz verborgen und lässt sich bei der Verkostung in seiner Konzentration fast nur extrapolieren. Messungen der Polyphenolgehalte in Beeren und Wein belegen, dass die 2016er viel mehr Tannin aufweisen, als man ihnen bei einer oberflächlicher Begutachtung zutrauen würde. Adstringenz sucht man bei den 2016ern dennoch vergebens – das ist vielleicht sogar der aussagekräftigste Nachweis ihrer großen Qualität.

Der Weinkeller im Château Palmer.
© Nicholas Joubard
Der Weinkeller im Château Palmer.

Die besten Gebiete liegen dieses Jahr im Norden des Médoc, von Saint-Julien aufwärts, Margaux und Pessac-Léognan sind etwas weniger homogen – wenngleich auch hier einige ausgezeichnete Weine entstanden sind. Am rechten Ufer scheint Saint-Émilion im Allgemeinen qualitativ etwas vor Pomerol zu liegen, in beiden Appellationen gehören die Güter auf sandigen Böden zu den Verlierern des Jahrgangs.

Weißweine und Viny Liquoreux

Es ist eine Binsenweisheit, dass große Rotweinjahre selten auch edelsüße Spitzenweine hervorbringen. Der trockene Herbst hat die Botrytis nicht gefördert. Wo sie durch langes Warten erzwungen wurde, fehlt es den Weinen oft an Klarheit. Die besten Sauternes und Barsacs sind mittelgewichtig bei angenehmer Frische, großes aromatisches Volumen und Länge haben sie dieses Jahr eher nicht. Als Speisenbegleiter könnten sie nach ein paar Jahren Reife aber durchaus Freude bereiten.

Die trockenen Weißweine sind eindeutig die schwächsten 2016-er. Denn Sauvignon blanc und Sémillion konnten von der Wendung des Jahrgangs Mitte September nicht mehr profitieren: Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits gelesen. Der Mehrzahl der Weine ist der Trockenstress deutlich anzuspüren: Frucht und Säuren wirken matt, und es fehlt an Länge. Kurioserweise scheinen dieses Jahr manche Weißen aus dem Médoc und vom rechten Ufer (Saint-Émilion, Blaye, Francs) besser gelungen als die Klassiker aus Pessac-Léognan.

Aus Falstaff Magazin Nr. 04/2017

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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