Bordeaux 2012: Viel Charme

Bordeaux hatte 2012 mit schwierigen Wetterbedingungen zu kämpfen – eine Analyse.

Es war kein einfacher Jahrgang für die Winzer. Im Gegensatz zu einem Traumjahr wie 2009, wo man quasi aus der Hängematte zusehen konnte, wie die Trauben heranreiften, war 2012 viel Einsatz gefragt. Einer schwierigen Blüte folgte ein Sommer der Herausforderungen, es blieb trocken, aber auch kühl. Bald war klar, dass sich die Reife erst spät einstellen würde. Im Oktober kam der Regen – der langsam reifende Cabernet Sauvignon musste es bis zu diesem Zeitpunkt geschafft haben. Wer da speziell am Linken Ufer nicht rechtzeitig richtig reagierte, hat jetzt grüne Noten und harsche Tannine im Wein.

Kleine Ernte
John Kolasa, Direktor von Château Rauzan-Ségla in Margaux, betont die Bedeutung einer effektiven Weingartenarbeit: »Die starken Temperaturschwankungen im Mai führten zu einer unregelmäßigen Blüte, die wiederum in eine heterogene Reife der Trauben mündete. Wir hatten glücklicher­weise aus 2011 gelernt, wo die Bedingungen ähnlich waren, und konnten im Weingarten mit dieser Problematik diesmal noch besser umgehen. Klarerweise sind die Erntemengen entsprechend klein ausgefallen, wir haben 36 Hektoliter pro Hektar geerntet.«

Tradition und Moderne verbindet der neue Chai auf Cheval Blanc / Foto: beigestellt
Tradition und Moderne verbindet der neue Chai auf Cheval Blanc / Foto: beigestellt


Charles Chevallier, Regisseur von Lafite-Rothschild / Foto: © Peter MoserVorteile für das rechte Ufer
Ohne Zweifel waren der früher reifende Merlot und damit das Rechte Ufer (und hier wiederum Pomerol und die Top-Terroirs von Saint-Émilion) im Vorteil. Auch das wärmere Pessac-Léognan im Südosten der Stadt Bordeaux war klimatisch etwas bevorzugt. Überall notwendig war eine strenge Selektion bei den Trauben mit dem Resultat kleiner Mengen. Am Linken Ufer, wo die Weine generell vom Cabernet Sauvignon dominiert sind, wurde der Merlotanteil in der Cuvée teilweise auf Rekordhöhe angehoben – was den Weinen keineswegs geschadet hat, denn ein Mehr an Merlot bedeutet auch ein Plus in Sachen Charme und Zugänglichkeit. Den Konsumenten wird das gefallen, und nach dem etwas kargen, mittelprächtigen, in Bordelaiser Eigendefinition »klassischen« Jahrgang 2011 könnte der 2012er (der auch kein großer, aber ein netter ist) schon eher auf die Gegenliebe der Weinfreunde zählen.

Jean-Philippe Delmas, der erfolgreiche Direktor von Haut-Brion / Foto: beigestelltDer Stil der Weine im Médoc aus 2012 kann mit geschmeidig, frisch dank guter Struktur und insgesamt als eher schlank beschrieben werden und verfügt über gewisse Ähnlichkeiten mit 2004, im besten Fall vielleicht mit 2001. Wo ordentlich gearbeitet wurde, gibt es auch entsprechend gute Weine.

Am Rechten Ufer, speziell im Pomerol, ist der Jahrgang 2012 deutlich höher einzustufen, die saftigen, gut ausgereiften Merlots verleihen den Weinen jede Menge Anziehungskraft. Neben guter Frucht und Eleganz zeigen sie sich gut strukturiert, hier könnte man schon eher an 1998 als Referenzjahrgang denken. Besonderes Augenmerk wurde auf den später reifenden Cabernet Franc gelegt – hier war wiederum eine sehr penible Selektion der Trauben notwendig, denn gegen Ende der Ernteperiode gab es einige Regenfälle. So ist der Anteil des Cabernet Franc in den Cuvées 2012 tendenziell geringer. Wo er aber eingesetzt wurde – bei L’Evangile sind es rund zehn Prozent –, verleiht er den Weinen eine angenehme Würze und Struktur. Herausragend gelungen ist der Pétrus, aber die gesamte Appellation zeigt sich homogen und erfolgreich. Auch auf den bevorzugten Terroirs in Saint-Émilion wurden sehr gute Ergebnisse erzielt, dank des reifen Merlots entstanden hier einige bemerkenswerte Weine, allen voran der unverwechselbare Château Ausone. Dazu gesellen sich die weiteren Premiers Crus »A«, ein stoffig-mineralischer Angélus, ein straffer Pavie und ein deutlicher, von einem Cabernet-Franc-Anteil geprägter, fester Cheval Blanc.

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Den gesamten Artikel lesem Sie im Falstaff Magazin Nr. 04/2013-

Text von Peter Moser 

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