Bodensee-Region: Das Mehr am See

Besucher erwartet ein kulinarischer Kreislauf aus köstlichen Gerichten, frischem Gemüse, Fisch und Fleisch aus der Umgebung und innovative Gastronomen, die alles miteinander verbinden.

Wasser zieht die Menschen magisch an. Was beim lebendigen Gebirgsquell beginnt, findet am schwäbischen Meer seinen Höhepunkt. Das ausgeprägte Bekenntnis zur Region, außergewöhnliche Lokalkonzepte, alles umrahmt von einer beeindruckenden Naturkulisse inklusive Freizeitmöglichkeiten hat in den vergangenen Jahren für einen wahren Bodensee-Boom gesorgt. Und dieser ist noch längst nicht zu Ende.

Die Fische(r) vom Bodensee
Das Regionalbekenntnis und nicht zuletzt der ernährungsbewusste Aspekt von Süßwasser­fischen haben einen Wandel bewirkt. Der Begriff Bodenseefisch gleicht bereits einer eingetragenen Marke. War man bis in die frühen 2000er stolz auf importierte Meerestiere, preist man nun bis in die hintersten Täler Zander, Flussbarsch, Felchen und andere Schätze aus dem See auf der Speisekarte an. »Das Schöne ist, dass ich morgens nie weiß, was später in den Netzen zappelt. Manchmal viel, manchmal weniger. Ein paar Felchen oder vielleicht sogar ein Hecht«, sagt Bodenseefischer Karl-Otto Kapfhammer aus Nonnenhorn. »Die Leute sehen meist aber nur das Romantische: das schöne Wetter und die Fahrt auf dem See. Aber wir fahren an 365 Tagen im Jahr hinaus, bei jedem Wind und Wetter.« Sorgen bereiten ihm und seinen Kollegen die konstant rückläufigen Fischbestände, einerseits durch die große Nachfrage, andererseits durch das zu saubere Wasser des Sees bedingt. »Trotzdem«, sagt Kapfhammer, »wird für mich nie ein anderer Beruf infrage kommen. Ich werde fischen, so lange es geht.«

Auch die Landwirtschaft der Region bringt Großartiges hervor. Der milde Alpenföhn, überdurchschnittlich viele Sonnentage und der Zugang zu Europas größtem Trinkwasserspeicher bieten den Agrarbetrieben in Seenähe geradezu perfekte Bedingungen für den Gemüseanbau. Als Paradebeispiel gilt die Insel Reichenau, die von Auberginen bis zu Zucchini ganzjährig Knackig-Frisches anbieten kann. Beliefert werden Gastronomen und ausgesuchte (Super-)Märkte – kein Wunder, die Nachfrage wird von Jahr zu Jahr größer. Auch die Spargelernte sorgt ab Mitte April für einen Hype in den angrenzenden Ländern. Vom lauwarm marinierten Salat über das feine Süppchen bis zum Klassiker mit Sauce hollandaise dominiert das edle Gemüse bis zum Frühsommer die Kulinarikszene.

Wer es etwas exklusiver haben möchte, beauftragt Spezialisten wie Nathanael Lasch. Der Foodhunter kümmert sich persönlich um Dutzende Top-Gastronomen im Dreiländer­eck. »Wir leben hier in einem paradiesischen Einzugsgebiet. Rund um den See verteilt, gibt es unzählige innovative Landwirte, die sich mit ganzem Herzen der Sortenvielfalt verschrieben haben«, sagt der frühere Küchenchef. »Meine Aufgabe ist es, besondere Produkte für besondere Köche zu finden. Das reicht von seltenen Kartoffelsorten bis hin zur Urkarotte. So heben sich die Gerichte vom Mainstream ab. Man sucht heutzutage den puren, unverfälschten Gemüsegeschmack, wie wir ihn aus der viel zitierten guten alten Zeit kennen. So gibt’s gleichzeitig Aromennachhilfe und eine Auffrischung von Kindheitserinnerungen.« Knackige Kirschen, aromatische Erdbeeren, saftige Äpfel, bunte Pflaumen und hausgemachte Köstlichkeiten vom Hof – entlang des Bodensees gibt es lebhafte Bauernmärkte. Das Umdenken am heimischen Herd und in der Gastronomie hat diese Tradition aus einer Art Dornröschenschlaf geweckt.

Gericht aus dem »Villino« in Lindau: Garnelen mit Gemüseröllchen. / Foto Thomas Schiel

Finesse statt Mainstream

Von der gemütlichen Einkehr bei Rad- und Spazierausflügen bis zum Gourmeterlebnis direkt am Ufer – auch die Gastroszene vollzog zuletzt einen Wandel. Während aber gerade bei den seenahen Lokalen deutlich Luft nach oben herrscht (zu viele sehr touristisch ausgelegte Konzepte), sind wie immer die kreativen Köpfe das Aushängeschild der Bodensee-Region. Ohne sie wären die vorherigen Punkte nur halb so beachtenswert, so sind sie aber gemeinsam mit der Weinwelt am Bodensee eine fast unschlagbare Kombination. Das kann im klassischen Landgasthaus geschehen (etwa bei Familie Nöckl in der »Wirtschaft Ruggisberg«, Schweiz), im leger-modernen Ambiente (»Seehof in Immenstaad«, Deutschland), mit mediterranem Anstrich (»Villino« in Lindau, Deutschland) oder im noblen Familienbetrieb (»Mangold« in Lochau, Österreich). In Letzterem agiert Michael Schwarzenbacher als visionärer Küchenchef, der die Zeichen der Zeit nicht nur richtig gedeutet hat, sondern das Beste aus Berg, Wald und See mit Finesse auf den Teller bringt. »Bei der Qualität des Grundprodukts fängt alles an. Ich möchte das Beste haben, denn nur daraus können wir etwas Wertvolles kreieren. Und nicht zuletzt macht es einfach Freude, mit frischen, schmackhaften Nahrungsmitteln zu arbeiten.«

INFO

Deutschland

»Villino«, Lindau, www.villiono.de
»Brigantinus«, Konstanz, www.brigantinus.de
»Seehof«, Immenstaad, www.seehof-hotel.de
»Casala«, Meersburg, www.hotel-residenz-meersburg.com
»Gottfried«, Moos, www.hotel-gottfried.de

Österreich

»Mangold«, Lochau, www.restaurant-mangold.at
»Seehotel Kaiserstrand«, Lochau, www.seehotel-kaiserstrand.com

Schweiz

»Ruggisberg«, Lömmenschwil, www.ruggisberg.ch
»Seegasthof Schiff«, Kesswil, www.seegasthofschiff.ch
»Hotel Bad Horn«, Horn, www.badhorn.ch

Text von Markus Curin

Aus Falstaff Magazin Deutschland 05/2015

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