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Blackout-Dinner in Berlin: Max Strohe im Interview

Fünf Berliner Spitzenköche und ein Caterer laden am 25. März zum gemeinsamen 10-Gänge Menü ohne Strom in ein ehemaliges Heizkraftwerk. Mit dabei: Sternekoch Max Strohe vom »Tulus Lotrek«, Falstaff hat mit ihm gesprochen.

Zum zweiten Mal in Folge versammelt Billy Wagner vom »Nobelhart & Schmutzig« befreundete Spitzenköche, um gemeinsam zu einem »unplugged« Dinnerabend zu laden. Der Gedanke hinter dem Blackout-Dinner ist, Strom bewusst nicht zu nutzen. Wie es zu der Idee kam, was das »Tulus Lotrek« am 25. März kocht und warum an dem Abend zwar geraucht werden darf, aber Handys und Digitalkameras verboten sind, verrät der Sternekoch Max Strohe im Interview.

Falstaff: Die Idee für das Blackout-Dinner wurde 2016 in Kopenhagen geboren – wie kam es dazu?
Max Strohe: Bei Matt Orlando, dem skandinavischen Superkoch, fiel eines Abends der Strom aus. In seinem Restaurant »Amass« saßen aber bereits über 60 Gäste an den Tischen, so dass ihm und dem Service gar nichts anderes übrig blieb, als es irgendwie hinzukriegen. Notgedrungen hat er dann ohne Elektrizität gekocht. Aber offensichtlich hat es allen so gut gefallen, dass sie es wiederholen wollten. 

Bei Blackout-Dinner denkt man im ersten Moment ehrlich gesagt an Dunkelrestaurants, die in den späten 90ern schwer im Trend waren...
Nein, kein Angst, unsere Gäste werden nicht im Dunkeln sitzen. Es gibt ganz viele Kerzen und wird toll inszeniert sein. Beim Dunkeldinner als Erlebnisgastronomie hat man früher vor allem auf das Dunkel gesetzt. Da war es egal, wie die Kellner drauf waren und was aufgetischt wurde. Wir bringen all unser Können mit, unseren Sommelier, unser professionelles Serviceteam, die ihr Handwerk verstehen und herzlich sind. Da wäre es schade, wenn man die nicht sehen könnte. Blackout-Dinner heißt in dem Fall, dass wir nachhaltig und ohne Strom kochen. 

Billy Wagner hat ja diesen Spruch: »Fass Dein Essen einfach mal wieder an.« Ich glaube, das hat viel damit zu tun.

Was ist so falsch an moderner Küchentechnologie wie den Pacojet oder den Sous-vide-Garer?
Daran ist nichts falsch. Ich glaube nur, dass auf die Phase der Hochtechnologisierung in den Küchen nun eine Rückbesinnung auf althergebrachte Koch- und Garmethoden folgt. Ob es das Einwecken und Fermentieren ist oder das Grillen über offenen Feuer. Wenn Köche zu uns kommen, die in einer großen Küche gelernt haben, merke ich immer: Die haben gar kein Gespür dafür, wann ein Fleisch medium rare ist, weil sie es nur noch vakuumiert im Sous-vide-Garer verarbeiten. Billy Wagner hat ja diesen Spruch: »Fass Dein Essen einfach mal wieder an.« Ich glaube, das hat viel damit zu tun. Es geht darum, dass die Leute wieder ein Gespür dafür entwickeln, was sie da überhaupt essen. Und das Gleiche gilt für uns Köche: Also Beutel auf, Beutel zu und alles steril – das kann es nicht sein.

Billy Wagner ist ja auch der Initiator des Blackout-Dinner in Berlin, sein Restaurant  »Nobelhart&Schmutzig« ist bekannt dafür, »brutal lokal« zu kochen. Ich neme an, der Ansatz gilt auch beim Dinner ohne Strom?   
Klar, es geht nicht nur darum zu sagen: Okay, wir grillen halt jetzt statt zu vakuumieren. Oder das Pesto mit Mixer fällt aus. Nein, der Gedanke muss konsequent zu Ende gedacht werden: Welche Kräuter kann ich in dieser Jahreszeit verwenden, weil nichts aus Gewächshaus kommen soll? Die Vorgabe lautet: »Alles ohne Strom«. Das heißt, die Lebensmittel müssen regional sein und am besten von um der Ecke kommen, damit sie mit möglichst wenig Energie transportiert werden. Wir werden deswegen auch keine Zitrone und kein Pfeffer verwenden, wenn möglich sogar kein Salz. 

Was kocht das »Tulus Lotrek« an diesem Abend? Konsequent unplugged ist bestimmt ziemlich herausfordernd...
Wir machen eine Borscht-Interpretation, mit roter Bete und Gemüse, das erst auf dem Grill geröstet und dann zu einem Fond mit Apfelmost und vergorenem Betesaft verarbeitet wird. Dann kochen wir noch ein Risotto aus Emmer-Reis. Das ist eigentlich gar kein Reis, sondern ein Zweikorn, doch daraus lässt sich ein super Risotto machen. Ich stelle mir dazu noch einen alten, handgemolkenen Bergkäse vor, vielleicht mit einem Sud aus verbranntem Lauch, um die Umami-Note reinzubringen. Unsere Gänge sollen auf jeden Fall die Schlonzigkeit und den Geschmack vom Tulus Lotrek repräsentieren.  

Die Gäste zahlen 260 Euro für diesen Abend, das ist ganz schön happig. Was bekommen sie dafür?
Das stimmt, der Preis ist happig und auch nicht damit zu erklären, dass wir hier lauter Edelprodukte wie Kaviar auftischen. Doch nachhaltig und elektrizitätslos zu arbeiten, ist nicht nur für uns in der Küche, sondern auch seitens der Produzenten ganz schön kostspielig. Der Gast bekommt ein 10-Gang-Menü, gekocht von fünf Spitzenköche, die jeweils zwei Gerichte machen, Getränke sind inklusive. Doch das Ganze ist mehr, es ist ein archaisches Erlebnis mit Feuer und Kerzenschein, das geht schon bei der Location los, die eine ganz besondere Atmosphäre hat. Es gibt lange Tafeln, an denen im Family-Style geteilt wird, und unplugged Musik. Man zahlt also fürs Gesamtpaket.

Ich habe gehört, Handys und Kameras sind nicht erlaubt, dafür darf an den Tischen geraucht werden?
Keine Digitalbilder ist nur konsequent. Es sind aber wohl zwei Künstler da, die den Abend über zeichnen. Ich finde das gut. Was das Rauchen angeht, ehrlich gesagt, ist mir das inzwischen auch lästig. Aber es fördert die Geselligkeit, weil die Leute sonst immer rausrennen. Und Rauchen, sich dabei auf die Brust trommeln und »Ich habe Feuer gemacht« schreien, das gehört zum Archaischen irgendwie dazu.

Diesmal findet das Blackout-Dinner nicht nur in Kopenhagen und Berlin statt, sondern auch in fünf anderen europäischen Städten. Was als Unfall begann, soll eine Bewegung werden?
Nun ja, das Blackout-Dinner ist ein Anfang und ein Signal. Es findet ja nicht zufällig ein paar Tage vor der »Earth Hour« (Anm.: 28. März 2020 zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr) statt, einer weltweiten Klimainitiative, bei der alle das Licht für eine Stunde ausmachen sollen. Das Umdenken in den Küchen wird aber natürlich nicht allein durch das Blackout-Dinner geschehen. Doch im besten Fall bleibt es als Event im Gedächtnis und erinnert mit einem mahnend-zwinkernden Auge daran, dass man sich ruhig aus der Komfortzone wagen kann und kochen wie früher wunderbar geht.

Update, 17. März 2020: Wie die Organisatoren bekannt gegeben haben, fällt das Dinner am 25. März 2020 wegen des Coronavirus aus. Es soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

Info

Blackout Dinner Edition Berlin

Datum: tba – Ein neuer Termin wird noch bekannt gegeben. 
Zeit:
Ort: Schlackekeller des ehemaligen Heizkraftwerkes, Rüdersdorfer Straße 70, 10243 Berlin
Kosten: € 260,– pro Person
Tickets: E-Mail an talktous@blackoutdinner.com

Wer macht mit?

Dazu gibt's eine Live-Performance von Eren Solak. Die Dekoration übernimmt »Blumen Marsano«. Brot kommt von »Die Brodstätte« (ehemals »The Bread Station«) und Bier vom Bad Windsheimer Bürgerbräu, einer der ältesten Brauanlagen, die noch in Deutschland benutzt werden. Gegessen wird von Tellern der KPM (Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin), die damals wie heute von Hand gefertigt sind.

Earth Hour 2020:

Datum: Samstag, 28. März 2020
Zeit: 20.30 bis 21.30 Uhr

Tina Hüttl
Autor
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