Bio Produkte gibt es bereits in allen Sparten der Lebensmittelindustrie.

Bio Produkte gibt es bereits in allen Sparten der Lebensmittelindustrie.
© Transgourmet Österreich GmbH

Bio versus Regional

Inwieweit gehen bio und ­Regionalität Hand in Hand? Welche Möglichkeiten ­eröffnet bio für Gastronomen und Hoteliers? PROFI hat sich ­verschiedene Konzepte ­angesehen.

Lebenseinstellung: Bio-Koch

Seit 19 Jahren arbeitet Jürgen Archam täglich mit Bio-Lebensmitteln. Der Küchenchef des Bio-Restaurants im Seminar Hotel »Retter«, welches seit 25 Jahren mit der Grünen Haube ausgezeichnet ist, hat durch den ­Umgang mit Bio-Lebensmitteln neu kochen gelernt: »Man hat kein perfekt gereiftes Stück Fleisch, sondern verschiedenste Teile in ­unterschiedlichen Größen und Qualitäten vor sich. Man muss kreativ werden und sich mit ­Reifezeit und Zubereitung spielen.« Im »Retter« wird Regionalität großgeschrieben: Die Rohstoffe werden größtenteils von umliegenden Landwirten bezogen: »Ich weiß ­sogar den Namen des Rindes, das ich verarbeite!« Im Supermarkt einzukaufen kommt für den Küchenchef nur in Ausnahmefällen in ­Frage. »Um gewisse Dinge wie die Melonen und Ananas am Frühstücksbuffet kommen wir nicht herum, die Avocado haben wir beispielsweise von der Speisekarte verbannt.« Archam kocht täglich für rund 250 Personen und ­beweist damit, dass bio auch im großen Stil möglich ist. Der beste Weg, bio attraktiv zu machen ist für ihn die Leidenschaft: »Ich kam aus der Wegwerfgastronomie und durfte mich über die Jahre in die Arbeit mit bio einleben und diese Erfahrungen darf ich nun an junge Menschen weitergeben.«

Im Jahr 2018 wurden weltweit 2,8 Millionen Landwirtschaften biologisch betrieben. Davon 31.122 in Deutschland, das entspricht rund zehn Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe und einer ökologisch bewirtschafteten Ackerfläche von 1.483.020 Hektar. Österreich verzeichnete 23.477 Bio-Betriebe, was rund 21 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche und einer ökologisch bewirtschafteten Ackerfläche von 637.805 Hektar entspricht. Bio ist kein Trend, sondern das Bewusstsein, wertschätzend mit der Erde und ihren Ressourcen umzugehen.

Für Jürgen Archam ist es eine Ehre mit Bio-Lebensmitteln zu arbeiten.
© Retter Bio Natur Resort
Für Jürgen Archam ist es eine Ehre mit Bio-Lebensmitteln zu arbeiten.

Von Kopf bis Fuß Bio

2001 wurde der Verein der Bio Hotels gegründet und hat heute rund 90 Mitglieder aus sechs europäischen Ländern. Alle Mitgliedsbetriebe folgen einer gemeinsamen Wertephilosophie und den festgelegten Vereinsstatuten. Neben Bio-Lebensmitteln schreiben diese Nachhaltigkeit im ­gesamten Betrieb vor – von der Naturkosmetik über Ressourcen- und Energiemanagement bis hin zu Öko-Strom und und einer jährlichen CO2-Bilanzierung. »Außerdem empfehlen wir unseren Bio-Hoteliers bei Um- und ­Zubauten biologische Maßnahmen zu setzen, aber hier würden gemeinsame Richtlinien zu weit gehen«, so Carola Petrone, Präsidentin des Vereins Bio Hotels.

Die Entscheidung, zu einem zertifizierten Bio-Hotel zu werden, muss laut Burgi von Mengershausen, Leiterin des Bio-Hotels »Tannerhof«, aus Überzeugung passieren. »Um die Anforderungen zu erfüllen, muss man bio leben, nur mit dem Trend gehen zu wollen, ist nicht genug«, gibt sie zu bedenken. Im »Tannerhof« arbeitet man mit einer schlanken Speisekarte und bester Qualität. Es gibt täglich ein Vier-Gänge-Menü, so entsteht kaum Abfall. Die Gäste nehmen das Konzept sehr gut an. »Als Hotel kann man gerade hier viel tun: Die Zeiten der überbordenden Buffets sind vorbei. Es geht darum, dem Gast auf elegante, subtile Art zu vermitteln, dass weniger oft mehr ist.« In Bezug auf Regionalität ergeben sich oft Widersprüche: »Wir dürfen etwa den Honig unseres Nachbarn nicht verwenden, sondern müssen ein Produkt mit langem Transportweg, dafür mit Bio-Label, kaufen. Ich wünsche mir, dass in Zukunft für solche Fälle eine Lösung gefunden wird«, betont von Mengershausen.

Bio(-Backwaren Pio)nier

Das sieht Philipp Ströck, Bäckermeister Ströck, ebenso: Auch wenn derzeit Bio-Produkte zwischen 35 und 40 Prozent des Gesamtumsatzes in den aktuell 75 Filialen ausmachen, wird Ströck voraussichtlich nicht zu 100 Prozent bio werden, da Regionalität eine wichtige Rolle spielt: »Unsere Hauptrohstoffe beziehen wir alle aus der Region. Aus Wertschätzung und  um unseren CO2-Fußabdruck möglichst gering zu halten«, so Ströck. Das erste Gebäck in Bioqualität brachte Ströck Mitte der 1990er auf den Markt. Weitere Schritte folgten: Energiesparmaßnahmen wie Wärmerückgewinnung und die Umstellung des ­gesamten To-Go-Sortiments auf abbaubare Materialien. »Mein Ziel ist es, den Bio-Anteil step by step so hoch wie möglich ­auszubauen.«

© Schützenhöfer Bianca

Philipp Ströck
»Die Einstellung unserer ­Kunden hat sich über die ­Jahre enorm gewandelt.«

Großhandel: Über zehn Prozent Wachstum jährlich

Dass bio immer stärker wächst, nimmt ­Thomas Panholzer, Geschäftsführer von Transgourmet ganz intensiv wahr. Das mit 23 Bio-Eigenmarken-Lieferanten ­gestartete Sortiment wurde inzwischen auf 74 Lieferanten erweitert. »Manche ­meinen, regional löst bio ab, aber meiner Meinung nach ist die ­Regionalität ein zusätzlicher Turbo«, so Panholzer. »Zertifizierungen sind zumeist aufwendig und kostenintensiv – eine echte Herausforderung für die ­Gastronomie.« Das Ziel: bio sollte selbst­verständlich sein.
 
»›Natürlich für uns‹ ist eine Bio-Marke, die sowohl für den Einzel- als auch den Großhandel in Österreich entwickelt wurde und die erste und bis dato einzige klima­neutrale Bio-Marke Österreichs. Klimaneu­tral zu werden, bedeutet ein Umdenken im ganzen Unternehmen«, berichtet Manuel Hofer, Geschäftsführer vom Top-Team ­Zentraleinkauf. Angefangen von Fahrgemeinschaften der Mitarbeiter bis hin zu ­Programmen mit den Produzenten, um den CO2-Ausstoß zu verringern. »Die Produktion hat hier mit 92 Prozent den größten Anteil.« Regionale Produzenten spielen hierbei eine Schlüsselrolle: »80 Prozent unserer Lieferanten stammen aus Österreich und wir verzichten, wo möglich, auf Importe aus Übersee.« Transparent bleibe man als große Marke durch eigene Qualitätsmaßnahmen, Audits bei Betriebsüberprüfungen und individuelle Audits bei den Produzenten, die ständig und streng kontrolliert werden, sodass nur bio draufsteht, wo auch bio enthalten ist. »Ein Unternehmen, das langfristig und nachhaltig am Markt vertreten sein möchte, kann sich keine Ausrutscher erlauben.«

Thomas Panholzer träumt davon, »dass irgendwann nur gekennzeichnet werden muss, was nicht bio ist«.
© Transgourmet Österreich GmbH
Thomas Panholzer träumt davon, »dass irgendwann nur gekennzeichnet werden muss, was nicht bio ist«.

Absicherung und ­Produzentenschutz

Einer, der tagtäglich mit Zertifizierungen und Kontrollen zu tun hat, ist Hans Matzenberger, Geschäftsführer der Austria Bio Garantie, ABG. Aktuell zertifiziert und kontrolliert sein Unternehmen etwa 12.300 landwirtschaftliche ­Betriebe und 1500 Handels-, Verarbei­tungs- und Importunternehmen in Österreich und in Kooperation mit ­internationalen ­Partnern. »Wir garantieren der Allgemeinheit Nachhaltigkeit und objektivieren die Leis­tungen der Bio-­Bewegung.« Dies ­geschieht durch angekündigte als auch nicht angekündigte Kon­trollen. »Wir arbeiten mit rund 80 Kontrolleuren, die jeweils auf ein Spezialgebiet geschult sind, um bestmögliche Kontrollen zu gewährleisten«, so Matzenberger. Die Richtlinien im Bereich der Verarbeitung betreffen die ­Rezepturen, den Mengenfluss und das ­Produkt an sich. »Bei der Verarbeitung in der Gastronomie kommt es durch die strengen Richtlinien oft zu starken ­Einschränkungen. Es muss auf Handwerk und Wissen zurückgegriffen werden, es gilt in ­gewisser Weise, andere Lebensmittel zu erzeugen.« Kritisch wird es auch bei Produzenten, die konventionelle und Bio-Produkte verarbeiten. Bei Verstößen wird mit skalierten Sanktionen von Abmahnungen bis hin zur Sperre des Produkts gearbeitet. »Da ­sprechen wir jedoch von Einzelfällen«, ­betont Matzenberger.

Marke Eigenanbau

Ein Ausblick in die Zukunft: Seit 2015 gibt es an mittlerweile gesamt 13 Standorten in Österreich die Morgentaugärten, das größte Urban Farming Projekt. Das eröffnet nicht nur dem Endkunden die Chance, sein eigenes Bio-Gemüse anzubauen, sondern auch der Gastronomie und Hotellerie.

Christian Stadler, Geschäftsführer der Morgentaugärten.
© Clemens Pürstinger
Christian Stadler, Geschäftsführer der Morgentaugärten.
Alexandra Gorsche
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