Genuss als Schlüssel zu Kreativität und Erfolg.

Genuss als Schlüssel zu Kreativität und Erfolg.
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Bestseller: Genießer sind erfolgreicher

Ein neuer Bestseller erklärt, weshalb es für die gesamte Gesellschaft gut ist, wenn sich jeder seinen individuellen Genuss gestattet.

Es mag in der aktuellen Corona-Situation mit all ihren Beschränkungen, Verboten und vielfachen Entsagungen für manche Menschen wie Hohn klingen. Dabei ließe sich gerade jetzt, in einer Phase der Unsicherheit, vermutlich mancher Gewinn aus dieser aktuellen Handlungsempfehlung ziehen, die da lautet: »Gönnen Sie sich mehr und genießen Sie!« Denn wer genießen kann und sich selbst Gutes tut, der hilft damit der gesamten Gesellschaft.

Das geht aus dem neuen Buch »Die Lösungsbegabung« von Österreichs Paradewissenschaftler und Genetikkoryphäe Markus Hengstschläger hervor. Darin erarbeitet der Forscher und Bestsellerautor (u.a. »Die Durchschnittsfalle«, 2012) ein Konzept, wie jeder von uns auch in Situationen mit unübersichtlichen oder gar übermächtigen Problemstellungen zielführende Lösungsstrategien erarbeiten kann. Und ein Ansatz Hengstschlägers dafür ist eben die Empfehlung, mehr zu genießen.

»Was müssen wir wissen?«

Auf die Idee, ein Buch über die oft zu wenig aktive Lösungsbegabung unserer Gesellschaft zu schreiben, kam Hengstschläger durch seine langjährige Lehrtätigkeit an der Universität Wien. »Meine Studenten fragen immer wieder: ›Was müssen wir wissen und können, um in dieser schwierigen Zeit am Arbeitsmarkt zu bestehen?‹«, so der Genetiker. Das sei der Anstoß gewesen, doch Hengstschläger hat die Fragestellung ausgeweitet: »Was muss passieren, wie müssen wir uns als Gesamtgesellschaft ändern, um in einer immer komplexer werdenden Welt bestehen zu können?« Die Antwort darauf hat er in seinem neuen Buch zusammengefasst – und damit scheinbar einen Nerv getroffen: Seit Erscheinen vor wenigen Wochen ist »Die Lösungsbegabung« auf den vordersten Plätzen der heimischen Bestsellerlisten.

Kreativität und Genuss

Aber was kann jetzt die Genusskomponente dazu beitragen, dass wir uns nicht nur individuell lösungsorientierter machen, sondern auch für die Gesellschaft einen Beitrag leisten? Hengstschläger: »Etwas zu genießen heißt ja primär, sich selbst Gutes zu tun. Und wer sich selbst Gutes tut, wird dadurch auf längere Sicht kreativer, leistungsfähiger und somit gestaltender für die Gesellschaft.« Verantwortlich für diesen Umstand sind demnach drei Faktoren:

  • Default Mode Network – damit wird jene Gehirnregion bezeichnet, die sich nur dann aktiviert, wenn wir uns in einer Art Ruhezustand befinden – beim Tagträumen oder Wellnessen, beim Musikhören, einem schönen Essen und einem Glas Wein. Hengstschläger: »Neueste Forschungen deuten darauf hin, dass Kreativität, Inspirationen und Geistesblitze besonders dann entstehen, wenn das Default Mode Network aktiv ist.«
     
  • Der »Medici-Effekt« – damit ist die Vernetzung von Menschen aus verschiedensten Geistesrichtungen und Disziplinen zur allgemeinen Weiterentwicklung gemeint. »Die Kultur, unterschiedliche Menschen zum gemeinsamen Essen und Trinken an einen Tisch zu bringen, fördert nicht nur die soziale Interaktion, sondern hat auch positive Effekte für die kollektive Lösungsbegabung«, schildert der Forscher.
     
  • Serendipität – dahinter versteckt sich das Phänomen, Lösungen für Probleme dort zu finden, wo man sie niemals erwartet, geschweige denn gesucht hätte. Hengstschläger: »Hier geht es darum, Berührungspunkte mit verschiedenen Disziplinen und Kulturen zu schaffen, die es ermöglichen, dass Menschen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen und mit den diversesten Hintergründen miteinander ins Gespräch kommen. Das schafft neue Eindrücke und lässt Ideen und Inspirationen entstehen, die auf herkömmlichen Pfaden kaum zustande gekommen wären.« Und egal ob gemeinsame Essen, Ausflüge, Sport- oder Kulturunternehmungen, die Mischung macht hier den Mehrwert.

Natürlich darf man nicht außer acht lassen, dass unser Körper keine Maschine ist, die man an- und abschalten kann. Und nicht jedes Mal geht gleich ein kreatives Feuerwerk los, wenn wir ein gutes Glas Wein trinken oder ein bezauberndes Aroma kosten. Aber jeder sinnliche Genuss erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür – und das allein ist doch schon ein großartiger Umstand!

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Buchtipp: »Die Lösungsbegabung«

»Die Lösungsbegabung – Gene sind nur unser Werkzeug. Die Nuss knacken wir selbst!« von Markus Hengstschläger, Ecowin, 24 Euro


»Genuss kann Kreativität steigern«

Der Genetiker und Bestsellerautor Markus Hengstschläger über die Bedeutung von Genussmomenten für unsere Gesellschaft und wie wir damit unser Kreativpotenzial maximieren.

Falstaff Begabungen, Talente, Lösungsorientierung – man müsste doch annehmen, dass bei all diesen Faktoren die Gene eine entscheidende Rolle für die spätere Entwicklung eines Menschen spielen, oder?
Markus Hengstschläger Natürlich haben Gene eine große Bedeutung, und für alle Begabungen spielt frühkindliche Prägung eine Rolle. Doch der Mensch hat enorm viel selbst in der Hand. Einerseits durch Bildung und Erziehung. Aber auch wenn es darum geht, seine Begabungen, mit Herausforderungen fertig zu werden, zu aktivieren. Ich bezeichne das als Lösungsbegabung – diese zu fördern, ist für mich das wichtigste Konzept für die Zukunft unserer Kinder. Und dieses Wissen, wie man mit Herausforderungen umgeht, gilt es, das ganze Leben lang aufrechtzuerhalten und zu nutzen.

Und da ist Genuss ein geeignetes Mittel?
Zu genießen kann da ein wichtiger Faktor sein, richtig. Man muss ja grundsätzlich einmal fragen: Was ist Genuss? Die Antwort darauf ist natürlich hoch individuell, sie ist zeit-, orts- und persönlichkeitsabhängig. Zudem gibt es große Wahrnehmungsunterschiede. Kurz gesagt: Jeder versteht unter Genuss etwas anderes. Aber bei all diesen unterschiedlichen Formen von Genuss gibt es doch einen ordnenden, allgemeinen Sinn dahinter, der zusätzlich zum spontanen sinnlichen Erlebnis darüber hinausgehende Auswirkungen hat. Etwas, das speziellen Genussmomenten nicht nur für Erholung und Ausgleich sorgt, sondern gleichzeitig unsere Kreativität fördert.

Wie ist das möglich?
Wenn wir Körper und Geist eine Pause gönnen, indem wir »abschalten« – beim Spazierengehen, bei Tagträumen, wenn wir in der Badewanne vor uns hin dösen oder wenn wir ein gutes Essen oder ein Glas Wein genießen, kann unser Gehirn auf das sogenannte »Default Mode Network« und in eine Art Ruheprogramm umschalten. Es ist hier noch viel Forschung nötig, aber man nimmt an, dass in diesem Modus sehr gute Voraussetzungen für Ideen, Geistesblitze, Inspirationen beziehungsweise Kreativität entstehen.

Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass wir nicht leistungsfähig oder gar kreativ sein können, wenn wir uns selbst zu wenige dieser Genusspausen gönnen?
Richtig, wenn ich mir keine entsprechenden Pausen zugestehe, schmälere ich meine Fähigkeit zu Kreativität und Lösungs-orientierung. Wer sich überfordert, wird nicht mehr die besten Lösungen für anstehende Aufgaben finden, seine Kreativität wird erlahmen und seine Leistungsfähigkeit sinkt. Aber es wird von den meisten Menschen das Gegenteil erwartet: Dass sie noch besser, kreativer, problemlösungsorientierter sind im Job. Das klappt aber nur, wenn man auch etwas dafür tut – sprich sich die Möglichkeit zum Genuss schafft.

Was würde aus Ihrer Sicht geschehen, wenn wir es uns, aus welchen Gründen immer, versagen müssten zu genießen?
Die Folge wäre ein eindeutiger, kollektiver Negativeffekt auf die Lösungsbegabung unserer Gesellschaft. Unser gesamtes kreatives Potenzial würde schrumpfen.

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2020

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Martin Kubesch
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