Barszene: Shake Down in London

Im Ranking der »50 Best Bars 2013« befinden sich sechs Londoner Bars unter den besten zehn. Der Wettbewerb ist groß, das Angebot faszinierend.

Nicht nur die besten Bars der Welt sind in London. Auch die größten Bartenderpersönlichkeiten trifft man dort. Die Vielfalt und Lebendigkeit, die sie der Barszene verleihen, macht diese einzigartig. London, das schon in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Metropole der Cocktailwelt war, ist im Sog des neuen Cocktailrevivals zum Zentrum nicht nur der Wiederbelebung der alten Cocktailkultur geworden, sondern auch zu einem Ort, an dem die neuesten Trends am besten ablesbar sind.

Tony Conigliaro, Barkeeper im »69 Colebrooke Row« / Foto: beigestelltKonstanter und dichter
»In New York mag die Barszene spektakulärer sein, aber in London ist sie auf sehr hohem Niveau konstanter und dichter.« So vergleicht der junge Wiener Bartender Reinhard Pohorez die beiden Metropolen. In Kürze wird er selbst für ein halbes Jahr an einem renommierten Londoner Tresen stehen, im Rahmen eines Stipendiums, das sich der Bar-Rookie quasi »ershakt« hat.

In der besten Bar der Welt
Lucy Britner, Cocktailliebhaberin von Beruf und unter anderem für »50 Best Bars« tätig, ist ein Fan des »Artesian«, der »besten Bar der Welt«. Es ist die Bar des Hotels Langham. Britner liebt die Martinis dort: »They are classy and strong.« Andererseits liebt sie auch das »Happyness forgets« am Hoxton Square. Eine kleine, versteckte Bar mit dem Motto »Great cocktails no wallies« – tolle Cocktails, keine Dumpfbacken. Das »Happyness forgets« beschreibt Lucy als sehr einfach, aber mit unglaublichen Cocktails und fantastischem Service.

Die Speakeasy-Bars, wie sie in den USA eine Zeitlang gehypt wurden, haben in London nie eine große Rolle gespielt. Zwar gibt es einige gute, doch bei den Neueröffnungen sieht Lucy Britner eher wenige davon.

Vor der Bar steht ein Türsteher
»Der Fokus liegt wieder auf gut sichtbaren Türschildern und guter Unterhaltung.« Ursprünglich stammt der Begriff Speakeasy aus der Zeit der Prohibition für Plätze, an denen es verbotenerweise Alkohol gab und man sich daher unauffällig zu verhalten hatte. In jüngerer Vergangenheit entlehnte man diesen Begriff für Bars, die nur Eingeweihten bekannt waren. In London dagegen regelt man den Zutritt traditionell über Türsteher. Selbst Reservierungen, insbesondere für größere Gruppen, werden in der Regel nur eingeschränkt angenommen.

»White Lady« von Erik Lorincz in der »American Bar«Bemerkenswert an der Londoner Barszene sind die hervorragenden Hotelbars, eine Gattung Bar, die in anderen Großstädten nicht selten ein stiefmütterliches Dasein fristet. Die »Artesian Bar«, die »Connaught Bar«, die »Savoy Bar« – sie alle sind legendäre, exzellente Hotelbars. Insbesondere das »Savoy« ist seit fast hundert Jahren ein beständiger Hort gelebter Cocktailkultur. Chef der »Savoy Bar« ist Erik Lorincz, der als weltbester Bartender bei der Diageo World Class 2010 den Weg in diese heiligen Hallen gefunden hat. Hier gilt Perfektion, und Erik Lorincz kann ein Lied davon singen, was es bedeutet, ein berühmter Bartender zu sein und seinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Wenn das »Savoy« an einem Samstagabend gestürmt wird und über 600 Cocktailbestellungen eingehen, dann hat die Mannschaft alle Hände voll zu tun, wenn etwa nur vier Liter Zitronensaft im Voraus gepresst wurden, aber fast sechs Liter gebraucht werden. Absolute Präsenz ist dann gefordert.

Lorincz ist einer von vielen Bartendern in London, die einen selbstverständlichen Zugang zur Geschichte des Cocktails haben, zu alten Rezepturen also.

»Spicy Fifty« von Salvatore Calabrese im »Playboy«Gut wie nie
Salvatore Calabrese im »Playboy« ist ein anderer Könner auf ­diesem Gebiet, ein Grandseigneur, der Destillate und Zutaten zum Einsatz bringt, wie es sie gab, als die alten Rezepte entwickelt wurden. Eine Barkarte mit einer Auflistung von »Prohibition Drinks« oder auch solchen, die kurz davor oder danach entstanden sind, ist in London nicht ungewöhnlich. Marian Beke, Bartender im »Nightjar«, stammt wie Lorincz aus der Slowakei und fokussiert das New Orleans der 1920er- und 1930er-Jahre mit dazu passendem Jazz im Hintergrund. Seine beeindruckende Performance hinter der Bar lässt sich auf YouTube begutachten. In London, so Beke, »findet man derzeit so gute und einzigartige Bars wie noch nie«. Das liegt seiner Ansicht nach am breiten kulturellen Mix der Bartender sowie an den erfahrenen Gäs­ten, die nicht selten über profundes Wissen verfügen. Einen eindeutigen, übergreifenden Trend in der Londoner Barwelt sieht Beke aber nicht. »Es sind vielmehr die vielen verschiedenen Dinge, die neben­einander passieren – vom Aged-Cocktail zu selbst gemachten Zutaten und Bitters, von Designgläsern bis zum Revival der Tiki-Drinks, von der Molekulartechnik bis zu außergewöhnlichen Garnituren, von Lifemusik bis zu Foodpairing.« Zeichen einer sehr lebendigen Szene eben.

Bars in London:

Artesian
Die Hotelbar des Langham wurde zur besten der Welt gekürt. Chefbartender Alex Kratena mixt ­moderne Drinks mit viel Bewusstsein für deren klassischen Hintergrund. Foodpairing ist sein ­Steckenpferd. Der Service ist exzellent und die Rumkollektion einzigartig.
The Langham Hotel
1c Portland Place, Regent Street, London W1B 1JA
T: +44/(0)20/76 36 10 00
Mo.–Sa. 12–2 Uhr, So. 12–24 Uhr
www.artesian-bar.co.uk

The Connaught Bar
Ago Perone ist der Mann hinter der Bar des ­Connaught Hotel. Eine Bar sowohl mit zeit­ge­nössischem als auch klassischem Chic.
Connaught Hotel, Carlos Place, London
T: +44/(0)20/73 14 34 19
Mo.–Sa. 16–1 Uhr, So. geschlossen
www.the-connaught.co.uk

American Bar at the Savoy
Die Londoner Heimstadt des Cocktails schlechthin, in Erik Lorincz hat man einen souveränen, ruhigen Chefbartender, mit dem Savoy Cocktail Book ein geschichtsträchtiges Kompendium aufzuweisen.
Convent Garden, London
T: +44/(0)20/88 82 65 05 33
Mo.–Sa. 11.30–24 Uhr, So. 12–23 Uhr
www.fairmont.com/savoy-london

The Nightjar
Drinks der 1920er- und 1930er-Jahre aus New Orleans, Jazz im Hintergrund. Chef­bartender Marian Beke ist ein Profi hinter der Bar und ein ­großer
Anhänger klassischer Drinks.
129 City Road, London EC1V 1JB
T: +44/(0)20/72 53 41 01
So.–Mi. 18–1 Uhr, Do. 18–2 Uhr, Fr.–Sa. 18–3 Uhr
www.barnightjar.com

69 Colebrooke Row
Tony Conigliaros Fokus liegt auf dem Experiment, aber ­niemals auf Kosten des Gastes. Er versucht, auch Leuten, die noch nicht wissen, was sie mögen, Cocktails schmackhaft zu machen.
69 Colebrooke Row, London N1 8AA
T: +44/(0)20/75 40 52 85 93
So.–Mi. 17–24 Uhr, Do. 17–1 Uhr, Fr.–Sa. 17–2 Uhr
www.69colebrookerow.com

Callooh Callay
Die Bar gewann bei der Tales of the Cocktails in New Orleans den Preis für die beste Barkarte – und das will etwas heißen. Die Drinks mit klassischem Hintergrund werden auf eine angenehm selbstverständliche Weise gereicht.
65 Rivington Street, London EC2A 3AY
T: +44/(0)20/77 39 47 81
So.–Mi. 18–24 Uhr
Fr.–Sa. 18–1 Uhr
www.calloohcallaybar.com

Happyness forgets
Lucy Britners Empfehlung – »großartige Cocktails, keine Blödmänner« – eine kleine, sehr einfache Bar mit tollem Service.
8–9 Hoxton Square, London N1 6NU
T: +44/(0)20/76 13 03 25
tgl. 17.30–23 Uhr
www.happinessforgets.com

Milk & Honey
Diese Bar in Soho ist einer der wenigen Vorreiter der Speakeasys. Nicht wenige gute Bartender ­kommen aus diesem Stall. Für Mitglieder bis 3 Uhr geöffnet.
61 Poland Street, London
T: +44/(0)20/70 65 68 00
Mo.–Sa. 18–23 Uhr
www.mlkhny.com

Salvatore at Playboy
Salvatore Calabrese ist ein alter Hase im Bar­gewerbe und ein Charmeur. Bekannt ist er für seine klassischen Drinks, nicht selten aus sehr ­traditionellen Zutaten.
14 Old Park Lane, Mayfair, London W1K 1ND
T: +44/(0)20/74 91 85 86
So.–Di. 18–2 Uhr
Mi.–Sa. 18–3 Uhr
www.playboyclublondon.com

London Cocktail Week: 7.–13. 10. 2013

Text von Peter Hämmerle

Aus Falstaff 04/13

Peter Hämmerle
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