Die Crystal Endeavor wird ab 2020 spektakuläre Touren zur Verfügung stellen, darunter die Nordostpassage.

Die Crystal Endeavor wird ab 2020 spektakuläre Touren zur Verfügung stellen, darunter die Nordostpassage.
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Auf den Spuren großer Entdecker

Man kann sich einen klassischen Urlaub gönnen und auf dem Mittelmeer zwischen Italien und Spanien Strecke machen. Oder man geht auf eine Tour von der zu Hause jeder wissen will, wie sie war. Dafür stehen luxuriöse kleine Expeditionsschiffe bereit.

Einmal im Leben dort sein, wo andere noch nicht waren. Wo die Natur Muskeln und das eine oder andere Wunder zeigt. Wo die Elemente herrschen und vielleicht auch wilde Tiere. Wo man mit Gänsehaut und Herzklopfen in die Landschaft schaut und denkt: Das glaubt mir zu Hause kein Mensch. (Lesen Sie auch: Luxus-Kreuzfahrten)

In der Antarktis vielleicht, am Nordpol oder am Amazonas. Vor allem aber irgendwie – am Ende der Welt. Immer mehr Menschen wünschen sich geradewegs ins Abenteuer, und die Reedereien reagieren darauf. 52 neue Expeditionsschiffe mit der höchsten Eisklasse sind derzeit im Bau. Einige für Warmwasserdestinationen, andere für Polarfahrten, viele für beides. Es sind kleine Schiffe, mehr als 200 Gäste dürfen in viele Regionen nicht mitfahren.

Die Auflagen in naturgeschützten Gebieten sind hoch. Diese Exklusivität hat ihren Preis – mit bis zu rund 1000 Euro am Tag muss man als zahlender Gast rechnen. Außer mehr oder weniger Luxus an Bord wird ja auch pures Wissen geboten: Auf allen Schiffen fahren Expeditionsteams mit Wissenschaftlern mit, für Vorträge, Exkursionen, Anleitung in den schiffseigenen Laboren.

Trotzdem gilt: Auf Expeditionen geht es immer mehr ums Draußen, weniger ums Drinnen. Dafür versteht man hinterher ein Stück Welt irgendwie besser, hat unvergessliche Bilder im Kopf und das Gefühl, auf echter Mission unterwegs gewesen zu sein, auf den Spuren der ganz großen Entdecker. Und man hat die große Chance, dass Nachbarn, Kollegen, Freunde im Anschluss an die Reise wirklich die Urlaubsfotos sehen wollen. Wäre nach drei Wochen Strandferien auf Malle bestimmt nicht passiert.

KALTE MISSION STATT KALTER KRIEG

NORDOSTPASSAGE MIT DER CRYSTAL ENDEAVOR

Vor 140 Jahren wurde die Nordostpassage erstmals befahren, bis vor 30 Jahren war die Gegend noch russisches Sperrgebiet. Jetzt nähert man sich ihr mit Stil: Die Expeditionsjacht Crystal Endeavor fährt von der Tschuktschen-Hauptstadt Anadyr aus über den Pol ins norwegische Tromsø. Die Route führt über Eskimosiedlungen, Packeis mit Wild­reservaten voller Kormorane und Papageientaucher, Tundra-Gletscher und die Barentssee mit Buckelwalen. Draußen gibt es Eisbären, Walrosse, seltene Vögel – drinnen Butler-Service und Michelin-Stern-Küche. Dafür kosten 30 Tage aber auch gut 40.000 Euro.

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UND EWIG KNACKT DAS EIS

IN DIE ANTARKTIS MIT DER NATIONAL GEOGRAPHIC ENDURANCE

Sven-Olof Lindblads Vater verkaufte 1966 die erste Antarktisexpedition auf einem chilenischen Marinetransporter, jetzt ist sein Sohn selbst im Abenteuergeschäft: Sein Eisbrecher National Geographic Endurance geht ab 2020 auf Tour. Das Schiff erinnert äußerlich an einen Hai, überträgt ständig Unter­wassergeräusche ins schiffseigene Labor, hat Zodiacs, Kajaks und Neoprenanzüge für mehr Tuchfühlung mit der Natur an Bord – und sogar ein eigenes U-Boot.
126 Gäste nimmt es mit auf seine Beobachtungstouren von Eisbären und anderen Polarschönheiten. Purer Luxus: ein Yoga-Studio mit Glaswänden, der Inifinity-Jacuzzi, eine Sauna mit Meer-Weitblick. Ab 20. Oktober 2020 etwa geht es über die Falklandinseln, die windzersauste Drake-Passage und Südgeorgien (das Galapagos der Pole) in die Antarktis zu Walen, Robben, Pinguinen.

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ECHTE ABENTEUER GEWOHNT

MIT DER MS BREMEN IN DER SÜDSEE

2001 wurde sie zwischen Argentinien und Rio de Janeiro von einer 35 Meter hohen Monsterwelle erfasst, 2003 entdeckte sie im ewigen Eis eine neue Insel, die jetzt nach ihr benannt ist: Die MS Bremen hat wirklich schon viel erlebt. Im Frühjahr 2020 ist sie in gemäßigter Wildnis – und vor allem in angenehmen Temperaturen – unterwegs: Ab Auckland/Neuseeland geht es mit höchstens 155 Passagieren über das australische Norfolk Island, Neukaledonien und das
Inselgebiet von Vanuatu bis nach Nouméa. Nicht so lebensfeindlich wie die Polargebiete, aber trotzdem wildschön: blaue Lagunen, Dschungelwälder, Vulkankrater und Korallenriffe, exotische Völker. Parka, Gummistiefel und Schnorchel werden gestellt, und über Fauna, Flora und Elemente gibt es auch in der Südsee viel zu lernen.

REGENWALD VORAUS

MIT DER M/Y TUCANO ÜBER DEN AMAZONAS

Über sieben Millionen Quadratkilometer umfasst das Amazonasgebiet, ein paar davon erlebt man aufs Schönste mit der M/Y Tucano. Das nicht mehr ganz neue, aber sehr charmante Schiff schippert innerhalb einer Woche von Manaus aus den Rio Negro stromaufwärts durch den Anavilhanas-Archipel und damit durch den Regenwald – und legt schließlich wieder in Manaus an. Ein netter Schnuppertrip ins Expeditionsgeschehen und um eine Nase voll Abenteuerluft zu nehmen. In Beibooten erkundet man Seitenarme, geht auf die Pirsch nach Brüllaffen und Tukanen, erlebt pinkfarbene Flussdelfine – und abends mit Sicherheit ein eindrucksvolles Konzert der Vögel und Frösche des Urwalds.

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HIGH-TECH-ABENTEUER MIT SINNESFREUNDEN

MIT LE BELLOT RUND UM  ISLAND

Luxus? Unbedingt. Die nach dem französischen Polarforscher Joseph-René Bellot benannte Expeditionsjacht Le Bellot hat eine ausfahrbare Marina für die Zodiacs, ein Theater mit 188 Plätzen für Vorträge – und die multisensorische Unterwasser-Lounge »Blue Eye«. Durch zwei große Bullaugen schaut man in die Tiefe, Monitore übertragen Live-Videos aus dem Meer, Unterwassermikrofone den dazugehörigen Sound. Über »Body Listening Sofas« spürt man die Akustik auch durch Vibrationen. Das Schiff unter französischer Flagge hat 92 Kabinen und Suiten und fährt z. B. im Juli 2020 rund um Island, das Land aus Feuer und Eis. Gletscher, Geysire und Vulkane bei Landausflügen sind garantiert, Trolle und Feen, an die immerhin über die Hälfte aller Isländer fest glaubt, leider nicht.

© Design International

DER WIRKLICH HOHE NORDEN

MIT DER HYBRIDBETRIEBENEN MS FRIDTJOF NANSEN VON ARGENTINIEN IN DIE ANTARKTIS

Hurtigruten kennt man von der traditionellen norwegischen Post­schiff­route: 11 Tage, 34 Häfen, 100 Fjorde. Klassische Kreuzfahrten waren nie ihr Ding, und auch mit ihren weltweit ersten Hybrid-Expeditionsschiffen bieten sie eher polare Abenteuer. So fährt die MS Fridtjof Nansen ab 2020 relativ umweltschonend, nur mit Außenkabinen und mit speziell für diese Gewässer ausgelegten Tenderbooten an der Seite etwa ab Ushuaia in Argentinien in die Antarktis: über Feuerland, die pinguinbesetzte Arctowski-Station, den Beagle-Kanal, Süd-Shetland. Zu sehen sind Gletscher, Eisberge, Seelöwen und mehr. Wissenschaftler führen durch die fremde Welt,
ein Profi unterrichtet in Expe­di­tions­­fotografie, es gibt ein interaktives Wissenschafts­zentrum – und man spricht tatsächlich Deutsch, jawohl.

© Hurtigruten AS

BEST OF BOTH WOLRDS

VON KANADA NACH GRÖNLAND MIT DER HANSEATIC INSPIRATION

Die Hanseatic inspiration, Teil eines ganz neuen Expeditionstrios von Hapag-Lloyd, wurde gerade erst getauft und ist mit etwas umweltfreundlicherem Gasöl und einer für diese Art Schiff ungewöhnlich großen offenen Deckfläche unterwegs. Im Juli etwa geht sie mit höchstens 230 Gästen auf Tour von Kanada nach Grönland. An Bord sind E-Zodiacs, die interaktive Ocean Academy mit wandhohem Touchscreen, eine Meeresbibliothek und eine deutschsprachige Expeditions­leitung. Die Route führt von Toronto, dem Lake Ontario und dem Sankt-Lorenz-Strom (sieben Schleusen) über Neufundland, Diana Island mit Moschusochsen und Rentieren und die Hudson Strait mit Akpatok Island bis nach Kangerlussuaq auf Grönland. Kalbende Gletscher, Walrosse und eindrucksvolle Naturhäfen inklusive.

© Hapag-Lloyd Cruises/ Christian Wyrwa

Erschienen in
Falstaff Cruises 2019

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Silke Pfersdorf
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