Das Mikroklima in den Reiferäumen ist entscheidend für beste Qualität. Die Temperatur muss das ganze Jahr möglichst konstant sein.

Das Mikroklima in den Reiferäumen ist entscheidend für beste Qualität. Die Temperatur muss das ganze Jahr möglichst konstant sein.
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Auf den Laib geschneidert: Best of Bergkäse

Auf den Almen wachsen um ein Vielfaches mehr Gräser und Kräuter als im Tal. Diese alpine Vielfalt schmeckt man in der Milch und im Käse. Falstaff sucht nach dem besten Bergkäse.

Wenn die Kühe im Herbst von der Alm wieder ins Tal ziehen, ist das ein ganz besonderer Moment. Der Festakt des Almabtriebs ist ursprünglichstes Brauchtum, bei dem nur gefeiert wird, wenn Kühe und Senner den Sommer heil überstanden haben. Der Schweizer Käsemacher Béat Piller erzählt von der engen Beziehung zwischen Menschen und Kühen: Eines Tages war alles schon für den Auszug von der Alm vorbereitet, die Kühe sollten mit seiner Familie schon vorgehen, der Produzent von Gruyère d’Alpage AOP war noch mit der letzten Käseproduktion des Jahres beschäftigt und wollte so rasch wie möglich nachkommen. Einziges Pro­blem: Die Kühe weigerten sich, ohne ihre wichtigste Bezugsperson loszugehen und ließen sich so lange nicht bewegen, bis der Senner selbst die Herde anführte.

Geschichten wie diese sind es, die uns den  einzigartigen Charakter von Bergkäse ansatzweise verstehen lassen. Auf den Almen der Schweiz und in Österreich haben die Kühe noch Namen, und die Beziehung von Mensch zu Tier ist so wie noch vor Hunderten Jahren. Auch der Käse wird noch so gemacht wie damals. Bei unserem Besuch auf der Alm der Familie Piller auf der Alp Vounetz hoch oben über dem Greyerzersee knistert bereits ein eindrucksvolles Feuer unter dem Kupferkessel, der bis oben hin mit Morgen- und Abendmilch gefüllt ist.

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In der uralten Almhütte verbringt die Familie die Sommermonate auf engstem Raum, Großeltern, Eltern und vier Kinder. »Die brauchen hier keinen Fernseher«, sagt Béat. »Die sind den ganzen Tag beschäftigt.« Tatsächlich helfen alle in der Almwirtschaft zusammen und jeder hat seine Aufgaben. Die Kinder sind von ihrem Sommersitz so fasziniert, dass sie sogar im Puppenspiel Rollen wie Hirte oder Senner vergeben.

Ein mystischer Prozess

Bei der Arbeit am dampfenden Käsekessel finden sich drei Generation zusammen. Das Rühren, das Schneiden mit der Käseharfe, das Abschöpfen des Granulats mit dem Käsetuch, alles ist perfekt eingespielt und geht fast wortlos vonstatten. Es ist ein fast mystischer Prozess, wobei für jede Handlung exakt der richtige Zeitpunkt gefunden werden muss, damit die Qualität für einen Gruyère d’Alpage AOP stimmt. Béat verlässt sich dabei mehr auf sein Gefühl als auf moderne Technik. Jeder Tag ist anders, jede Milch verhält sich anders. Es kommt immer darauf an, wo die Kühe was gefressen haben und wie das Wetter war.

Wir beginnen in der Region Gruyère, weil hier die Käseherstellung schon 1115 erstmals erwähnt wurde und man hier deshalb die Wiege der alpinen Käsekultur vermutet. Ab etwa 1500 wurde die Milch mit Lab versetzt, zu Hartkäse verarbeitet und konnte so konserviert werden. Dies war die Initialzündung für hochalpine Milchkuhhaltung, denn was hätte man sonst mit so viel Milch ohne geeignete Transportmöglichkeiten machen sollen? Beim Almabtrieb wurden damals nicht nur die Kühe ins Tal gebracht, sondern auch die gesammelten Käselaibe.

Der positive Nebeneffekt der praktischen Notwendigkeit der Haltbarmachung war, dass sich durch die Reife der wunderbar würzige Geschmack entwickelte. In den Alpen im Berner Oberland und im Wallis haben die Bauern über mehrere Jahrzehnte Jahrgangskäse gelagert, die bei speziellen Anlässen wie Hochzeiten serviert wurden. Welch enormes Reifepotenzial Alpkäse hat, zeigt die Tradition, dass bei Totenmahlen Jahrgangskäse aus dem Geburtsjahr des Verstorbenen serviert wird. Die durch die Haltbarmachung der Milch effizient gewordene Almwirtschaft verbreitete sich rasch im gesamten Alpenraum, nach Frankreich, Italien und Österreich.

Bergkäse ist ein weit gefasster Begriff, wobei die Milch zwar aus Bergregionen stammen muss, es darf aber auch Talmilch von verschiedenen Betrieben verwendet werden. Bei Alp- bzw. Almkäse darf nur Milch von einer einzigen Alm verarbeitet werden. In Österreich und der Schweiz ist dafür echte Handarbeit, wie umseitig gezeigt, vorgeschrieben. Käsepapst Rolf Beeler macht den Unterschied deutlich:

»Auf einem Quadratmeter Talwiese wachsen zehn bis zwölf Gräser und Kräuter, auf Almwiesen sind es 150!«

Rolf Beeler, Käse-Experte
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Rolf Beeler, Käse-Experte

Große Vielfalt gibt es vor allem im hochalpinen Bereich: Auf jeder Alm wächst anderes Futter, jeder Käser hat seine eigene Philosophie. Auch die österreichische Käse-Legende Herbert Schmid unterstreicht die Vorzüge der Almwirtschaft: »Die Milch aus den Bergen ist noch mit allen Kräutern behaftet, Almkäse hat daher eine viel höhere Geschmacksvielfalt.«

Auf die Herkunft achten

Während die Schweiz mit weltbekannten Herkunftsmarken wie Gruyère, Vacherin, L’Etivaz, Sbrinz etc. in regionalen Verbänden arbeitet, hat sich in Österreich die Produktion in Einzelunternehmen, die ein größeres Sortiment an Käsearten anbieten können, durchgesetzt. Der Käse-Sektor ist in Österreich Vorreiter beim Herkunftsschutz und hat die meisten »g.U.«-Kennzeichnungen: Dazu gehören Tiroler, Vorarlberger und Gailtaler Alm- bzw. Alpkäse.

Die Käsevielfalt ist enorm gewachsen. Die Aromatisierung mit alpinen Kräutern ist bei den Konsumenten sehr beliebt.
© Benjamin Schlachter / Bregenzerwald Tourismus
Die Käsevielfalt ist enorm gewachsen. Die Aromatisierung mit alpinen Kräutern ist bei den Konsumenten sehr beliebt.

Viele Senner liefern größeren Betrieben zu, andere wiederum suchen Spezialisten, die die Laibe im Streben nach höchster Qualität extra lange reifen lassen. Diese Käse-Raritäten findet man nicht beim Diskonter, sondern nur bei etablierten Käsehändlern (siehe Kasten). Findige Käsefreunde spüren aber auch in Supermärkten großartige Käsequalitäten auf. Wichtig ist dabei, dass man sich nicht durch zünftige Aufmachung irritieren lässt, die eine Herstellung auf der Alm suggeriert. Es lohnt sich immer, auf geschützten Ursprung (g. U. oder AOP) zu achten.

Spezialitäten aus den Dolomiten

Wenn es um Alpkäse geht, dann vergisst man allzuoft die italienischen Delikatessen. Der Trentinagrana Heumilchkäse stammt aus dem Herzen der Dolomiten und ist ein Hartkäse mit der geschützten Ursprungsbezeichnung (DOP). Diese Spezialität aus den Bergen des Trentino wird nach 80-jähriger Tradition ausschließlich aus teilentrahmter, nicht erhitzter Heumilch, Lab und Salz hergestellt. Silage oder gentechnisch veränderte Futtermittel, Konservierungsstoffe oder sonstige Zusätze sind bei der Produktion tabu. Der würzig-milde Trentinagrana reift mindestens 22 Monate lang in speziellen Reifelagern und erfreut sich mittlerweile auch über die Grenzen des Trentino hinaus im europäischen Raum steigender Beliebtheit.


Hochwertige Alm-/Alpkäse


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2019

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Bernhard Degen
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