Motoren für Berlins Food-Szene: Patron Billy Wagner (r.) und Koch Micha Schäfer aus dem »Nobelhart&Schmutzig«.

Motoren für Berlins Food-Szene: Patron Billy Wagner (r.) und Koch Micha Schäfer aus dem »Nobelhart&Schmutzig«.
© Marko Seifert

»Auch im Lockdown gab es Trinkgeld«

In erfrischend offenen Worten erzählt Billy Wagner aus seinem Leben im Lockdown. Der Patron des »Nobelhart&Schmutzig« in Berlin stellte während der Pandemie weitere Mitarbeiter ein und eröffnete einen Online-Shop.

Falstaff: Sie sind seit einem halben Jahr in Zwangspause – können Sie kurz Ihren momentanen Tagesablauf beschreiben?
Billy Wagner: Da wir keine Gäste inhouse bewirten dürfen, müssen wir kreativ sein und schauen, wie wir unsere Lebensmittel an den Gast bringen. Das ist meine hauptsächliche Arbeit. Nach dem Aufstehen um 9 Uhr bin ich vor allem am Telefon und vor dem Bildschirm. Zwischendurch nehme ich Termin via Zoom und persönlich wahr und versuche uns gut für jetzt und die Wiedereröffnung aufzustellen. 

Haben Sie durchgerechnet, wieviel Geld Ihnen durch den Lockdown verloren gegangen ist? Um welche Summe handelt es sich ca.?
Schwierig zu sagen. Unser Betriebsergebnis hat sich in 2020 halbiert. Das ist anhand der Situation aber nicht so schlecht. November und Dezemberhilfen sind nicht einberechnet. In 2021 wird am Ende des Jahres abgerechnet! Mal sehen, was ich Ihnen in 2022 sagen kann. 

Mussten Sie Mitarbeiter entlassen? Haben Mitarbeiter selbst gekündigt?
Nein. Wir haben alle Mitarbeiter weiter beschäftigt. Alle haben immer 100 Prozent Gehalt bekommen. Und auch im Lockdown gab es Trinkgeld. Vor zwei Monaten haben wir zwei weitere Menschen zu je 20 Stunden eingestellt. 

Wie sehen Sie Ihre Perspektive?
Gut, auch wenn der Sommer sicher noch hart wird. Dadurch, dass wir immer beschäftigt waren, hatten wir immer was zu tun und sind in kein riesiges »Ich komme nicht aus dem Bett«-Loch gefallen. Auch wir sind von der Situation angenervt. Aber die Arbeit hilft dabei. Man fühlt sich gebraucht. Man hat eine gute Zeit mit Kollegen und hier und da auch mal mit Gästen. 

Was fehlt Ihnen am meisten?
Normalität und etwas Routine. Die ist so völlig weg, und das ist richtig anstrengend. Psychisch und auch irgendwie körperlich.  

Was macht Ihnen Hoffnung?
Gespräche mit Freunden und Kollegen, aber auch Alkohol und Sport. 

Hören Sie hin und wieder von Gästen?
In beiden Lockdowns haben wir viel Kontakt mit Gästen. Ob am Telefon oder per Email oder an der Tür. Bei uns wird abgeholt. Aber da wir ausfahren, auch an der Wohnungstür der Gäste. Da gibt es immer wieder schöne Momente.

Gibt es irgendetwas Positives, das Sie der Krisenzeit abgewinnen können?
Wir schaffen es, unsere Werte niederschwelliger anbieten zu können. Unser Online Shop (www.hausgemachtes.berlin) bringt die Landwirtschaft und die Lebensmittelhandwerker*innen aus und um Berlin auch an die Küchentische in Konstanz und Kiel. 

Welche Rolle spielt das To-Go-Geschäft für Sie?
Wir sind in erster Linie Partner von kleinen Höfen um Berlin. Wenn wir kein To-Go-Geschäft anbieten würden, dann würden die Höfe Absatz verlieren. Diesen wieder nach der Krise aufzubauen – das fühlt sich nicht richtig an und wäre auch sicher nicht so einfach möglich. Somit ist eine Weiterführung des Geschäfts unabdingbar. 

Würden Sie sagen, Sie haben das Beste aus der Krise gemacht?
Sicher ist auch hier noch Optimierungsbedarf, aber ich denke ja. 

Für wann rechnen Sie mit der Wiedereröffnung?
Sommer 2021, aber nur im Außenbereich. 

Gibt es etwas aus Ihrem aktuellen Corona-Angebot, das Sie nach dem Lockdown behalten werden? 
Unseren Online-Shop www.hausgemachtes.berlin.

Dieses Interview ist Teil des Artikels »Sechs Monate Lockdown – Top-Gastronomen ziehen Bilanz«. Einen Überblick und den Verweis auf weitere Koch-Interviews finden Sie hier.

Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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