Angelo Gaja (Mitte) im Kreise seiner Familie – Gaia, Giovanni, Lucia und Rossna (v.l.n.r.)

Angelo Gaja (Mitte) im Kreise seiner Familie – Gaia, Giovanni, Lucia und Rossna (v.l.n.r.)
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Angelo Gaja: Aktiv bleiben für danach

Einer der profiliertesten Winzer Italiens im Interview über die Corona-Krise und die Lage im Piemont.

Falstaff: Herr Gaja, Sie konnten vor wenigen Wochen ihren achtzigsten Geburtstags feiern. Wie geht es Ihnen?
Angelo Gaja: Mir geht es gut, danke, die Umstände sind derzeit aber nicht leicht. Trotzdem: wir machen weiter und werden keinen unserer 160 Mitarbeiter entlassen; im Gegenteil, wir werden neue einstellen. Gerade jetzt gilt es, aktiv zu bleiben.

Befürchten Sie nachhaltige negative Einflüsse auf das Made in Italy?
Gewiss, die Situation ist ernst. Wenn man sich die Talkshows im Fernsehen anschaut möchte man meinen, wir wären dem Untergang nahe. Ich schaue daher nicht mehr fern, gehe auch nicht ins Internet, sondern lese Zeitungen. In der Regel neun am Tag, da finde ich seriösere Informationen. Wie gesagt, die Situation ist ernst, aber nicht aussichtslos. Ein großer Lehrmeister in Krisenzeiten war mir Aldo Conterno. Nach dem Crash 2008 trafen im ersten Halbjahr 2009 keine Bestellungen aus dem Ausland ein. Auf meine Frage, wie es so ginge, antwortete er: »Schlecht - nun bestellen auch die Kunden nichts mehr, die vorher schon nie bezahlten. Aber wir Produzenten von Barolo und Barbaresco müssen uns nicht besorgen; wir können unsere Weine weiter im Keller lagern, wo sie noch besser werden und am Ende können wie sie dann sogar mit einem höheren Preis verkaufen.« Diese Worte nehme ich mir immer zu Herzen.

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Wie verbringen Sie Ihren Alltag?
Ich bin viel zu Hause, lese Zeitungen, telefoniere viel. Die Familie kommt wieder mehr zusammen, wir kochen viel, essen viel, trinken gut dazu. Nach Ende der Krise werde ich wohl eine Fastenkur machen müssen.

Gibt es auch positive Seiten an dieser Krise?
Auf jeden Fall: das ewige Küssen hört auf! Als ich ein Junge war, küssten sich in den Langhe die Männer nie, zogen höchsten den Hut voreinander. Zuletzt hieß es immer »Küsschen hier, Küsschen da«, links und rechts. Bei den Schweizern mussten es sogar drei sein! Ich hoffe wirklich, dass nach Corona damit Schluss ist. Noch was: Dank Corona haben die Italiener endlich gelernt, sich ordentlich anzustellen; vor der Apotheke, beim Bäcker, im Supermarkt. Plötzlich können es alle, sind geduldig und niemand drängelt sich vor. Allerorten hört man, dass danach nichts mehr so sein wird wie zuvor. Das sollte uns aber nicht beunruhigen, sondern anspornen: nach Corona wird eine andere Welt möglich sein – und die braucht uns.

gaja.com

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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