Die »100 Gramm Bar« in Berlin ist zum Ziel russophober Anfeindungen geworden. 

Die »100 Gramm Bar« in Berlin ist zum Ziel russophober Anfeindungen geworden. 
© Gilishani

Anfeindungen gegen russische Restaurants in Berlin

Putins Krieg gegen die Ukraine hinterlässt auch in der Gastronomie Spuren. Restaurantbetreiber und Mitarbeiter erhalten Drohungen – und werden so in Sippenhaft genommen.

Russisches Essen ist in Deutschland nicht gerade unbekannt. Vor allem in Berlin befinden sich einige beliebte russische Restaurants, die traditionelle Gerichte der russischen Küche anbieten. Auf den Speisekarten finden sich fast immer typische Gerichte wie Bliny, Pelmeni und Borshch, die meist nach Originalrezepten aus Russland gekocht werden und damit den Gästen die kulinarische Kultur des Landes näherbringen. Viele russische Restaurants in Berlin bestehen schon seit mehreren Jahrzehnten und wurden stets geschätzt und gut besucht.

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Situation jedoch drastisch geändert. Die Empörung und Wut der Menschen als Reaktion auf den Krieg bekommen hierzulande besonders russische Restaurants zu spüren. Falstaff hat sich umgehört.

Umsätze gehen zurück

Zu den beliebtesten russischen Restaurants der Hauptstadt gehören unter anderem das »Samowar«, die »100 Gramm Bar« und die Restaurantkette »Café Datscha«. Sie alle berichten davon, dass seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine die Gäste ausbleiben und die Umsätze sowie Tischreservierungen zurückgehen. Doch nicht nur das: Auch erhalten die Restaurantbetreiber sowie deren Mitarbeiter nach eigener Auskunft schwerwiegende Drohungen per E-Mail und Telefon und erfahren persönliche Anfeindungen. 

Claudius Schmidt, der Inhaber der »100 Gramm Bar« im Herzen von Berlin beschreibt die aktuelle Situation so: »Die Lage ist für alle nicht einfach. Leider gab es Anfeindungen in Online-Bewertungen und auch direkt im Laden sind Menschen ausfallend geworden. Zudem gab es einige Stornierungen und wir verzeichnen einen deutlichen Umsatzrückgang, da einige Menschen russische Lokalitäten zu meiden scheinen.«

Auch das »Samowar«, welches als russisches Restaurant seit 1979 in Berlin fest etabliert und geschätzt ist, berichtet von Umsatzrückgängen, Stornierungen und Drohungen. Diese gehen sogar so weit, dass sie den Mitarbeitern ernsthaft Sorgen bereiten und Angst machen.

Familienangehörige aus der Ukraine gerettet

Diese besorgniserregenden Übergriffe sind auch deshalb unverständlich, weil fast alle russischen Restaurants sowohl russisch- als auch ukrainisch-stämmige Mitarbeiter beschäftigen. So auch im »Samowar«, denn hier arbeiten Menschen unterschiedlichster Nationalitäten – auch aus der Ukraine. Die Mitarbeiter seien in diesem Restaurants als Team und Familie zusammengewachsen und wollten allen Gästen dieses Gefühl mit authentischer russischer Küche und Gastfreundschaft weitervermitteln, wie es von den Betreibern zu hören ist. Doch die Anfeindungen und Stornierungen machten dies zurzeit fast unmöglich.

Dabei ist der Krieg in der Ukraine auch für die Mitarbeiter der russischen Restaurants nicht einfach. Viele von ihnen hätten Familie oder Freunde in der Ukraine und blickten entsetzt auf die Entwicklung der Geschehnisse, so Claudius Schmidt. Der Inhaber der »100 Gramm Bar« hat aufgrund des Kriegs in der Ukraine sogar einige Familienangehörige seiner Mitarbeiter aus der Ukraine nach Berlin geholt, um ihnen hier Schutz und Sicherheit zu bieten, wie er sagt.

»Wir haben mit dem Krieg absolut nichts zu tun«, sagt eine Mitarbeiterin des »Samowar«, die anonym bleiben möchte, und spricht damit vermutlich allen russischen Restaurantbetreibern aus der Seele. 

Putins Krieg, nicht Russlands Krieg

Um sich öffentlich klar von dem Krieg Russlands in der Ukraine abzugrenzen, stellen einige russische Restaurants entsprechende Statements auf ihre Webseiten und erklären, dass sie jegliche Form des Krieges verurteilen und fernab der Entscheidungen von Regierungen sind. »Wir sind kategorisch gegen jegliche Militäraktionen, die mit menschlichen Opfern und Gewalt verbunden sind. Keine Nation sollte für die unrechtmäßigen Handlungen kurzsichtiger Politiker verantwortlich gemacht werden. Nein zum Krieg!!!«, heißt es unter Anderem auf der Website des »Café Datscha«. Auch der Hauptgeschäftsführer des DEHOGA Berlin, Thomas Lengfelder, appelliert an die Öffentlichkeit. Es handle sich um einen Krieg, der von Putin ausgehe – und nicht von der russischen Bevölkerung.

Die Inhaber und Mitarbeiter mehrerer russischer Restaurants in Berlin reagierten direkt zu Beginn des Krieges mit einer umfangreichen Spendenaktion, um den Menschen in der Ukraine zu helfen. So schlossen sich das »Café Datscha«, »Restaurant Pasternak«, die »100 Gramm Bar« sowie das »Datscha Bistro« zusammen und organisierten eine solche Spendenaktion, in der sie Sachspenden sammelten und in die Ukraine fuhren. »Darauf haben wir sehr positive Reaktionen bekommen und viel Unterstützung erfahren«, berichtet Claudius Schmidt von der »100 Gramm Bar«. Diese Aktion erfuhr sogar so viel Unterstützung, dass die Kapazitäten der Restaurants ausgeschöpft wurden und keine Sachspenden mehr angenommen werden konnten.

Marie Gewalt
Marie Gewalt
Falstaff Scout
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