Auf der Theresienwiese herrschen zu Oktoberfestzeiten bis zu 10 Grad Celsius mehr. 

Auf der Theresienwiese herrschen zu Oktoberfestzeiten bis zu 10 Grad Celsius mehr. 
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Alles öko, oder was? Ein Prosit auf die Bio-Wiesn!

Energieschleuder Oktoberfest? Stimmt nicht. Nachhaltige Zutaten, kurze Transportwege und Wasser-Recycling unterstützen das Ziel einer klimaneutralen Energiebilanz. Geheizt wird von den Besuchern selbst.

Endlich wieder nach zwei Jahren Pandemie-Pause: fröhlich feiernde Menschen auf dem Oktoberfest. Anstich ist am 17. September um Punkt zwölf, traditionell im Schottenhamel-Zelt, der ältesten Bierhalle auf dem Oktoberfest. Sechs Millionen Menschen werden erwartet, so viel wie vor der Pandemie. Rund eine halbe Million Hendl, noch mehr Bratwürste und Steckerlfisch sowie 130 Ochsen, werden verzehrt, dazu mindestens sieben Millionen Liter Bier getrunken. Das bedeutet Unmengen Wasser, Strom und Gas.

»Das Wiesn-Hendl wird nicht teurer«, sagte der zweite Sprecher der Wiesn-Wirte, Christian Schottenhamel. »Die Lieferverträge sind fix.« Das bestätigte auch ein Sprecher der Stadtwerke München. »Die Gaspreise werden geringfügig höher als die der Wiesn 2019 liegen. Die Gasumlage soll erst ab Oktober kommen, das Fest endet am 3. Oktober.«

Kritische Töne gibt es trotzdem in München: Wir müssen im Winter kalt duschen und die feiern, als ob es kein Morgen gäbe. An dieser Stelle ein paar Zahlen: Auf München gerechnet liegt der Stromverbrauch der Wiesn bei 0,6 Promille, bei Gas sind es 0,1 Promille. »Die Wiesn wird nicht dazu führen, dass in München die Lichter ausgehen«, so Wiesn-Wirte-Boss Clemens Baumgärtner.

Die Ökobilanz ist positiv

Seit 2012 werden Schausteller, Marktkaufleute und Wirte auf der Wiesn mit M-Ökostrom versorgt. Viele nutzen M-Ökoaktiv, den 100 Prozent klimaneutralen Ökostrom der Münchner Stadtwerke. Damit wird auch der Neubau von Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung unterstützt. Die Oktoberfest-Straßen und die Toiletten werden sogar bereits seit 2000 mit Ökostrom betrieben. Jedes Jahr werden so rund 1.000 Tonnen CO2 eingespart. Seit 1995 können Bewerber um einen Standort für Fahrgeschäfte, Stande oder andere kleine Betriebe mit »ökologischer Verträglichkeit« punkten. Das geht es unter anderem um die Verwendung von biologisch abbaubarem Hydraulik-Öl bei den Fahrgeschäften oder in der Gastro um Produkte aus ökologischem Anbau. Auch für Installation einer Solaranlage oder LEDs in Zelten und bei den Fahrgeschäften gibt es Öko-Punkte.

Keine Heizpilze mehr

Als Energiesparbeitrag wollen die Wirte zudem auf Heizpilze draußen verzichten. Keine Heizpilze bedeutet 440.000 Kilowattstunden Gas weniger, fast ein Viertel des Gasverbrauchs in 2019. Das Volksfest braucht ohnehin keine Heizung. Viele feiernde Menschen – das heizt nicht nur die Stimmung an. Ein Mensch produziert etwa 80 Watt, wie eine frühere Glühbirne, fand Meteorologe und Geschäftsführer der Wetter-Website donnerwetter.de Karsten Brandt vor einigen Jahren heraus: Auf der Wiesn kann es bis zu zehn Grad wärmer sein als anderswo in der Stadt. 

Sechs Millionen Besucher, Unmengen an Abfall

Das Oktoberfest hat seit 1991 ein eigenes Abfallvermeidungskonzept, heißt, Einweggeschirr- und -besteck sind verboten, der Müll wird strikt getrennt. Dosen findet man gar nicht auf der Wiesn. Seit 1998 wird bei vielen Wirten das Wasser recycelt: Das Nachspülwasser der Bierkrugspülmaschinen landet nicht im Abwasserkanal, sondern wird für die Zelttoiletten verwendet.

Auch kulinarisch ist die Wiesn mittlerweile ein Öko-Großevent! Viele Betriebe sind nach der EU-Öko-Verordnung Nr. 834/2007 zertifiziert. Auf ihren Speisekarten findet man zahlreiche Volksfest-Schmankerl in Bio-Qualität: Von Klassikern wie dem Wiesnhendl und der Bratwurst über die Steaksemmel bis zur gebrannten Mandel. Aber es ist nicht nur das Essen selbst, das bio ist: Auch auf kurze Transportwege wird geachtet, die meisten Produkte stammen aus der Region.

Klimaneutrale Oktoberfest-Zelte

2016 gab's mit der Hühner- und Entenbraterei Ammer das erste klimaneutrale Festzelt, 2018 folgte »Zum Stiftl«. 2019 wurde dann das erste große Zelt CO2-neutral: Kufflers Weinzelt kompensiert seine nicht vermeidbaren Klimagas-Emissionen durch Klimaschutzprojekte in Peru, Papua-Neuguinea und dem Oberallgäu. Ebenfalls klimaneutral sind seit 2019 und für die folgenden Jahre das Hofbräu-Festzelt und sein Wiesn-Bier sowie die weiteren Betriebe, die Hofbräu-Bier ausschenken, unter anderem das Oide-Wiesn-Zelt »Zur Schönheitskönigin«. Hier wird das nicht vermeidbare CO2 durch regionale Projekte wie Humusbildung ausgeglichen. Laut der Plattform ClimatePartner, die ihre Kunden dabei unterstützt, CO2-Emissionen zu berechnen, zu senken und restliche Emissionen zu kompensieren, sind Kufflers Weinzelt, Fischer-Vroni, Zum Stiftl, Poschners Hühner- und Entenbraterei, Rischarts Café Kaiserschmarrn und Fisch-Bäda Wiesnstadl ebenso klimaneutral wie die Lebkuchenherzen von Zuckersucht und der Startup-Szenetreff Bits&Pretzels.

Die sechs Festwirte haben mit klimaneutralen Bierzelten gezeigt, so ClimatePartner, dass sie auch auf dem Oktoberfest Bewusstsein für den Klimaschutz schaffen: etwa durch Ökostrom, mit regionalen Produkten, mit Bioqualität, durch bewussten Materialeinsatz und sparsamen Verbrauch. Alle verbleibenden, aktuell unvermeidbaren CO2-Emissionen gleichen sie über anerkannte Klimaschutzprojekte aus. Viele Festwirte haben jetzt auch vegane und vegetarische Gerichte auf ihre Karten genommen. Auch das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität.

Corinna von Bassewitz
Autor
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