Das »astrein« in Köln hat während des landesweiten Lockdown der Gastronomie einen Abhol-Service angeboten.

Das »astrein« in Köln hat während des landesweiten Lockdown der Gastronomie einen Abhol-Service angeboten.
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Abholung und Lieferdienst: Restaurants im Test

Viele Restaurants haben ihr Angebot während der Coronakrise auf Abholung oder Lieferung umgestellt und behalten das Angbot auch nach der Öffnung vorerst bei. Falstaff testete in Hamburg, Berlin, München, Köln und Finsterwalde.

Restaurant astrein, Köln – Abholung

Wenn Not wirklich erfinderisch macht, dann müsste die Gastronomie in diesen schwierigen Tagen vor Kreativität geradezu explodieren. Die Realität im Überlebenskampf der Restaurants ist freilich eine andere. Was nicht heißt, dass gute Ideen jenseits der schlichten Umstellung auf Außer-Haus-Betrieb nicht zu finden wären. Eric Werner in Köln ist ein Beispiel dafür. Der 34-Jährige, der seinen erst im März erlangten Sternenruhm wegen der Pandemie nicht hat auskosten können, kocht in der Krise nicht nur für, sondern auch mit seiner Kundschaft. Weil Spitzenküche bei aller zeitgemäßen Lockerheit eben anspruchsvoll ist, verlangt Werner ein wenig mehr, als nur Styroporgefäße in seinem Restaurant »astrein« abzuholen.

Dank einer mitgelieferten detaillierten »Bauanleitung« wird der Gast gewissermaßen Teil des wochenweise wechselnden Menüs (3 Gänge: 35 Euro, 4 Gänge: 55 Euro), dessen Bestandteile er in nummerierten Vakuumbeuteln entgegennimmt und nach Vorgabe erwärmt. Für alle Skeptiker: Schiefgehen kann dabei so gut wie nichts. Im getesteten, eher zurückhaltenden und bodenständigen Menü offenbart sich die hohe Qualität von Küchenhandwerk und Produkten. Das in Pesto marinierte Huhn ergänzt die ausgewogen gewürzte Spargel-Samtsuppe stimmig – anders als die Kichererbsen-Einlage der vegetarischen Variation. Ebenso saisonal-bodenständig ist der pochierte Kalbskloß, der auf blanchiertes Gemüse gebettet wird. Das alles ist hochwertige Regionalküche, der hier und da die souveräne Verspieltheit des Desserts gut gestanden hätte: Hier finden Kaffee und Waldbeeren in vielen Texturen zusammen.

Abholwertung – Julian Preuten

Geschmack 43 von 50
Präsentation 18 von 20
Wie im Restaurant 18 von 20
Abwicklung 9 von 10
GESAMT 88 von 100

INFO

Astrein
Krefelder Straße 37
50670 Köln
T: +49 221 95623990
astrein-restaurant.de


Les Deux Brasserie, München – Abholung

Erst im März dieses Jahres wurde das »Les Deux« in der Münchner Innenstadt mit dem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet. Viel hatte Küchenchef Edip Sigl nicht davon, die Corona-Krise kam dazwischen. Damit das Geschäft nicht völlig ruht, bietet er mit drei Lehrlingen eine kleine Abholkarte für die Brasserie an, die ebenfalls zum »Les Deux« gehört.. An manchen Tagen gibt es Specials wie eine Bouillabaisse mit pikanter Rouille, bei der man die exzellente Produktqualität  herausschmeckt. Oder als leichte und frische Vorspeise die Sommerrolle »Les Deux« mit Thunfisch, Avocado und Koriander, die statt mit Reispapier mit einem knackigen Salatblatt umwickelt ist. Die hausgemachten Orecchiette sind von einer leichten, dezent gewürzten Tomaten-Basilikum-Sugo begleitet, die den Geschmack der gegrillten Black Tiger Gambas nicht übertüncht.

Eine Erweckung waren dann die Steak Pommes zum Mini-Burger mit geschmorten Zwiebeln und einer Meerrettich-Mayonnaise: Trotz des zehnminütigen Transportes von der Abholstelle in der Brasserie im Erdgeschoss nach Hause büßten die Pommes nichts von ihrer Knusprigkeit ein. Die Bestellung erfolgt zwischen 11.30 und 19 Uhr per Telefon. Auch wenn man zwei Stunden vorher bestellt, sind die großzügigen Portionen exakt zum vereinbarten Abhol-Termin zubereitet und in Kartons aus recyceltem Material verpackt. Warm gehalten wird hier gar nichts. Auf Porzellan angerichtet, dazu eine Terlaner Cuvée aus der auf sechs Weiß- und vier Rotweine begrenzten Karte, genießt man mit seinem Sozialkontakt eine abwechslungsreiche Mahlzeit auf hohem Niveau.

Abholwertung – Corinna von Bassewitz

Geschmack 46 von 50
Präsentation 17 von 20
Wie im Restaurant 17 von 20
Abwicklung 9 von 10
GESAMT 89 von 100

INFO

Les Deux
Brasserie by Kieffer

Maffeistraße 3A
80333 München
T: + 49 089/710407373
lesdeux-muc.de


Cookies Cream, Berlin – Stay Home Menü

Wer skeptisch ist, ob ein Vier-Gang-Menü auf Sterne-Niveau auch zu Hause funktioniert, sollte unbedingt das Stay Home Angebot des Berliner Gastronomen Heinz Gindullis ausprobieren. Jeden Tag bereitet ein Chef aus einer seiner Küchen ein Menü zu, das in Komponenten verpackt bis an die Haustür geliefert wird – samt Videolink auf der enthaltenen Menükarte. Kurz den QR-Code scannen und schon sieht man vom heimischen Herd aus dem jeweiligen Profi-Küchenchef zu, wie er Schritt für Schritt durch die wahrhaft idiotensichere Zubereitung leitet. Mit Sauerteigbrot zu schaumig aufgeschlagener Lauchbutter kann der Genuss sofort beginnen, während diesmal Stephan Hentschel, der Michelin-Stern dekorierte Chef aus dem vegetarischen »Cookies Cream«, zeigt, was zu tun ist: den fruchtig-sauer marinierten und im Beutel vakuumierten Chicorée aufschneiden, darüber den Frühlingskräutersalat anrichten – fertig.

Alles, was zusammengehört, ist mit Buchstaben beschriftet, und während man isst, bereiten sich die weiteren Gänge im Wasserbad praktisch von selbst zu. Die intensive Pilzessenz mit Madeira und vorgeschnittenen Pfeffercrêpe-Streifen am Grund ist herrlich. Und Hentschels Signature Dish, die Parmesanknödel mit Périgord Trüffelsauce, die man aus dem Beutel in einen tiefen Teller gießt, schmecken genauso schlotzig und fluffig mit feinen Käsenoten wie im Cookies Cream. Keine Frage, das Menü ist einfach und genial geplant. Ohne die geringste Ahnung von Kochen vorauszusetzen, bekommt man ein sternewürdiges Essen, dank mitgelieferter Kerze und Spotify-Playlist fühlt man sich fast wie im Restaurant.

Abholwertung – Tina Hüttl

Geschmack 44 von 50
Präsentation 18 von 20
Wie im Restaurant 16 von 20
Abwicklung 10 von 10
GESAMT 88 von 100

INFO

Cookies Cream
Behrenstraße 55
10117 Berlin
T: +49 30 680730448
cookiescream.com


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Goldener Hahn, Finsterwalde – Abholung

Die Menschen von Finsterwalde »leb’n und sterben für den Gesang« – wenn man dem Gassenhauer aus dem Jahr 1899 Glauben schenken darf. Aber es gibt auch diejenigen, die bei Finsterwalde an den »Goldenen Hahn« und die »Neue Lausitzer Küche« von Frank Schreiber denken. Sie lockt in normalen Zeiten Besucher aus Dresden (78 Kilometer entfernt), Berlin (112 Kilometer) und Cottbus (52 Kilometer) an, die beim Brandenburger Meisterkoch des Jahres 2006 genießen wollen. Aber was ist denn jetzt gerade noch normal? Statt Fine Dining gibt’s nun werktäglich von 12 bis 18 Uhr Essen zum Abholen (4 bis 12 Euro) – am Freitag und Samstag sogar zusätzlich ein Drei-Gang-Menü (36 Euro). Das Menü gibt es verzehrfertig oder zum Aufwärmen zu Hause.

Frank Schreiber bleibt sich auch beim Mitnahm-Essen treu: es ist in den Verpackungen sauber voneinander getrennt angerichtet, Flüssiges kommt auf jeden Fall separat. Das produziert zwar unverhältnismäßig viel Müll, aber dafür matscht auch nichts! Die Kalte Sallgaster Spargelsuppe mit Räucherfisch-Tatar, mariniertem Spargel und Schnittlauch war eine perfekte Vichyssoise, kräftig die Suppe und pikant das Tatar. Ein auf den Punkt gegarter Lammrücken thronte über der kräftigen Beuscherl-Sauce, neben Bohnengemüse und Rosmarin-Kartoffeln sorgte Portulak frisch aus dem eigenen Kräutergarten nicht nur für farbliche Akzente. Das Dessert war in seiner Leichtigkeit ein Ausblick auf den nahenden Sommer, mit einer luftigen Waldmeister-Mousse, erfreulich geschmackvollen Erdbeeren in Gelee und einer »Scharfes Gelb« genannten Eierlikör-Creme.

Abholwertung – Ulrich van Stipriaan

Geschmack 45 von 50
Präsentation 18 von 20
Wie im Restaurant 18 von 20
Abwicklung 10 von 10
GESAMT 91 von 100

INFO

Goldener Hahn
Hotel und Restaurant
Bahnhofstraße 3
03238 Finsterwalde
T: +49 03531 2214
schreiber-cuisine.de


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Restaurant Henriks, Hamburg – Lieferservice

Das »Henriks« nahe des Dammtor-Bahnhofs ist der Speisesaal gutverdienender Angestellter in Hamburg-Rotherbaum. Vor der Pandemie waren oft alle Tische besetzt, die Kombination aus gut gemachten Klassikern der internationalen Küche und einer variantenreichen Weinkarte traf den Geschmack der Klientel. Daneben hob sich auch der Service in seiner Professionalität wohltuend ab von vergleichbaren Restaurants, insbesondere für den Mittagstisch. Als hier coronabedingt der Umsatz wegbrach, bot man als Ersatz zügig eine Abholmöglichkeit an, ergänzt um einen Lieferservice, der auch weitere Strecken auf sich nimmt.

Die Kernkompetenz liegt aber nach wie vor in der Küche, wie eine Bestellung per freundlichem Lieferdienst zeigte. Die Panade des Wiener Schnitzels hat gelitten im behelfsmäßigen Karton, an am gut gewürzten Kalbsfleisch selbst ist nichts auszusetzen. Auch die Beilagen, die sonst sehr guten Pommes Frites und die Bratkartoffeln, sind nicht so knusprig wie sonst im Restaurant – hier könnte man mit einer besseren Verpackung sicher noch einiges rausholen. Fast genauso gut wie im Restaurant ist hingegen der Caesar’s Salad, dessen Dressing separat kommt, auch der Milchreis zum Dessert schmeckt hervorragend. Inzwischen hat das »Henriks« wieder regulär geöffnet, auf der Terrasse mit Blick auf die Moorweide stehen etliche Tische bereit. Der Lieferservice wird aber nach wie vor angeboten.

Lieferservice-Wertung – Philipp Elsbrock

Geschmack 44 von 50
Präsentation 15 von 20
Wie im Restaurant 15 von 20
Abwicklung 10 von 10
GESAMT 84 von 100

INFO

Henriks Restaurant
Tesdorpfstraße 8
20148 Hamburg
T: +49 40 288084280
henriks.cc

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