© Georg Jensen

Ein gutes Besteck muss elegant aussehen, aber auch praktisch zu handhaben sein. Während es in den Küchen beim Geschirr kreativ zugeht, dominieren bei den Esswerkzeugen die Klassiker, deren futuristischer Minimalismus erstaunlich modern bleibt.

11 . Oktober 2022 - By Karin Cerny

Markus Mraz erinnert sich noch genau, wie er vor rund 15 Jahren für sein Restaurant ein passendes Besteck gesucht hat. Keine einfache Aufgabe: »Ich habe lange gegoogelt, nichts hat mich angesprochen«, erzählt der Wiener Spitzenkoch. »Bis ich bei einem dänischen Anbieter auf eine futuristische Linie gestoßen bin, von der ich sofort fasziniert war.« Noch heute ist jenes Besteck, das Arne Jacobsen 1956 ursprünglich für das »SAS Royal Hotel« in Kopenhagen entworfen hat, im Hauben­lokal »Mraz & Sohn« im Einsatz. Mit seinen klaren Linien und seiner schlanken Form ­erinnert es an ein Sezierbesteck. Und passt damit ideal zum filigranen Fine Dining.

Goldene Zeiten Besteck in den Farben Gold und Schwarz boomt: »MetroChic d’Or« von Villeroy & Boch ist Edelstahl, vergoldet. villeroy-boch.at

© Villeroy-Boch

SPACIGES DESIGN

Man möchte mit diesem Besteck, das auch in Stanley Kubricks legendärem Sci-Fi-Film »2001: A Space Odyssey« (1968) verwendet wurde, nicht unbedingt ein Schnitzel oder ein Gulasch verzehren – dafür eignet sich das gröbere Stelton-»EM« von Erik Magnussen viel besser. Aber in Kombination mit raffinierten Gerichten bleibt Arne Jacobsens Entwurf ein perfektes Match. Die Messer, Löffeln und Gabeln liegen nicht nur fest in der Hand, sie sind auch ein Kunstwerk für sich. Aber selbst bei diesem Designklassiker gibt es Probleme, mit denen man beim Kauf gar nicht rechnet: »Die Mokkalöffel werden mittlerweile nicht mehr produziert«, erzählt Markus Mraz.

Heimischer Klassiker 2011 hat Thomas Feichtner sein formschönes Besteck »Fina« kreiert, das zugleich sehr alltagstauglich ist. designqvist.at

© Designqvist

»Wir haben noch beim Hersteller direkt ein paar bekommen.« Auch bei Longsellern wie Arne Jacobsen kann man nie sicher sein, ob man Einzelteile nachbekommt. Das macht es für Restaurants schwer, gewagte Entwürfe einzusetzen. Das »Steirereck« setzt deshalb auf die traditionelle »Malmaison«-Serie des Christofle-Gedecks.

FÜR DIE EWIGKEIT

Und wie sieht es daheim aus? Tafelbesteck bekommt man meist bei der Hochzeit geschenkt: Man bindet sich ein Leben lang. Da ist die Ehe schon längst in die Brüche gegangen, den Messern, Gabeln und Löffeln aber bleibt man treu. Sie begleiten einen bis ins hohe Alter. Kaum ein Haushalt hat mehrere Bestecke zur Auswahl – sieht man von Erbstücken wie Familiensilber ab, das dann meist nur zu besonderen ­Anlässen herausgeholt und im Alltag durch ein praktisches Besteck ergänzt wird. Es gibt Abertausende Bücher über Designstühle, ­während man brauchbare Bücher über Besteckserien an einer Hand abzählen kann. Obwohl man täglich damit isst und nicht weniger ­Lebenszeit mit seinen Gabeln und Messern verbringt als mit einem geliebten Stuhl.

In der Schwebe »Pirouette« von Ron Arad: Während die Griffe noch frei in der Luft schweben, setzen die Klingen bereits zur Landung an. superonda.de

© Superonda

Ein grundsätzliches Problem ist: Nur wenige Besteckkollektionen überleben ihr Entstehungsjahrzehnt. Sie werden schnell zu Sammelstücken, wie die Serie »WMF by Zaha Hadid«. Die Stararchitektin hat 2007 ein stromlinienförmiges Besteck entworfen, mittlerweile ist es zu Höchstpreisen secondhand zu ersteigern. Ebenso kühn ist das Modell »Pirouette« von Ron Arad, ebenfalls 2007, beeinflusst von Flugzeugen: Während die Griffe noch frei in der Luft schweben, setzen die Messerklingen und Löffelmulden bereits zur Landung an. Die ­perfekte Balance beeindruckt nach wie vor, auch diese Serie ist ein gefragtes Sammelobjekt. Geht man nach aktuellen Trends, dann bleiben die Linien klassisch, aber die Farben ändern sich. Villeroy & Boch setzt auf Gold und Schwarz, um Glamour auf den Tisch zu zaubern. Ob einem das in zehn Jahren noch gefällt, muss jede:r für sich klären. Ein Besteck ist schließlich ein Langzeitinvestment.

Zurück in die Zukunft Peter Raacke hat dieses Picknickbesteck in den 1970er-Jahren entworfen. Es überzeugt durch Retro-Charme. mono.de

© Mono

Retro-Chic hat allerdings auch seinen Charme, wie man an den Entwürfen des deutschen Designers Peter Raacke sehen kann. Sein ikonografisches »Mono Clip« ist in seiner klobigen Art ein Kind der 1970er-Jahre. Slow Food boomt, Produkte, die aus der Gegend kommen, landen verstärkt auf unseren Tellern. Warum nicht auch beim Besteck auf Regionalität achten? Es gibt nämlich auch bahnbrechende heimische Entwürfe. Der namhafte Industriedesigner Thomas Feichtner wurde 1970 in Brasilien geboren, wuchs in Deutschland und Österreich auf, wo er mittlerweile auch wieder lebt. Sein Besteck »Fina« bei Carl Mertens aus Solingen stammt aus dem Jahr 2011 und orientiert sich an skandinavischer Klarheit. Es ist ein Besteck für alle Anlässe: markant und doch alltagstauglich. Und sicher auch in 100 Jahren noch modern.

Futurismus am Tisch Das Haubenlokal »Mraz & Sohn« setzt auf das futuristische Besteck von Arne Jacobsen aus dem Jahr 1956. georgjensen.com

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