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Wunderschöne Pupperlwirtschaft: »Die Frauen der Wiener Werkstätte«

Die große Zeit der Kunstgewerblerinnen: Das Wiener Museum für angewandte Kunst spürt mit »Die Frauen der Wiener Werkstätte« (21. 04.–03. 10. 2021) anhand von 178 Protagonistinnen einem faszinierenden Stück Frauenkunstgeschichte nach, deren Geist bis heute wirkt.

19.04.2021 - By Stefan Musil

Adolf Loos sah in den »Kunstgewerblerinnen« gelangweilte höhere Töchter, die sich als Künstlerinnen bezeichneten, »bloß, weil sie batiken konnten«. »Wiener Weiberkunstgewerbe«, höhnte Grafiker Julius Klinger. Von »unerhörter Pupperlwirtschaft« sprach Architekt Oswald Haerdtl.

Dabei waren die Frauen der Wiener Werkstätte stolz darauf, »Kunstgewerblerinnen« zu sein, verstanden es als »besonderen Status in den 1920er-Jahren, bis zu einem gewissen Grad auch als Sinnbild für die emanzipierte Frau«, erklärt Anne-Katrin Rossberg, die mit Elisabeth Schmuttermeier die Ausstellung »Die Frauen der Wiener Werkstätte« kuratiert hat. 

Die Wiener Werkstätte, die WW, wurde 1903 als Produktionsgemeinschaft von Josef Hoffmann, Kolo Moser und dem Industriellen Josef Waerndorfer mit dem Ziel gegründet, Handwerk und Kunst zu vereinen und so das Leben vom Geschirr über die Mode bis zur Architektur zu verschönen. Im Ideal sollte Entwurf, Fertigung, Vertrieb unter einem Dach vereint sein. Dass am Anfang auch das Ziel stand, leistbare Produkte zu erzeugen, blieb Illusion, »weil Handwerk einfach zu teuer ist«, so Rossberg. Die WW waren ein Verlustgeschäft und hätte ohne Mäzene nie bis 1932 überlebt. 

Dass Frauen die WW so stark prägen würden, war am Beginn nicht zu erwarten, doch 1916 wurde die Künstlerwerkstätte in der Neustiftgasse eingerichtet – als offenes Experimentierlabor. Josef Hoffmann lud die weiblichen wie männlichen Studenten der Kunstgewerbeschule (heute Universität für angewandte Kunst) ein, dort für die WW zu arbeiten. Aufgrund des Kriegs kamen jedoch vor allem Frauen. Sie hatten großbürgerlichen beziehungsweise gutbürgerlichen Hintergrund. »Man musste es sich schon auch leisten können, denn davon leben konnte man kaum«, so Rossberg. 

178 Biografien von für die WW tätiger Frauen wurden für Ausstellung und Katalog recherchiert. Dabei überraschte Rossberg, »dass damals durchaus eine positive Rezeption stattfand, die Frauen in der Presse oft namentlich vorgekommen sind«. Künstlerinnen wie Vally Wieselthier, Mathilde Flögl, Gudrun Baudisch, Mela Koehler, Maria Likarz, Felice Rix kennt man auch heute (wieder). Rossberg stieß daneben auf spannende Entdeckungen, wie Klara Posnanski, die »Stoffe in einer Airbrush-artigen Spritztechnik entwarf, die fantastisch ausschauen – wie Andy Warhol!« 

Die Themen der WW-Frauen blieben dabei weitgehend dem tradierten Rollenbild treu: Mode, Postkarten, Stoffmuster, wenig Metall und Glas, bei Möbel höchstens kleine Kästchen und Schatullen, und in der Architektur gestalteten die Frauen die Wände mit Malereien oder Tapetenentwürfen. In jedem Fall waren sie selbstbewusst und konnten sich entwickeln, erzählt Rossberg: »Es war eine gute Zeit für die Frauen, weil sie so frei agieren konnten. Die Werkstätte war auf gewisse Weise eine Blase, ein geschützter Raum. Mir kommt auch vor, sie haben in dieser Zeit ihre Höchstleistungen gebracht.« 

Ihr Geist lebt weiter. Etwa wenn Sandra Haischberger, die an der Angewandten Produktdesign studiert hat, mit ihren Kolleginnen in ihrer Porzellanmanufaktur FeineDinge die Philosophie der WW-Frauen ins 21. Jahrhundert trägt. So wie auch Ale­xandra Pruscha, die in ihren textilen Bildern Kunst und Handwerk verschmelzen lässt und mit handgewebten Leinenstoffen arbeitet, die sie in einem mehrstufigen Verfahren selbst vor­behandelt, einfärbt und bedruckt. 

Für Anne-Katrin Rossberg bleibt es ein Phänomen, wie es der Wiener Werkstätte und den Frauen gelungen ist, ihre Idee durch die Zeiten von Spanischer Grippe, Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise zu bringen. Loos warf den WW auch einen elitären, unsozialen Geist vor. Doch so Rossberg: »Natürlich war das kein soziales Projekt. Dafür waren Institutionen wie etwa der Werkbund da. Ich weiß nicht, ob man das der Wiener Werkstätte und den Frauen so vorwerfen kann. Dahinter stand eine ganz andere Intention. Wir brauchen doch auch schöne Dinge.« 

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 02/2021

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