© Paul Ott

Wohnparadies ohne Wände im Wiener Westen

Im Wiener Westen wurde kürzlich ein modernes, minimalistisches Wohnparadies fertiggestellt. Architekt Dominik Aichinger schuf eine gläserne Schatulle, in der Innen- und Außenraum dank raumhohen Schiebefenstern fast nahtlos ineinanderfließen.

18.07.2022 - By Wojciech Czaja

Bienen, blaue Libellen, ein bunter Schmetterling. Lavendel, Mohn­blumen, Lampenputzergras. Und weiter hinten am Grundstück eine Felsenbirne, ein japanischer Ahorn und eine weit hinabhängende Trauerweide, die ein französischer Impressionist nicht besser in die Landschaft hätte hineinmalen können. Doch die wahre Kunst auf diesem Grundstück im Wiener Westen, enthoben vom lärmenden Alltag und abgerückt in die grüne Ferne der Stadt, ist das sogenannte Kühlhaus, eine eingedeutschte Anspielung auf die intuitive Gefühlsregung, die aus ­einem unvermittelt herausbricht, sobald mal vor dem kürzlich fertiggestellten Wohn­gebäude steht: Was für eine coole Hütte!

The Gentleman’s Room Im Bad des Hausherrn lässt sich die Glasecke an der marmorverkleideten Badewanne komplett auflösen und zur Seite schieben. Dank Lamellendach badet man selbst zur Mittagszeit nie in der prallen Sonne.

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»Schon seit 30 Jahren wohnen wir auf diesem Grundstück«, sagt der Bauherr, ein Hightech Unternehmer im Ruhestand, der sich selbst und seine Frau im Lebensherbst mit einem kompromisslosen Wohnkonzept belohnen wollte. »Eines Tages hatten wir das Gefühl, dass wir das Grundstück, den Wind, die Tiere, den Regen und den Sonnenverlauf schon so gut kannten, dass wir beschlossen haben, das alte Haus aus den Siebzigerjahren abzureißen und mit einem den letzten Stand der Technik beinhaltenden, idealen Haus zu ersetzen. Heute wohnen wir hier quasi im Freien, mit dem Wetter und den Jahreszeiten.«

Das Geheimnis eines Schranks Im Kern des Hauses verbergen sich viele, viele Laufmeter Schrankwand für Schuhe, Mäntel, Hüte, Archivordner und Lebensmittelvorräte. Die Garderoben-türen im Foyer sind mit abgenähten Kunstlederstoffen von Kvadrat verkleidet. kvadrat.dk

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Eine Skulptur im Foyer Die Treppe besteht aus Holz, Stahl und Glas. Die gekantete Unterseite aus Stahl wurde auf der Baustelle eingehaust und direkt vor Ort lackiert. Auf diese Weise konnte ein fugen- und makelloses Lackierbild erzielt werden.

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»Ich wollte die materielle Komponente des Hauses auf ein Minimum reduzieren und habe mich daher für edle, minimalistische Materialien entschieden.« – Dominik Aichinger, Architekt

Der Architekt, der das große Vorbild Ludwig Mies van der Rohe in die Gegenwart übersetzen sollte, wurde in einem kleinen geladenen Wettbewerb unter insgesamt drei Teilnehmern schnell gefunden. Dominik Aichinger schlug einen flachen, schlichten Kubus vor, der sich in materieller Hinsicht zurücknimmt und voll und ganz mit der Natur und dem umliegenden Garten ­verschmilzt. »Ich wollte die materielle ­Komponente des Hauses auf ein Minimum reduzieren und habe mich daher für edle, minimalistische Materialien entschieden«, sagt Aichinger. »Darüber hinaus haben wir das Grundstück so modelliert, dass der Eingang, die Garagenzufahrt und ein Teil des Hauses regelrecht in der Topografie verschwinden.«

Feuer und Flamme Der Kamin im Wohnbereich ist mit dem -Marmor »Grigio Collemandina« aus Italien -sowie mit lackiertem, verzundertem Schwarzstahl verkleidet. Gelümmelt wird bequem auf Flexform. Die Interiorplanung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Designkollektiv. designkollektiv.at

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Zu den dominanten Materialien des Stahlskelettbaus, der in der Bauphase den Eindruck eines hochtechnoiden Industriebauwerks vermittelte, zählen Glas, spanischer Sandstein sowie champagnerfarben eloxierte Alucobond-Platten, die – um auf Bohrungen und störende Schraubverbindungen zu verzichten – mit der Stahlkonstruktion dauerhaft verklebt wurden. Auch an technischen Notwendigkeiten wie etwa Beleuchtung, Fensteröffnungen und Dach- und Terrassenentwässerung wurde so lange herumgetüftelt, bis eine hochelegante Lösung gefunden war. Dazu zählen etwa auch die raumhohen Glasschiebetüren von Sky-Frame, die sich mit einem einfachen Klick lautlos, ja fast tugendhaft zur Seite schieben lassen

Die Badefreuden der Dame Im Badezimmer der Hausherrin wurde eine wasserabweisende Customized-Ornamenttapete an der Wand verlegt. Aus dem Fenster blickt man direkt ins Grüne.

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Das Highlight des Hauses ist die allerorts zelebrierte, penibel feine Ode an das Handwerk – ob das nun das schlanke, nur elf Zentimeter starke Vordach, die hochästhetisch am offenen Panorama über Eck positionierte Badewanne oder der lasergecuttete »Grigio Collemandina« aus Italien ist, dessen feine Marmorierung Böden, Wände, Türen, Schränke und sogar Schubladenfronten umhüllt. Oder, wie der Bauherr, der gewohnt ist, in Mikrometern zu denken, stolz meint: »Im Rahmen der im Bau üblichen Toleranzen von Zentimetern und Millimetern wurden anspruchsvollste Werte realisiert, was man dem Haus auch in seiner Wertigkeit ansieht. Mit Bauherr und Architekt haben sich zwei Gleichgesinnte gefunden.«

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