Wo die Architektur wohnt
Nichts ist schwieriger, als für sich selbst zu designen, behaupten viele Architekt:innen. Die Ergebnisse sind dennoch beachtlich. Wir haben vier Vertreter:innen der Wiener Zunft gebeten, uns Einblick in ihr Wohnen und Gestalten zu geben.
20.09.2022 - By Wojciech Czaja
»Unser Beruf bringt es mit sich, mit Konventionen und Erwartungen zu brechen und anderes auszuprobieren«, sagt Ebner, 56 Jahre alt, Partner im Wiener Architekturbüro BEHF, das vor allem auf Wohnbau und Interior-Gestaltung im Bereich Hotel, Retail und Gastronomie spezialisiert ist. »Zum Bruch mit den Konventionen gehört wohl auch, dass die Möbel nicht an der Wand stehen, sondern in der Raummitte gruppiert sind. In gewisser Weise ist die Wohnung so etwas wie ein Dauerexperiment, wie ein Versuchslabor. Hier probiere ich aus, was wir unter Umständen später auch unseren Kund:innen und Auftraggeber:innen empfehlen. Ich bin, wenn man so will, ein Versuchskaninchen unserer eigenen Arbeit.«
Armin Ebner genießt es, den Raum zu inszenieren – und sich selbst gleich mit dazu. Einer seiner liebsten Orte ist das Wohnzimmer mit dem Divan in der Mitte, darauf Decken und Felle, im Hintergrund eine »Akari«-Stehleuchte von Vitra, Modell »14A« des japanischen Designers Isamu Noguchi, dahinter eine Fotografie von Marina Abramović aus der Serie »The Family A.«, ein Schocker mit Maschinengewehren. Erst kürzlich haben Ebner und seine Frau Susi Hasenauer die Wohnung neu gestaltet. »Ich glaube, ich empfinde so etwas wie Lust und Sehnsucht, mich in regelmäßigen Abständen neu zu erfinden«, meint der Architekt. »Ich bin immer auf der Suche nach der richtigsten Richtigkeit. Wahrscheinlich findet man die aber eh nie, weil man ja nie weiß, wann die Richtigkeit am richtigsten ist. Doch ich bin und bleibe ein Suchender.«
Veränderung ist auch das Motto bei der Wiener Weltraumarchitektin Barbara Imhof. In ihrer 80 Quadratmeter großen Gründerzeitwohnung in der Brigittenau gibt es ein Bad, das man mit einer gläsernen Klappwand verkleinern und vergrößern kann. Im Hintergrund eine Collage aus Glasmosaikfliesen, eine gepixelte Fotografie, die Buzz Aldrin bei seinen ersten Schritten am Mond zeigt. »Ich mag es nicht, dass Baden, Duschen und Zähneputzen meist ins kleinste, dunkelste Kammerl verbannt werden«, sagt Imhof. »Also haben wir uns für eine mobile Lösung entschieden, bei der die einzelnen Raumfunktionen je nach Bedarf verändert werden können. Man nutzt Synergieeffekte, spart dadurch viel Fläche ein und gönnt sich den Luxus, plötzlich in einem 40 Quadratmeter großen Badezimmer in der Badewanne zu liegen. Wo kann man das schon!«
»Hier probiere ich aus, was wir unter Umständen später auch unseren Kund:innen und Auftraggeber:innen empfehlen. Ich bin, wenn man so will, ein Versuchskaninchen unserer eigenen Arbeit.« – Armin Ebner über die Wohnung als Experimentierkammer
In gewisser Weise, sagt Imhof, denke sie beim Öffnen und Schließen der Glaswand an den Weltraum. Auch dort, sagt die passionierte Schwerelose, müsse man auf kleinstem Raum viele Funktionen unterbringen. Und das Thema zieht sich konsequent durch: »Wie man unschwer erkennt, bin ich – nicht nur jobbedingt – ein riesengroßer Weltraum-Fan. Ich habe Weltraumspielzeug, diverse Satelliten- und Weltraumaufnahmen von der Erde und einige Fotoabzüge von den Mondmissionen der Sechziger- und Siebzigerjahre.«
»Wenn man so viele Stunden an einem Ort verbringt, dann muss man sich auch einmal entspannen und ins Nichts schauen dürfen.« – Nerma Linsberger über Ruhezonen
Sehr oft, so scheint es, zieht es Architekt:innen in den Altbau. Nerma Linsberger wohnt im Reumannhof in Margareten, einer riesigen Wohnhausanlage des Roten Wien, mit rund 450 Wohnungen, 1926 von Hubert Gessner errichtet. Das ehemalige Atelier im Dachgeschoß hat sie selbst saniert und mit hellem, weiß lasiertem Holzboden ausgelegt. Zwischen Wohn- und Schlafzimmer gibt es eine raumhohe Glaswand, verhängt mit weichen, mediterranen Vorhängen. »Weiß ist für mich ein Symbol für Weite, Ruhe, Offenheit«, sagt Linsberger. »Ich brauche diese Ruhe um mich herum, schließlich nutze ich die Wohnung auch als Atelier. Wenn man so viele Stunden an einem Ort verbringt, dann muss man sich auch einmal entspannen und ins Nichts schauen dürfen.«
Und Christian Heiss, der in Wien das Atelier Heiss leitet, wohnt mit Lebensgefährtin und Tochter in einer Gründerzeitwohnung, die er 2013 umgebaut hat: Wände rausgerissen, Stahlträger eingezogen, Stromleitungen erneuert, Fußbodenheizung verlegt, diverse Einbaumöbel entworfen. »Für sich selbst zu planen, also quasi Bauherr und Architekt in einer Person zu sein, ist mental stressig«, sagt Heiss, »doch ich glaube, dass man sich als Gestalter diese Fragen des Wohnens immer wieder selbst stellen muss. Zudem spürt man am eigenen Leib, was für ein Knochenjob es ist, Auftraggeber zu sein und wochen- und monatelang große Entscheidungen zu fällen. Respekt vor jedem, der das macht!«