© feine dinge

Vienna Design Week: Kontinentaler Blickwinkel

Die Vienna Design Week geht vom 24. September bis 3. Oktober unter neuer Führung in ihre 15. Runde. Erstmals gibt es kein Gastland. Vielmehr wird mit der EU das Designschaffen eines Kontinents ins Visier genommen.

22.09.2021 - By Manfred Gram

Wann zeigt sich, dass ein Festival gut etabliert ist? Zum Beispiel, wenn es neue, schwierige Rahmenbedingungen gut meistert. Oder wenn es einen Wechsel in der Organisation gibt, der neue Aspekte einbringt, aber einen erfolgreich eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgt.

Insofern ist die Vienna Design Week, Österreichs größtes Design-Event, gut etabliert. Mit Auslagerungen in den digitalen Raum tauchte man durch das schwierige Covid-Jahr 2020 und mit Gabriel Roland gibt es einen neuen Festival-Direktor, der schon seit mehreren Jahren im Team von Lilli Hollein mitarbeitete, die ab September die Direktion im Wiener MAK übernimmt.

In »Haus by the Sea« sind Positionen von Industriedesign-Studierenden der Kunsthochschule Kiel zu sehen. Spannend: Der Umgang mit Orten und Räumen. en.muthesius-kunsthochschule.de

Foto beigestellt

Bürokratie trifft Kreativität

Konsequent etwas weiterverfolgen heißt auch, bereits gut Etabliertem einen neuen Anstrich zu verpassen. So gesehen sticht heuer ein Punkt im Festivalprogramm besonders heraus: das Gastland.

Bis dato stellte man jedes Jahr ein Land und seine Designszene in den Fokus. Im Vorjahr war es die Schweiz, aber auch Schweden, Polen, Ungarn und Rumänien präsentierten in Wien bereits ihr Design-Schaffen. Heuer ist es anders – Gastland ist nämlich die EU. »Wir wollten Erwartungshaltungen durchkreuzen und etwas ganz anderes machen«, erzählt Neo-Direktor Gabriel Roland und geht ins Detail: »Wenn man nur den Nationalstaat als Orientierung in der Designwelt hernimmt, sieht man nicht alles. Wie so oft ergeben sich viele Dinge in den Zwischenräumen. Die EU macht viel für die Kreativwirtschaft, was nicht immer ganz so stark wahrgenommen wird.«

Was Knüpferinnen von Berberteppichen kreativ leisten, bleibt oft verborgen. Die Ausstellung »Off Market Design« kehrt das nicht unter den Teppich.

© Le Nomade

»Dorfplatz EU«

Hier wurde also genauer hingeschaut. Vor allem, weil Herausforderungen, vor denen die EU etwa bei Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder grenzüberschreitende Zusammenarbeit steht, auch aus einem Design-Blickwinkel betrachtet werden können.

Das klingt jetzt erst einmal abstrakt, allerdings ist die Vienna Design Week dafür bekannt, Abstraktes konkret zu machen. Deshalb haben das Architekturkollektiv »Auf’strich« und das Designduo »studiotut« in der diesjährigen Festivalzentrale im 20. Bezirk den »Dorfplatz EU« gestaltet, um Komplexes niederschwellig zu erklären. »Wir wollen eine räumliche Intervention schaffen, die aufzeigt und rahmt, was eigentlich schon alles da ist. Über verschiedene Stationen werden Besucherinnen und Besucher eingeladen, in die Welt der Europäischen Union mit ihren Angeboten und Vorzügen einzutauchen, in Interaktion zu treten und sich auszutauschen«, erklären die vier Expertinnen.

Spannendes Projekt. Keramikkünstler Arkadiusz Szwed macht am Tafelservice »Die menschliche Spur« den Herstellungsprozess sichtbar – etwa mit Handabdrücken der Arbeiterinnen und Arbeiter. arkadiuszszwed.com

© Arkadiusz Swed/B. Grzeskowisk

Anknüpfungspunkte

In der Praxis stellt man aufregende Designprojekte vor. So präsentiert etwa die Porzellanmanufaktur feinedinge* gemeinsam mit Starkoch Juan Amador eine Neuauflage ihres Verkaufsschlager-Service »ALiCE« und auch das Polnische Institut setzt auf Porzellan.
Das Tafelservice »Die menschliche Spur«des Keramikkünstlers Arkadiusz Szwed macht Spuren im Herstellungsprozess sichtbar. Und die Ausstellung »Off Market Design« geht sogar noch einen Schritt über Europa hinaus und zeigt als Hommage an die großen, unbekannten Teppichknüpferinnen Berberteppiche, die abseits des Designmarkts für den Eigengebrauch geknüpft wurden.

Bleibt die Frage, ob es so etwas wie ein europäisches Design überhaupt gibt. Design-Week-Direktor Gabriel Roland rät zu einer differenzierten Betrachtung: »Ich glaube nicht, dass es zielführend ist, Design auf der europäischen Ebene wieder unter den immer gleichen Gesichtspunkten zu betrachten, wie man das bei nationalen Designszenen tut. Es gibt einfach viele, ganz entscheidende Netzwerke, die ein rein nationaler Design-gedanke nicht abbilden kann.«

Bridges not borders. 24. September bis 3. Oktober

Für die 15. Auflage der Vienna Design Week ist erstmals Gabriel Roland verantwortlich. Das Festival zeigt das Schaffen der heimischen Designszene in seiner ganzen Vielfalt. Vom Produkt- und Möbeldesign bis zum Social Design und digitalen Ansätzen spannt sich der Bogen. Zudem bekommen bewährte Formate, wie etwa die beliebte »Gastland«-Schiene einen neuen Anstrich. 24. 9.–3. 10. 2021

viennadesignweek.at

  • Fokusbezirk 
    2021 steht die Brigittenau im Zentrum des Interesses. Der Bezirk ist längst nicht mehr so schmuddelig wie sein Ruf und präsentiert sich mit lebendigen und aktiven Grätzeln. »Brigitte, now!« heißt also das Motto, auch im Festivalzentrum am Sachsenplatz in einer Gewerbehalle.
     
  • Gastland EU
    Was kann die EU für Design, was Design für die EU tun? Die beliebte Schiene präsentiert Design aus der EU, macht strategische Prozesse sichtbar und vermittelt Netzwerke.
     
  • Design Everyday
    Die Ausstellung zeigt Alltagsdesign aus Österreich. Konzipiert vom Wiener Designstudio Vandasye werden herausragende Designlösungen, vom Sitzmöbel bis zur Lampe ins rechte Licht gerückt.
     
  • Urban Food Design
    Als Erweiterung des Schwerpunktthemas »Let’s talk Lebensmittel« der Wirtschaftsagentur Wien kommt bei dieser Schiene das Kreativ- und Innovationspotenzial der Lebensmittelwirtschaft auf den Tisch. Katharina Dankl kuratiert die Ausstellung und zeigt Designpositionen zum Thema Nahrung.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 06/2021

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