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Urban Jungle: Lass dich Pflanzen!

Grünes Gold: Instagram, Pinterest & Co. sind voll von Interior-Design, das mehr an einen Dschungel als an ein Wohnzimmer erinnert. Grund genug, dem anhaltenden Trend zu Zimmerpflanzen auf den Grund zu gehen.

16.02.2021 - By Sandra Keplinger

Wenn dieser Tage vom »grünen Zuhause« die Rede ist, geht es nicht nur um Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Man darf das Thema ruhig wörtlich nehmen. Der Hype um Hauspflanzen nimmt mittlerweile ungeahnte Ausmaße an. Wir sprachen mit »Plantfluencer« und Designer Craig
Miller-Randle darüber, wie es zu diesem Hype kam und was Zimmerpflanzen so viel attraktiver macht als Schnittblumen. 

Craig Miller-Randle, Designer & Influencer

»Ich empfinde Schnittblumen schon fast als Absurdität!«

LIVING: Die Welt ist plötzlich verrückt nach tropischen Pflanzen, Instagram ist voll davon! Wieviel hat Covid mit diesem Phänomen zu tun?
Craig Miller-Randle:
Sehr viel, denke ich. Plötzlich saßen wir alle zu Hause fest – und für viele gab es diesen Moment der Erkenntnis, wie wichtig das Zuhause in unserem Leben und für unser Glück eigentlich ist. Man kennt das ja: Wenn man eine sehr stressige Zeit hat, will man am Wochenende einfach nur raus aus der Stadt, aufs Land, in die Natur!

Und jetzt ist das viel schwieriger …
Ja, egal, ob man in die Berge will oder, wie in meinem Fall, an den Strand: Das Ziel ist für die Städter immer die Natur. Wer will schon zur Erholung in eine große Stadt flüchten? Deswegen ist es nur logisch, dass man sich die Natur nach Hause holt. 

Wenn man sich die Arbeit von großen, etab-lierten Interior-Designern ansieht, sieht man allerdings noch immer relativ wenig Grün im Indoor-Bereich. Woran liegt das?
Ich glaube, die meisten hinken da noch etwas dem Zeitgeist hinterher. (lacht) Die haben einfach etwas anderes gelernt. Ich merke es ja bei der Nachfrage nach meinen eigenen Design-Pieces: Die Leute wollen wissen, wie sie den Platz für Pflanzen am besten nützen können – der Trend geht stark in die Richtung, dass man Wohnungen oder teilweise sogar ganze Gebäude mit Pflanzen ausstattet. Ich habe das Gefühl, dass viele Interior-Designer diesen Trend noch nicht erkennen. Für mich persönlich ist ihr üblicher Zugang zu Interior-Design fast etwas langweilig geworden. Veränderung ist gut – auch wenn es um den eigenen Stil geht. Ich hoffe, dass jetzt eine neue Generation an Innenarchitekten heranwächst, die lebendige Dinge in ihre Entwürfe integriert.

Liegt der Mangel an Hauspflanzen auch am fehlenden Wissen über die Pflege?
Das könnte ein Grund sein, aber ich weiß nicht, ob es eine gute Ausrede ist. Der Mangel an Licht ist vor allem im Winter in Europa ein Thema, aber es gibt viele Pflanzen, die für schlechte Lichtsituationen geeignet sind. Eine Sansevieria ist beispielsweise sehr tolerant, pflegeleicht und hat einen sehr skulpturalen, modernen Look. Ich sammle ja Raritäten, die oft nicht so pflegeleicht sind. Ich würde mich aber auch mit gewöhnlichen Spezies wie der Sansevieria wohlfühlen, wenn das Design passt. 

Früher dachte man bei Raritätensammler eher an Pensionisten in Vereinen, die Pflanzen tauschen. Ist dieses Thema schon im Mainstream angekommen?
Es scheint sich jedenfalls auszubreiten. Die Nachfrage nach Pflanzen wie einer Monstera Variegata oder diversen seltenen Philoden­dren und Anthurien ist enorm! Es wird na­türlich immer – unabhängig vom aktuellen Trend – Menschen geben, die hier recherchieren und Geld in die Hand nehmen. Aber man sieht allein an der Preisentwicklung mancher Gattungen, wie stark das Interesse gestiegen ist. (Anm.: Pflanzen wie Philoden­dron Spiritus Sancti oder Monstera Obliqua werden im Netz teils um fünfstellige Beträge versteigert.) Und ich merke es stark an meinen Followerzahlen auf Instagram, die im letzten Jahr von 20.000 auf über 180.000 gestiegen sind.

»Egal, ob man in die Berge will oder an den Strand: Das Ziel für die Städter ist immer die Natur. Wer will schon zur Erholung in eine große Stadt flüchten?«

Craig Miller-Randle über den Grund, warum man sich die Natur nach Hause holt

Wie schafft es ein Pflanzensammler, die Fülle an Grün zu Hause schön zu inszenieren, ohne dass es unaufgeräumt aussieht? 
Man sieht gerade viele Urban Jungles, die sehr bohemian aussehen, aber oft nicht modern. Ich bin eher ein minimalistischer Typ – was natürlich ein Problem ist, wenn die eigene Pflanzensammlung eine gewisse Größe erreicht hat. (lacht) Mein Tipp für Menschen, die gerade dem Hype verfallen, ist: Kaufe immer den Topf zuerst, behandle ihn wie ein Möbelstück Überlege, wo die Pflanze stehen soll und welcher Stil am besten zum Interior passt. Der allerletzte Schritt ist, die eigentliche Pflanze zu kaufen. 

Was sind typische Fehler? 
Viele haben zuerst die Pflanze und suchen dann den passenden Topf dazu aus, ohne an die Einrichtung zu denken. Sie paaren also die Pflanze mit dem Topf, nicht den Topf mit dem Interior – und überlegen erst dann, wo der perfekte Platz für die jeweilige Paarung ist. Das Bezugssystem muss aber immer die Einrichtung sein!

Wie geht es Ihnen mit Schnittblumen? Die sind schließlich oft die einzigen Pflanzen in einem Zuhause …
Ich habe in meinen frühen Zwanzigern bei einem Floristen gearbeitet, der natürlich auch Schnittblumen hatte. Einige Zeit habe ich sehr gerne mit ihnen gearbeitet. Wenn ich heute einen Blumenstrauß sehe, denke ich allerdings: Ach, wäre es nicht schön, die ganze Pflanze zu haben, die in einem Jahr noch immer lebt? Ich empfinde Schnitt­blumen schon fast als Absurdität!

Sie sehen also nur den Tod, wenn Sie einen Blumenstrauß ansehen?
Irgendwie schon. Aber man kann schon beobachten, dass immer mehr Blumenläden Zimmerpflanzen im Sortiment haben. Es geht also in eine gute Richtung. 

Auch erwartbar bei den momentanen Marktpreisen, oder?
Ja – ein Bekannter hat letztens 2.500 Austra­li­sche Dollar für einen Steckling von einem
Anthurium Clarinervium mit zwei kleinen Blättern ausgegeben. (lacht) Es ist verrückt!

Pflegetipps

So überleben tropische Pflanzen das ganze Jahr zu Hause:

  • Die Luftfeuchtigkeit soll nie unter 50 Prozent fallen – besonders im Winter eine Herausforderung! Mehr ist mehr: Bei 70 Prozent fühlt sich das Tropengrün noch wohler. Ein Luftbefeuchter ist Pflicht – auch die Atemwege freuen sich.
  • Die Wurzeln dürfen nie austrocknen. Das Substrat sollte also viel Feuchtigkeit halten und trotzdem luftdurchlässig sein. Am besten funktioniert eine Mischung aus Kokos-faser, Perlit und Orchideensubstrat. 
  • Philodendron, Monstera & Co. klettern in der Natur an Baumstämmen empor und sind mit indirektem Licht zufrieden. Trotzdem muss man im Winter wegen des Sonnenstands mit Growlights nachhelfen.

Wild at Home: How to style and care for beautiful plants

Inspiration gefällig? Interior-Designer Hilton Carter gilt als Koryphäe in der Pflanzen-Szene. In seinem Buch »Wild at Home« zeigt er nicht nur tolle Inszenierungen, sondern gibt auch Anleitungen, wie diese lang schön bleiben. 
Verlag: Simon & Schuster
Preis: 25,– Euro

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