© Engel & Völkers Palma Centre/Architektur & Innenarchitektur: OHLAB

Unten angekommen: Wohnen im Erdgeschoß

Wohnen im Erdgeschoß ist um einiges besser als sein Ruf. Immer mehr Mieter und Käufer sehen darin eine hochqualitative Wohn-Option. LIVING hat sich unter Experten umgehört und einige Best-Practice-Beispiele gesammelt.

19.05.2021 - By Manfred Gram

Fakten auf den Tisch: Erdgeschoßwohnungen haben nicht unbedingt die besten Karten, wenn es darum geht, Vor- und Nachteile bei einer Miet- oder Kaufentscheidung abzuwägen. Auf Straßenniveau, heißt es, sei die Privatsphäre eingeschränkter, es kommt weniger natürliches Licht in die Räume, dafür hat man mehr Straßenlärm und wenn’s blöd hergeht auch noch die Einbrecher im Haus. Zudem ist man auch in puncto Heizkosten manchmal im Nachteil. Vor allem Altbauten in der Stadt haben diesbezüglich nicht unbedingt den besten Leumund. 

Allerdings gibt es auch andere Stimmen. »Erdgeschoßwohnungen haben einige Eigenschaften und Vorteile, die von unseren Kundinnen und Kunden auch stetig nachgefragt werden. Dazu zählen etwa der komfortable Zugang zur eigenen Terrasse oder zum eigenen Garten sowie die Barrierefreiheit, ohne Stiegen und Lift in die Wohnung zu gelangen«, erzählt etwa Peter Friedrich Berchtold, Vertriebschef beim Bauträger BUWOG aus der Praxis. Vorbei sind die Zeiten, in denen bei großen Neubauprojekten im Erdgeschoßbereich prinzipiell Gemeinschafts-, Fahrrad- und Müllräume oder Garagen eingeplant wurden.

Zudem hat sich auch demografisch etwas verschoben, wie der Experte berichtet: »Wurden Erdgeschoßwohnungen früher vorwiegend von Familien mit Kindern nachgefragt, ziehen jetzt auch Alleinstehende und ältere Personen im Ruhestand diesen Wohnraum in Betracht, der vor allem auch Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten bietet.«

Im Best-Case-Szenario – wie bei einem spannenden Revitalisierungsprojekt auf Mallorca – findet sich dann im Innenhof ein hausinterner Spa-Bereich mit Pool und Sauna. Patio de luxe quasi. Worauf man aber achten sollte, weiß Berchtold ebenfalls aus seiner Erfahrung: »Die Erdgeschoßwohnung sollte über gute Austrittsmöglichkeiten und große Glasflächen verfügen. Denn in unteren Etagen sind die Lichtverhältnisse nicht immer optimal. Da gilt es vor einem Kauf- oder Mietabschluss genau hinzusehen.« 

Eben

Unterm Strich könnte man also sagen: Wohnen im Erdgeschoß ist besser als sein Ruf und wird zudem zu einer Alternative im urbanen Raum. Mitunter auch, weil vermehrt Geschäftsflächen in Erdgeschoßen leer stehen und diese Räume, umgewidmet und saniert, als Wohnfläche denkbar sind. Ist das die Lösung von Wohnraumproblemen in Städten?

Ganz so einfach ist es  nicht, wie Markus Kaplan vom Wiener Architekturbüro BWM erklärt: »Die Erdgeschoßzone belebt Gebäude, die Umgebung und die Straße. Deswegen plant man üblicherweise Geschäfte und Lokale in diesen Bereichen. Eine Stadt ist tot, wenn die Erdgeschoßzone tot ist. Deswegen sollte man prinzipiell vermeiden, hier Wohnraum zu schaffen«, findet der Architekt deutliche Worte. Allerdings sieht er auch die Notwendigkeit, Nebenstraßen zu beleben. Und hier bietet sich für Kaplan die Erdgeschoßzone an. »In urbanen Kulturen wie in Amsterdam, London oder New York funktioniert das. Hier ist das Erdgeschoß auch traditioneller Wohnraum.« 

Dass dies auch in Österreich durchaus funktionieren könnte, zeigen in Wien schon seit fast zehn Jahren die »grätzlhotels«. Für das innovative Nächtigungskonzept werden leerstehende Straßenlokale in hippe Hotelunterkünfte umgebaut. Gäste wohnen nicht nur ebenerdig, sondern sind tatsächlich gleich mitten im Grätzelgeschehen. Etwa am Karmelitermarkt oder am Meidlinger Markt. Dabei wird mit Geschäften und Lokalen im jeweiligen Grätzel kooperiert und so das Fehlen klassischer Hotel-Features wie Bar, Restaurant oder Lounge kompensiert. Die Architektencrew von BWM fungiert bei den »grätzlhotels« im Zusammenschluss mit weiteren Hotelprofis und Architekten auch als Betreiber. 

Wenn temporäres Wohnen im Erdgeschoß gut angenommen wird, spricht – zumindest abseits belebter Ecken – kaum etwas dagegen, Leerstand zum Wohnraum umzuwidmen. »Es ist auch nachhaltiger die vorhandene Baustruktur zu nutzen und auf diese Weise den Wohnraum zu verdichten«, meint Markus Kaplan.

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