© Michael Weber

Überfluss des Notwendigen – 100 Jahre Art déco

Von den Roaring Twenties in die Twenty-Twenties: Pünktlich zu seinem hundertsten Jubiläum ist Art déco wieder zurück. Jener Stil, der Dynamik. Geometrie und ­schimmernde Opulenz verbindet. New Yorker Hochhäuser, Pariser Bars, Möbel, Luster und sogar ein Zug – die Renaissance ist unaufhaltbar.

26.09.2022 - By Maik Novotny

Im Jänner 2020 gab die US-Kongressab­geordnete Alexandria Ocasio-Cortez via Instagram bekannt, dass sie sich einen kleinen Hund angeschafft habe. Einen French Bulldog. So weit, so alltäglich. Un­gewöhnlicher war der Name des neuen Haustiers: Deco. Eine Hommage, so die stets stilsichere Demokratin, an ihren bevorzugten Designstil: Art déco. Denn, so ihre Erklärung: »Er steht für Optimismus, sozialen und technischen Fortschritt und ist ein fixer Bestandteil der Architektur von New York

NERV DER ZEIT

Über die Ästhetik eines French Bulldog kann man geteilter Meinung sein – als elegant und stromlinienförmig gilt er eher nicht –, aber ansonsten kam Ocasio-Cortez mit ihrer Namenswahl genau zur rechten Zeit. Knapp vor dem hundertsten Jubiläum des Stils ist eine weltweite Renaissance des Art déco zu vermelden. Aus der Taufe gehoben wurde er 1925 bei der internationalen Ausstellung dekorativer Künste in Paris, von wo er sich in Windeseile ausbreitete. Sein Mix aus den damaligen Trends Kubismus, Ägypten, Futurismus und Konstruktivismus traf perfekt den Nerv der Zeit.

Am besten mit Badehaube Das Hallenbad aus dem Jahr 1929 im Pariser Hotel »Molitor«, denkmalgeschützt und sorgfältig restauriert. molitorparis.com

© Sebastien Giraud

Wie im Film

Luster von Selamat Design.

Glam und Geometrie

Der Tea Trolley »Enzo«, entworfen von den portugiesischen Designern Jetclass.

Kork und Kanten

Art-déco-Hocker von ALPAX mit Aluminium und Chrom.

Steampunk für den Nachttisch

Die Lampe »Lily« von Dutchbone mit Messing und Mattschwarz.

© Falstaff - Kann Produktplatzierung enthalten

Ein Drink auf die Symmetrie Mondäne Eleganz: die von André Fu designte Bar im »St. Regis« Hongkong. marriott.com

© Michael Weber

Die Parallelen zu unseren Zwanzigern liegen auf der Hand: Pandemie, Krise, Unsicherheit, eine Welt im Wandel. Die Lust nach den schönen Dingen als Ausgleich. Dass Art déco seit zwei Jahren wieder im Trend ist, dürfte aber auch andere Gründe haben: eine Übersättigung an geschmackvoll-gemütlichem Hygge-Minimalismus skandinavischer Art und die Tatsache, dass sich, wie Designexpert:innen sagen, Art-déco-Elemente sehr gut mit anderen Interieurs kombinieren lassen. Man muss sich also kein komplettes Makeover leisten – gute Nachrichten, denn Art-déco-Originale aus den 1920ern und 1930ern gehen bei Sotheby’s und Christie’s für bis zu siebenstellige Summen über den Auktionstisch.

Wer jedoch genügend Budget hat – so wie die Kunden Dior und Fendi – kann sich von den italienischen Designern Dimorestudio Räume entwerfen lassen, die bis zum letzten Goldtupfer die ganze Art-déco-Pracht wieder aufleben lassen. Auch das kleine Pariser Café »Burlot« wurde von ihnen mit einem 20er-Jahre-Hauch belebt: Wände in Blau und Dunkelgrün, dazu Akzente in Gold und dunklem Orange, sehr viel Palmenwedel, sowohl grafisch in den Sitzbezügen als auch in echt. Ein Traum für ­Agatha-Christie-Fans dürfte der Orientexpress »La Dolce Vita« werden, dessen glamourös ausgestattete ­Waggons ab 2025 rollen sollen.

Reisen mit Stil Art-déco-Glamour, neu aufgegleist: der von Dimorestudio entworfene Speisewagen des neuen Orientexpress »La Dolce Vita«, der ab 2025 unterwegs sein wird. dimorestudio.eu

© Orient Express

Einen besonderen Bonus haben originale Art-déco-Bauten, die heute wieder im neuen Glanz erstrahlen. 2019 kauften die Signa Holding und RFR mit dem Chrysler Building die symbolische Art-déco-Ikone Nummer eins, einige Querstraßen weiter wurde das wuchtige Bürohochhaus aus dem Jahr 1931 mit der Adresse One Wall Street zu Luxus­apartments umgemodelt, das Hotel »Molitor« in Paris, 1929 als Hallenbad erbaut und 1989 geschlossen, ist heute ein Fünf-Sterne-Hotel, von Designer Jean-Philippe Nuel mit Respekt vor der Geschichte neu ausgestattet. Und den Pool gibt es natürlich auch noch. Manches ist eben zeitlos.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 06/2022

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