© Philippe Fragniere

Zwischen Classic Blue, überbordenden Naturerlebnissen und totaler Asymmetrie – die Key-Trends 2020 zeigen sich vielseitig, sorgen dabei aber für Spannung und Optimismus in den eigenen vier Wänden.

31.01.2020 - By Manfred Gram

Seit über 20 Jahren verleiht der amerikanische Farbhersteller Pantone den Titel »Farbe des Jahres« und beeinflusst damit die Design-, Kunst- und Modewelt gleichermaßen. Für 2020 fiel die Wahl auf Blau. Genauer: Classic Blue. So richtig überrascht war ob dieser Wahl niemand. Blau ist in unserer Gesellschaft einfach omnipräsent. Digitale Weltkonzerne wie Facebook, aber auch aberwitzig viele andere IT-Start-ups setzen auf diese Farbe in ihrer Unternehmens-CI. Zudem lässt sich auch eine gewisse Gefälligkeit nicht abstreiten, geben doch gut 80 Prozent der Bevölkerung an, dass Blau ihre Lieblingsfarbe sei. Eine Farbe – so die gängige Interpretation von Psychologen – die für Harmonie und Geborgenheit steht, aber auch Struktur und Ordnung symbolisiert. 

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Warum Blau?

Die Wahl auf Blau fiel also nicht aus dem Nichts, wie Leatrice Eiseman, CEO bei Pantone, mitteilt: »Die heutige Zeit verlangt Vertrauen und Hoffnung. Der klassische Blauton ›Pantone 19-4052 Classic Blue‹, ganz geprägt von Konstanz und Verlässlichkeit, strahlt genau diese Zuversicht aus.« 

Die Trendforscherin und Wohnexpertin Oona Horx-Strathern vom Zukunftsinstitut hat gerade den jährlichen Homereport veröffentlicht und sieht noch einen anderen Grund für den blauen Vormarsch. »Blau ist die Farbe der Erde vom Weltall aus gesehen, und mit der Blue Economy gibt es ein starkes Schlagwort, das ein Wirtschaftssystem fordert, das sich eng an der Natur orientiert.« 

In Zeiten, in denen Millennials und die Generation Z an Freitagen für eine vernünftige Zukunft protestieren, wird Blau, die Farbe der Welt, also auch gerade zur Farbe der Umwelt und Natur umgedeutet. Dieses breitenwirksam neu entdeckte Ökobewusstsein gibt es nicht nur im Farbbereich. So wächst etwa gerade die Nachfrage nach schadstoffarmem und klimaneutral produziertem Interior, denn Nachhaltigkeit ist chic. Selbst das gehäufte Auftreten von Abrundungen und Bogenformen bei Möbeln und Wohnaccessoires, die dann gerne einmal eine Spur größer designt werden, das Comeback von Teppichen mit viel Flor oder der vermehrte Einsatz von flauschigen Materialien wie Shearling lassen sich damit erklären. »Wir sehnen uns eben vermehrt nach authentischen, gemütlichen Formen, und wir umgeben uns daher gerne mit Gegenständen, die handgemacht und echt wirken. Diesen Flintstone-Chic sieht man nun immer öfter«, erzählt Oona Horx-Strathern und ergänzt: »Unser Leben ist weitgehend urbanisiert, und wir suchen uns daher einen Ausgleich in unserer direkten Umgebung, der uns ein wenig erdet.« 

»Wir sehnen uns vermehrt nach authentischen, gemütlichen Formen und umgeben uns gerne mit Authentizität.«

Oona Horx-Strathern, Trendforscherin

Trendforscherin Oona Horx-Strathern. strathern.eu

© VYHNALEK.COM

Das Sideboard aus der »Orbis Collection« zeigt eindrucksvoll, wie man ohne Ecken Spannung evoziert. elenasalmistraro.com

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Circle of Life

So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass dieser neue Hang zur Natur und die Rückbe­sinnung auf Wesentliches und Wertiges noch auf anderen Ebenen befeuert werden. Zum Beispiel, wenn es um Materialien geht. Noch nie war es für Designer und Konsumenten gleichermaßen wichtig zu wissen, wo das Material herkommt, und dabei einen nachhaltigen Produktionskreislauf zu berücksichtigen. »Ein New-Eco-Chic bestimmt unser Verhalten und wir umgeben uns vermehrt mit Materialien, die uns daran erinnern, dass wir achtsam mit unserer Umwelt umgehen müssen«, analysiert Wohn- und Trendexpertin Horx-Strathern. 

Und das spiegelt sich beim Angebot wider. Einerseits entdecken findige Kreative unter
diesen Vorzeichen immer neue Möglichkeiten, Nachhaltigkeit zu inszenieren. Sie verwerten etwa Plastik aus dem Meer oder produzieren im 3D-Drucker Möbel aus Hausmüll. Andererseits findet man zu altbekannten Naturmaterialien wie Kork, Bambus, Jute oder Holz zurück. Vor allem Kork erlebt eine Art zweiten Frühling. Als guter, nachhaltiger Stoff für
Accessoires, Interiorstücke, Boden oder sogar Wandfliesen, mit Struktur und 3D-Optik. 

Wir verlassen die Erde

Allerdings gibt es keine Trends, bei denen das Pendel nicht auch in die andere Richtung ausschlägt. Schließlich soll es ja aufregend bleiben. In dieser Hinsicht macht auch 2020 keine Ausnahme und wartet dabei mit der einen oder anderen Überraschung auf. Denn bei der ganzen neu entdeckten Liebe zur Natur und zu unserem Planeten verlassen Designer die Erdatmos-phäre und suchen extraterrestrische Inspiration. So dienen das Weltall und die spacigen Ober-flächenstrukturen von Planeten und ihren Trabanten gerne als Blaupause für ganz irdische Designentwürfe von Lampen, Tischflächen und Teppichen. 

Und auch das – wenn auch geregelte – Chaos hat in nächster Zeit seine Daseinsberechtigung. Sah man in den letzten Jahren zahlreiche geometrische Formen und Muster, die uns allerorts begleiteten, gibt es nun einen neuen Hang zur Asymmetrie. Das können völlig aus der Form geratene, abstrakte Wandbehänge ebenso sein wie verrückte Sesselkreationen oder aufregende Oberflächenstrukturen. Das sorgt für optische Spannung und verströmt in den gelungensten Fällen sogar eine gewisse Lebensfreude. Das ist übrigens gar nicht einmal überraschend, wie Trendexpertin Horx-Strathern erzählt: »Wenn ein neues Jahrzehnt anbricht, gibt es immer einen kleinen Optimismusschub, der durch die Gesellschaft geht.« 

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