© Stefan Faullend

Thaddaeus Ropac: »Wir wollen die Zukunft mitgestalten«

Thaddaeus Ropac hat von Salzburg aus die Kunstwelt erobert. Der Galerist führt heute eines der international wichtigsten Galerien-Unternehmen. LIVING sprach mit ihm über den Fokus auf das Wesentliche, die Auswirkungen der Pandemie und Zukunftspläne.

14.09.2020 - By

LIVING: 1983 haben Sie in Salzburg begonnen. Die Villa Kast am Mirabellplatz ist heute Ihr Salzburger Stammhaus. Die Halle in der Vilniusstraße ergänzt hier als zweite Location. Bereits 1990 eröffneten Sie Ihre erste Pariser Galerie im Marais, 2012 folgte die große ehemalige Kesselfabrik in Pantin, im Nordosten von Paris. Ihr Team umfasst inzwischen über 90 Mitarbeiter, und 2017 haben Sie mit Ely House in Mayfair auch nach London expandiert. Warum haben Sie damals gerade das kleine Salzburg als Ausgangspunkt gewählt?
Thaddaeus Ropac: Mich hat an Salzburg gereizt, dass es mit Kultur verbunden ist wie sonst keine Stadt in dieser Größenordnung. Es war nicht nur die Musik, sondern vor allem auch, was Oskar Kokoschka mit der Sommerakademie erdacht hat. Max Reinhardt hat gesagt, die ganze Stadt ist Bühne. Und das spürt man bis heute. Die Kunst hat hier eine durchdringende Präsenz, wie man es in einer Großstadt so nie erleben kann.

Viele Messen, wie die Art Basel im Juni, zuletzt etwa die Frieze und Frieze Masters in London, mussten abgesagt werden. Wie lassen sich solche Ausfälle kompensieren?
Ich glaube, wir müssen einfach versuchen, die Menschen wieder in die Galerien zurückzu­holen. Die Messen haben schon einiges an Galerienbesuchen ersetzt. Auf den Messen sind wir zusammengepfercht auf wenigen Quadratmetern mit einem schlechten Boden, mit einem schlechten Licht, mit wackeligen Wänden. In den Galerien achten wir darauf, dass die Kunst perfekt präsentiert wird, unter den bestmöglichen Konditionen. Auf den Messen wird das auf ein gerade noch erträgliches Maß reduziert.

Fehlen dem Kunstbetrieb ohne diese Foren, aktuell besonders auch hier in Salzburg mit den stark reduzierten Festspielen, nicht die Möglichkeiten zu repräsentieren?
Nein. Wir merken doch gerade, dass das nicht so wichtig ist. Man konzentriert sich auf die Kunst, auch beim Besuch in der Galerie. Man kann Salzburg in seiner Grundqualität viel besser erahnen. Nach Bayreuth geht man wissend, dass es kein Rahmenprogramm gibt. Man pilgert zum Heiligen Gral. Gelegentlich wird behauptet, in Salzburg werde das Rahmenprogramm übergewichtet. Der heurige Sommer ist der beste Beweis dafür, dass das nicht stimmt.

»In Asien liegt die Zukunft, was die Märkte betrifft, und weil es auch ein unglaubliches Potenzial an Künstlern gibt.«
Thaddaeus Ropac, Galerist

Während des Lockdowns haben Sie Ihre Ausstellungen in virtueller Form ins Netz gestellt, etwa die Daniel-Richter-Präsentation. Auch die aktuelle Ausstellung »Für Walther von der Vogelweide«, die in der Villa Kast eine neue Werkserie von Anselm Kiefer präsentiert, ist online zu sehen. Wie hat die Pandemie den Online-Bereich beeinflusst?
Wir haben sehr viel gelernt und profitiert. Wir haben schnell reagiert und bereits Ende März die Kommunikationsteams in London, Paris und Salzburg verdoppelt. Die haben vieles gefunden und erfunden, was wir inzwischen auch wieder abgesetzt haben, weil es nur in dieser Zeit interessant war. Aber einiges werden wir mitnehmen. Wir glauben langfristig an das virtuelle Erleben von Ausstellungen, vor allem für jene, die uns nicht besuchen können. Wobei das physische Erlebnis viel wichtiger ist. Für mich ist es auch kein Ersatz. Wir wollen auf keinen Fall unsere Aktivität ins Netz verlegen, aber es nutzen, um die Kommunikation zu verbessern.

Wie lief der Verkauf über die Online-Ausstellungen?
Wir konnten von Daniel Richter einiges verkaufen. Das gleiche trifft auch auf Anselm Kiefer zu. Aber da kennen wir die Sammler gut, der Sammler kennt das Werk und vertraut uns. Es war niemand dabei, den wir im Netz kennengelernt haben.

Vor allem junge Künstler und auch viele Galerien haben enorme Einbußen durch die Pandemie. Sie eröffnen in Paris die Saison mit einer großen Benefizausstellung. Ist die Lage so ernst?
Ja, anscheinend ist es wirklich schlimm. Ich haben Ende April in »Le Monde« davon gelesen, dass mehr als die Hälfte der jungen Galerien im Herbst nicht mehr aufsperren werden. Es hat mich schockiert, und ich habe überlegt, was wir tun können. Wir haben hundert junge Künstler, die von jungen Galerien hauptsächlich aus Paris, Lyon, Marseille und Brüssel vertreten werden, ein­geladen, bei uns auszustellen. Wir haben dafür unser ganzes Ausstellungsprogramm noch einmal ver­schoben. 100 Prozent des Ertrages gehen an die Künstler und ihre Galerien. In Österreich haben wir den Salzburger Kunstverein ge­­be­ten, Künstler auszuwählen und haben be­gonnen 20 Grants von jeweils 5.000 Euro zu vergeben. Auch in London denken wir gerade über Unterstützung nach. Es geht jetzt darum, Solidarität zu zeigen.

Hatten und haben es die großen Player auf dem Kunstmarkt auch in der Krise leichter als die kleinen und mittleren?
Ich glaube, die großen Galerien, die die prominenten Künstler vertreten, sind weniger betroffen. Wir hatten sehr gute Jahre, und diese Reserven können wir jetzt einsetzen. Wir werden das ganz gut überstehen. Aber ich erinnere mich noch daran, als ich selbst angefangen habe. Das Problem ist, dass Mitte März der Shutdown begonnen hat, dann war es drei Monate akut, und jetzt kam schon der Sommer. Da ist, außer vielleicht in Salzburg, im Kunstbereich ohnehin Pause. So zieht sich das gleich einmal sechs Monate dahin, sodass viele von den jungen Galerien nicht mehr wissen, wie sie weitermachen sollen. Wenn also Hilfe notwendig ist, dann jetzt.

Merken Sie eine Zurückhaltung bei den Käufern, selbst wenn es sich um potente Sammler handelt?
Natürlich. Wobei sich die Preise in keiner Weise verändert haben. Es gibt weder einen Ausverkauf noch eine Reduzierung der Preisstrukturen. Das Volumen hat sich verändert. Die Menschen, auch wenn sie wohlhabend sind, sind vorsichtiger. Unsicherheit ist immer schwierig, für jeden Markt.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 05/2020

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