© Alessandro Grassani/NYT/Redux/laif

Stillstand in Mailand: Die wichtigste Möbelmesse, der Salone del Mobile, wurde aufgrund der Corona-Pandemie 2020 abgesagt. Was bedeutet das für die Teilnehmer aus der Designwelt? Wir haben uns umgehört und sind auf Verständnis und vorsichtigen Optimismus gestoßen.

01.05.2020 - By Maik Novotny

Mailand muss weitermachen«, so der Appell von Bürgermeister Giuseppe Sala am 25. Februar dieses Jahres, als sich abzeichnete, dass der Salone del Mobile im April nicht würde stattfinden können. Denn schon im Februar war Norditalien das europäische Corona-Epizentrum. Man beschloss, den Großevent um zwei Monate auf den 16. Juni zu verschieben. Die Reaktionen der Designwelt reichten von Verständnis bis zu Protest.

Wir erachten es als menschlich unpassend, in dieser Situation konzeptuelle Neuheiten zu präsentieren, wenn viele unserer Geschäftspartner um ihre Projekte bangen.

Michael Vasku und Andreas Klug Preciosa Lighting

Vollbremsung

Bald darauf zeichnete sich ab, dass auch dieser Termin nicht zu halten sein würde, als  Covid-19 zur globalen Pandemie wurde. Als der Salone del Mobile am 27. März bekannt gab, dass der Event erst im April 2021 stattfinden würde, überraschte das kaum jemanden. Die wirtschaftlichen Konsequenzen waren unabsehbar, zumal der Salone mit seinen knapp 400.000 Besuchern einen Umsatz von 120 Millionen Euro verzeichnet, plus 250 Millionen Euro für Hotellerie, Gastronomie und Begleitprogramme. Eine Vollbremsung für viele, die sich monatelang auf den Höhepunkt des Designjahres vorbereitet hatten.

Bei den Organisatoren selbst übt man sich in Optimismus und betont, dass das 60. Jubiläum den Salone 2021 zu einem ganz besonderen machen werde. Auch einige der besonders hart getroffenen lokalen Designfirmen echoten die Durchhalteparolen des Bürgermeisters. »Wir sind entschlossen, nicht den Mut zu verlieren«, so das Familienunternehmen Minotti. »Wir werden bald wieder mit voller Kraft am Start sein und den Launch unserer Kollektion 2020 bekannt geben.«

Solidarische Idee

Society Limonta, deren Store im Stadtviertel Brera ein Fixpunkt des Fuorisalone war,
reagiert mit einer solidarischen Idee: Kunden können sich online von den Storemanagern durch die Kollektion führen lassen. Ergeben sich daraus Umsätze, so gehen 20 Prozent
davon an eine Organisation, die italienische Spitäler unterstützt. 

Verständnis prägt die Reaktionen der europäischen Salone-Teilnehmer. »Unser Unternehmen ist bestrebt, so weit es in unserer Macht steht, die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen. Daher unterstützen wir natürlich die Entscheidung des Salone del Mobile, die Ausstellung
abzusagen«, so der Sanitärhersteller Laufen in einem Statement.

Digitale Kanäle

Doch für den Produktlaunch einer neuen Kollektion lässt sich schwer ein ganzes Jahr lang die Pausetaste drücken. Bei Vitra weicht man daher auf alternative Routen aus, wie Österreich-Geschäftsführer Thorsten Heiling erklärt: »Da die Messe 2020 nicht stattfinden kann, präsentiert Vitra die Neuheiten der Herbstkollektion ab Ende April 2020 weltweit in den lokalen Schauräumen und auf den digitalen Kanälen.«

Andere richten den Blick über die Branche hinaus auf die Gesamtwirtschaft, in der momentan alles in der Schwebe ist: »Der Salone ist für uns das wichtigste Event im Jahresverlauf der Design-Welt«, sagen Michael Vasku und Andreas Klug, die Creative Directors von Preciosa Lighting. »Jedoch ist dieser Ausfall zu vernachlässigen, verglichen mit den Folgen für unsere Zielbranchen, von denen Hospitality den größten Teil ausmacht. Selbst vor Covid-19 zeigten die Prognosen der nächsten Jahre keine prosperierende Tendenz.« Die Entscheidung über die Vorstellung der neuen Produkte behält man sich hier für später vor. »Wir erachten es auch als menschlich unpassend, in dieser Situation konzeptuelle Neuheiten zu präsentieren, wenn viele unserer Geschäftspartner um ihre Projekte bangen und Probleme haben, ihre Teams und Angestellten zu halten.«

Angesichts einer Krise, die alle Bereiche des Lebens umfasst, sei ein rein marktwirtschaftliches Denken momentan fehl am Platz, resümiert Hartmut Roehrig, CEO von Wittmann Möbelwerkstätten. »Vielleicht bietet die Zwangspause auch Chancen, weil uns bewusst wird, dass wir uns mehr um die Menschen kümmern sollten, die uns wirklich wichtig sind. Vielleicht war der Salone schon zu groß, zu schnelllebig, vielleicht hat man sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wir haben uns vorgenommen, noch mehr Nähe zu unseren Partnern im Handel zu suchen. Dafür bereiten wir auch digitale Tools vor, wie zum Beispiel einen virtuellen Messestand, mit dem wir in Augmented Reality genau das zeigen, was wir in Mailand auch gezeigt hätten.« Man sieht: Not macht nicht nur erfinderisch, sondern auch solidarisch. Keine schlechten Voraussetzungen für einen Neubeginn.

Vielleicht bietet die Zwangspause auch Chancen, weil uns bewusst wird, dass wir uns mehr um die Menschen kümmern sollten, die uns wirklich wichtig sind.

Hartmut Roehrig Wittmann Möbelwerkstätten

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