© Mark Cocksedge

Über die Zukunft spekulieren als Design­instrument. Die Designerin und Professorin Anab Jain schärft mit ihrer Arbeit den Blick auf die Zukunft. Für Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, gehört sie gerade deshalb zu den wichtigsten Figuren in der Designwelt.

06.03.2023 - By Lena Luisa Fuchs

Wir schreiben das Jahr 2071 und vielen Ökosysteme der Welt haben irreparable Schäden erlitten. In einer riesigen interaktiven Bibliothek werden mehr als 2.400 ausgestorbene
Lebensformen eindrucksvoll in Gläsern archiviert und für Besucher:innen präsentiert, um
an die Vielfalt früherer Zeiten zu erinnern. – Die großflächige ­Installation mit dem Titel »The Vault of Life« regt aktuell im ­Museum of the Future in Dubai (VAE) zum Nachdenken über Artensterben, Diversität und ­irreparable Klimaschäden an.

Ein gedecktes Bankett wartet auf seine illustren Gäste: einen Fuchs, eine Ratte, eine Wespe, eine Taube, eine Kuh, einen Menschen und ein Kind. Nachdem ihre Mitglieder den abrupten Klimawechsel auf der Erde überlebt haben, versammelt sich die Gruppe in dem zerstörten Umfeld zu einem ­gemeinsamen Essen, um neue Wege des Zusammenlebens zu finden – das außergewöhnliche Table-Setting mit dem Titel »Refuge for Resurgence« war zu sehen in der Hauptausstellung der Biennale Architettura, La Biennale di Venezia 2021.

In einem verbrannten Stück Wald keimt neues Leben. Auf einer kleinen Lichtung inmitten der abgestorbenen Bäume können Besucher:innen ihre ­Spiegelung in einem kleinen Gewässer betrachten und erste Anzeichen für die Wiederbelebung der Natur entdecken – die lebensgroße Installation mit dem Titel »Invocation for Hope« hat 2021 im Rahmen der Vienna
Biennale for Change im Wiener MAK für Aufregung gesorgt.

Über die Zukunft zu spekulieren und durch ein kritisches Nachdenken über eine scheinbar weit entfernte Zukunft Debatten in der Gegenwart anzustoßen, das ist das wesentliche Merkmal von Anab Jains Designpraxis. Die indisch-britische Designerin leitet gemeinsam mit ihrem Partner Jon Ardern das weltweit renommierte Speculative-Design-Studio Superflux in London, das unter anderem für die oben genannten Installationen verantwortlich zeichnet. Das Studio hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit inten­siver Recherchepraxis und ungewöhnlichen Designansätzen die Vorstellungskraft von Öffentlichkeit, Unternehmen und Organisationen zu erweitern.

Superflux

Anab Jain ist Designerin, Filmemacherin, Futuristin und Pädagogin. Sie ist in Indien aufgewachsen, wo sie Dokumentarfilm am National Institute of Design studierte. Danach zog sie nach London, um ihren Master am Royal College of Art zu machen, und arbeitete anschließend im Bereich Machine Learning bei Microsoft Research in Cambridge. Im Jahr 2009 gründete Anab Jain mit ihrem Partner Jon Ardern das Designstudio Superflux, das 2021 den »Design Studio of the Year«-Preis von Dezeen für Pionierarbeit im spekulativen Design erhielt. Die spekulativen Welten, die Superflux kreiert, werden weltweit ausgestellt und diskutiert: in China, im MoMA in New York, auf der Biennale di Venezia, im Barbican, im Vitra Design Museum und im V&A. Seit 2016 ist Jain Professorin an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 2022 erhielt sie für ihre Arbeit einen Ehrendoktortitel der University of the Arts, London. superflux.in

Seit 2016 ist Anab Jain Profes­sorin für Design Investigations (ehemals Industrial Design) an der Universität für angewandte Kunst Wien, wo sie ihr Designverständnis an junge Studierende weitergibt. Sie ist außerdem eine begnadete Vermittlerin, die weltweit zu Vorträgen und Veranstaltungen eingeladen wird. In einem viel ­beachteten Ted-Talk mit dem Titel »Why we need to imagine different futures« bringt sie Menschen die Zukunft ein Stück näher und eröffnet Perspektiven, um die Zukunft positiv zu beeinflussen. Anab Jains Arbeit ist motiviert von der akuten Notwendigkeit, neue Geschichten zu erfinden, die angesichts aktueller Krisen neue Perspektiven für Klimaschutz und Zusammenleben eröffnen: Geschichten über das Wiederaufleben der Ökologie und die gegenseitige Fürsorge für alle Arten. Die oft dystopisch anmutenden, immer großformatigen und körperlich erlebbaren Arbeiten der Designerin enden diesem ­Anspruch folgend auch nie in einer Sackgasse, sondern versuchen immer, über die gefühlte Ohnmacht hinaus Mut zu machen. Der ­Funken Hoffnung steht oft im Zentrum. Und genau darin liegt die Kraft, die diese besondere Design­praxis ausmacht und sie für den aktuellen Gestaltungs­diskurs so unverzichtbar macht.

Gerald Bast ist seit 2000 Rektor der Universität für angewandte Kunst in Wien. Nach Studien der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und Promotion zum Dr. iur. arbeitete er im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und in der Ludwig Boltzmann Forschungsgesellschaft. Als Rektor der Angewandten initiierte er neue, disziplinenübergreifende Programme in Lehre und Forschung und gründete das »Angewandte Interdisciplinary Lab«, das die Interkommunikation zwischen Kunst, -Wissenschaft und Technologie, Wirtschaft und Politik betont. In diesen Bereichen ist Bast auch als Autor und Vortragender bei internationalen Konferenzen tätig.

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