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»Neuengland hat einen wunderbaren gemütlichen, zufälligen Look«

Die beeindruckenden Newport Mansions des Gilded Age waren dazu konzipiert, mit großen Partys ihre Gäste zu unterhalten. Nach wie vor befinden sich einige von ihnen im Privatbesitz. LIVING erlebte das berühmte »Beaulieu House« in seiner glamourösen Pracht und traf seine stolze Besitzerin Diane Wilsey zum Talk über den Lifestyle einer sehr außergewöhnlichen Ära.

14.09.2022 - By Angelika Rosam

»Beaulieu House« ist nicht irgendein Haus. Im Jahr 1859 für den Diplomaten Federico Barreda im Stil eines französischen Schlosses erbaut, erstrahlt es nach wie vor als eine der ältesten noch im Privatbesitz befindlichen Mansions an der geschichtsträchtigen Bellevue Avenue. Der Nimbus des Glamours, der es einst umwehte, scheint auch heute nicht verblasst. Als wäre die Zeit stehen geblieben, taucht man hier in einen Lebensstil, der vor vielen Jahren in Newport existierte. In einem Anwesen des Gilded Age, das dazu konzipiert war, namhafte Gäste auf den eleganten Partys seiner Besitzer:innen willkommen zu heißen.

Auch das Grundstück von »Beaulieu« ist noch so erhalten, wie es der Landschafts-architekt Calvert Vaux ursprünglich angelegt hatte. Valerian Rybar, einer der teuersten Dekorateure der Welt, hatte man für das zeitlose Interieur engagiert. Und wie es das Schicksal es wollte, wurde nach namhaften Besitzern wie John Jacob Astor oder Cornelius Vanderbilt III. das berühmte Haus fast hundert Jahre später zum Wohnsitz eines weiteren Diplomaten: Wiley T. Buchanan, seines -Zeichens erfolgreicher Geschäftsmann und ehemals US-Botschafter in Luxemburg und Österreich, erstand das elitäre Anwesen als Sommerresidenz für sich und seine Familie.

Nach Jahrzehnten unvergesslicher Stunden, Monate, Jahre und Sommer ist »Beaulieu« zur Gänze in den Besitz der Tochter über-gangen. Diane Wilsey, kurz: Dede, eine der bemerkenswertesten Frauen San Franciscos, führt die gelebten Traditionen mit Söhnen, Schwiegertöchtern, Enkeln und Freund:innen unter ihrer charmanten Führung in »Beaulieu« fort. Und sie beherrscht die Klaviatur der Atmosphäre als Gastgeberin perfekt. Bombastisch drapierte Blumenarrangements im ganzen Haus, Dinner-Einladungen, Cocktails, interessante Gesellschaften – in »Beaulieu« weiß man eben, wie die Newport-High-Society unterhalten werden will.

Wilsey hätte sich aufgrund ihrer Herkunft zweifellos ausruhen können, doch ihr soziales Engagement und ihr Fleiß, der Welt etwas von ihrem privilegierten Lebensstil zurückzugeben, sollten ihr Dasein prägen. Ihre universelle Großzügigkeit für Schulen, örtliche Krankenhäuser, Kinder- und Gesundheits-organisationen brachte ihr eine respektierliche Reputation im heimischen Kalifornien ein. Dabei hat sie ihr Talent für Kommunikation und Geschäftstüchtigkeit ihren Söhnen weitervererbt. Trevor Traina, Spross aus der Ehe mit Reeder John Traina, trat in die Fußstapfen des Großvaters und agierte in der Ära Trump als US-Botschafter in Wien. Der -Bruder ist Filmproduzent.

LIVING sprach mit der erfrischenden Kunstmäzenin im Frühstücksraum des »Beaulieu House« über die Einzigartigkeit Newports und darüber, warum es so wichtig ist, sich mit der jungen Generation zu -umgeben, um fit und tatkräftig zu bleiben.

LIVING Ihre Eltern kauften »Beaulieu House« im Jahr 1961. Davor war es im Besitz der Astors und Vanderbilts. Ein sehr historisches Anwesen. Das muss für ein junges Mädchen sehr -aufregend gewesen sein …

Dede Wilsey Meine Eltern haben sich für das Interior des Hauses sehr engagiert, und es hat mir Spaß gemacht, ihnen dabei zuzusehen. Sie waren ein Jahr lang in Europa, um einzukaufen, und sie kamen mit schönen Dingen zurück. Es ist ein wunderbarer Prozess, zu sehen, wenn ein Haus Gestalt annimmt. Als ich hier ankam, gab es nur eine kleine Gruppe von Jugendlichen, aber sie waren sehr gastfreundlich und haben mich sofort aufgenommen, so dass ich mich wie zu Hause fühlte.

Was macht den lässig-eleganten, aber unaufdringlichen Lebensstil der »Newport Community« aus?

Die Gemeinschaft in Newport besteht aus mehreren Generationen von Menschen, die sich gut kennen. Diese vermischen sich sehr leicht und es ist eine angenehme Community, da man vom Großvater bis zum Enkel alle Beteiligten kennt. Auch die Gemeinsamkeiten sind hier enorm: man segelt, spielt Golf, schwimmt oder genießt die Natur.

Auch das exklusive »Clubleben« hat hier eine ganz besondere Bedeutung. Ist es überhaupt möglich, hier als »Newcomer« Mitglied zu werden?

Es wäre sicherlich besser, hierher zu ziehen und sich mittels eines Bekannten in die Gesellschaft einführen zu lassen. Dies ist eine sehr kleine Gemeinde, und die meisten Aktivitäten finden im Yachtclub, im Beach Club oder im »Clambake Club« statt, wo man zu Mittag und zu Abend isst. Einige Leute hier sind dennoch nicht so am Clubleben interessiert, da sie sich große Häuser gebaut haben und sich ihr Privatleben hinter dieser Kulisse abspielt. Es ist unwahrscheinlich, dass man einen von ihnen treffen wird.

Die Partys, die damals gefeiert wurden, müssen genial gewesen sein. Wird heute noch in diesem Ausmaß gefeiert? Gibt es bestimmte Stilregeln, die heute noch eingehalten werden?

Die Partys in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren waren absolut fabelhaft. Jeden Abend trug man Smoking und ein langes Abendkleid. Die Herrschaften traten zusammen als Ehepaar auf, dann zogen sich die Ladys mit ihresgleichen in einen Raum zurück, die Herren genossen einen ­Brandy und Zigarren in der Bibliothek, um dann schließlich wieder zum Dinner als Couple aufzutauchen. Dieser Brauch ist in den Hintergrund getreten. Viele der eleganten Leute sind nicht mehr unter uns, und ich denke, das ist der Hauptgrund dafür, dass sich die Art und Weise, wie man heute unterhält, verändert hat.

Welche Traditionen gibt es in den »großen Häusern« von Newport bzw. welche Traditionen der Vergangenheit werden heute noch fortgeführt?

Glücklicherweise sind viele der großen Häuser, die noch existieren, im Eigentum von Familien, die das Haus seit Generationen besitzen. Das gibt uns Stabilität und ein Gefühl der Einheit mit der Familie im Haus. Der Gedanke, dass meine Enkel und wahrscheinlich auch Urenkel noch in diesem Haus leben werden, wenn ich nicht mehr bin, ist für mich sehr beruhigend. Leider ist eine ganze Generation von Menschen, die hier lebten und sehr elegant waren, als ich jung war, nicht mehr hier. Das hat zu einer viel weniger formellen Atmosphäre geführt. Jetzt hat die junge Generation übernommen, das hat aber natürlich auch seinen Reiz.

Das Aussehen des »Beaulieu House« wurde einem französischen Schloss nachempfunden. Noch ­heute hat man das Gefühl, dass hier die Zeit ­stehen geblieben ist. Was ist der Reiz daran?

Ich denke, dass die Leute gerne in dieses Haus kommen, da es für ein Privathaus sehr einzigartig ist. Sie lieben die Förmlichkeit, auch wenn sie in ihrem eigenen Haus vielleicht nicht so leben.

Gibt es Dinge, die Sie trotzdem verändert haben?

Das muss ich ständig, vor allem Reparaturen, damit das Haus in Schuss bleibt. Allerdings habe ich darauf geachtet, dass alles, was ich verändere, genauso aussieht wie vorher. So bleibt die ­Ausstrahlung ident.

Haben Sie einen Lieblingsraum?

Das ist fraglos der Frühstücksraum. Denn ich habe so viele Stunden, so viele Tage, so viele Monate, so viele Jahre damit verbracht, in ­diesem Raum mit Familie und Freunden zu sitzen, um Geschichten auszutauschen. Wir nutzen ihn für das Frühstück, wir nutzen ihn für kleine Mittagessen oder kleine Abendessen. Sie können sich gar nicht ­vorstellen, wie viele Informationen dieser Raum im Laufe der ­Jahrzehnte aufgesogen hat!

Die palastartige Einrichtung ist in Newport in den großen, alten Villen und besonders in der Bellevue Avenue weitverbreitet. Was sind die besonderen Merkmale dieses Stils und welche großen Villen waren die ersten Vorbilder für diesen Stil?

Es hat mit dem frühen Gilded Age, wie man es nennt, begonnen. Damals, so scheint es, ­wollte jeder ein Haus bauen, das größer und prächtiger war als das seines Nachbarn, und man hatte damit auch Erfolg.

Das »Marble House« zum Beispiel ist ein Wahrzeichen, weil es das erste Haus war, das aus Stein gebaut wurde. Welche anderen Wahrzeichen gibt es in Newport?

Tatsächlich gibt es eine Reihe von Steinhäusern wie das »Breakers«, das »Château-sur-Mer« oder das »Rosecliff«. Der Denkmalschutzverein von Newport besitzt, denke ich, elf Häuser,
die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. So hat man die Möglichkeit, eine Reihe verschiedener architektonischer Stile zu sehen, die alle zu dieser Gegend passen. Und natürlich kommen die Touristen gerne, um »The Elms« und einige der anderen Häuser zu sehen, die ich gerade erwähnt habe. Es sind wirklich schöne Häuser, aber nichts, in dem man heute leben könnte.

Was macht Newport so besonders im Vergleich zu anderen amerikanischen Strandurlaubsorten?

Newport ist anders, da es das Zentrum des Gilded Age an der Ostküste war.

Wie oft im Jahr und wie lange verbringen Sie Zeit in Newport?

Ich bin jedes Jahr im Juli und August hier. Am Anfang des Jahres sehe mir den Zustand des Hauses an – bis zum Sommer lasse ich alles Notwendige reparieren. Natürlich ist es auch im September wunderbar in Newport. Aber das ist eine Zeit, wo ich in San Francisco sein muss.

Könnten Sie sich vorstellen, von San Francisco nach Newport zu ziehen?

Nein, denn im November ist es kalt und im Mai schneit es manchmal sogar! Newport ist ein Platz für Sommerresidenzen. Es gibt hier im Winter keine kulturellen Aktivitäten, die ich wirklich mag, wie die Oper, das Ballett, die ­Symphonie, das Theater und einfach die Dinge, die eine große Stadt bieten könnte. Außerdem wären das Heizen des Hauses und der Strom­verbrauch, wenn es um 4:30 Uhr nachmittags ­dunkel ist, horrend teuer und eine ziemliche Geldverschwendung.

Bestimmte Teile Neuenglands sind generell bezaubernd, auch in der Innenarchitektur – was ist das Geheimnis für diesen ganz besonderen Charme?

Ich finde, Neuengland hat einen wunderbaren gemütlichen, zufälligen Look. Nichts sieht zu neu aus, aber alles sieht so aus, als könnte man in einen Sessel oder ein Sofa sinken und es sehr, sehr bequem haben. Es gibt natürlich auch sehr formelle Häuser wie meines, aber »Beaulieu« hat mehrere Plätze, an denen man die Füße auf das Sofa oder den Couchtisch legen kann, ohne das Gefühl zu haben, dass man einen Fehler macht.

Sie haben eine so wunderbare positive Ausstrahlung, sind so erfrischend und eine zielorientierte Persönlichkeit. Welcher Geist treibt Sie an? Was hält Sie jung?

Ich liebe es, mit Menschen aller Art zusammen zu sein, das ist wichtig für den Geist. Ich bin immer noch Vorstandsvorsitzende zweier ­Museen und engagiere mich aktiv in anderen Wohltätigkeitsorganisationen wie der Oper und dem Ballett, was meiner Meinung nach sehr wichtig ist, damit das Interesse erhalten bleibt und man versteht, was in der heutigen Welt vor sich geht. Selbst wenn man es nicht mag, sollte man es wissen. Es ist wichtig, stets am Ball zu bleiben und sich mit jüngeren Leuten zu umgeben, wenn man kann. Die junge Generation ist so unglaublich inspirierend für mich.

Die Menschen lieben Sie auch wegen Ihrer ­philanthropischen Aktivitäten. Woher kommt Ihr Wunsch, etwas zurückzugeben?

Mit 17 und 18 Jahren hatte ich das große Glück, sozusagen in den richtigen Stubenwagen geboren zu sein. Meine Familie war wohlhabend und sie glaubte an Philanthropie. Uns wurde immer beigebracht, dass man, wenn man das Glück hat, in der Position zu sein, in der wir sind, den weniger Glücklichen etwas zurückgeben soll. Und ich glaube fest daran. Ich engagiere mich auch für Wohltätigkeits­organisationen in Newport, weil dies mein Sommerhaus ist und mir die Gemeinde am Herzen liegt.

In Newport gibt es ein Sprichwort: »Alle Wege führen nach Newport.« Wie denken Sie darüber?

Ich denke, wenn man bestimmte Interessen hat, insbesondere Segeln, oder eine Vorliebe für alte Häuser oder die Geschichte Amerikas in seiner frühesten Zeit, dann führt der Weg tatsächlich nach Newport, da es hier so viel zu sehen gibt. Ich bin jedenfalls sehr glücklich, dass mich mein Schicksal hierher geführt hat. Und ich bin sicher, dass meine Kinder, ­Enkel und Urenkel und andere Generationen es genauso genießen werden wie ich.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 06/2022

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