© Antonio Lupi

Möbel aus Kunstharz: Natürlich künstlich

Aus Kunstharz lassen sich ungewöhnliche Möbel fabrizieren, die wie Skulpturen im Raum stehen. Ob als transparente Badewanne oder als glänzende Tischplatte, das Material ist vielseitig und flexibel - ebenso ein Thema beim heurigen Salone del Mobile. Obwohl es synthetisch ist, orientiert es sich am Harz, das Bäume schützt.

19.05.2023 - By Karin Cerny

Ein Tisch, der von einem Surfbrett inspiriert wurde? Eigentlich gar keine schlechte Idee, schließlich sind beide Oberflächen extremen Herausforderungen ausgesetzt und sollen möglichst lange halten. Der Tisch wird schnell zerkratzt, weil er jeden Tag zum Einsatz kommt, das Surfbrett wird von Salzwasser umspült, das seine Spuren hinterlässt. Die Niederländer Tom van Noesel und Tico Oudhuis sind leidenschaftliche Surfer, als Designer suchten sie nach einer Möglichkeit, ihre Boards vor der Erosion im Wasser zu schützen. Und kamen auf den
Gedanken, sie mit Kunstharz zu überziehen. 

GLÄNZENDE IDEEN

Daraus entstand die Idee für ein Möbelstück. In ihrem Designstudio Vanouds stellen sie handgefertigte Nussbaumtische her, deren Platten mit durchscheinendem Kunstharz überzogen sind. »Wir lassen uns von der natürlichen Silhouette des Baumes inspirieren. So ist jeder Tisch, der unsere Werkstatt verlässt, garantiert ein Unikat«, erzählen die beiden. »Manchmal funktioniert eine Kombination verschiedener Materialien so gut, dass man sich wundert, warum man sie nicht öfter sieht.« Kunstharz liegt im Trend, nicht nur weil es in Sachen Formen und Farben überraschende Akzente setzt. Obwohl das ungewöhnliche ­Material synthetisch ist, orientiert es sich an der Natur, wo das Harz Bäume schützt. Wenn die Rinde beschädigt wird, legt es sich wie eine Salbe um die gestressten Stellen und hilft bei der Heilung. Möbelstücke aus Kunstharz wirken wie gegossene Skulpturen. Sie haben den ­Charakter von Kunstwerken. Kein Wunder: Sogenannte Epoxidharze werden auch in der bildenden Kunst verwendet, so hat Franz West 2001 einen Maserati mit rosa Epoxidharz übergossen, auch das heimische Künstler­kollektiv Gelitin experimentiert gern mit diesem Material. Aber auch bei Möbeln sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ob als transparente Wanne, als stylisher Hocker oder als milchig gelbe Badezimmerlandschaft wie bei der australisch-niederländischen Designerin Sabine Marcelis, die für ein privates Wohnhaus in den ­Niederlanden vor schlichte Betonwände eine farbenfrohe Installation aus Wanne, Wand und Becken gestellt hat: alles aus einem Block, ­wuchtig und doch weich. 

Perfekte Welle Ursprünglich überzog das niederländische Designstudio Vanouds Surfbretter mit Kunstharz. Mittlerweile hat sich das kreative Duo auf Tische spezialisiert. vanoudsamsterdam.com

© Vanouds Amsterdam

Aus einem Block Die australisch-niederländische Designerin Sabine Marcelis hat eine Installation aus Wanne, Wand und Becken kreiert. sabinemarcelis.com

© beigestellt

ARCHITEKTONISCHES PUZZLESTÜCK

Auch bei den limitierten geometrischen Möbelentwürfen des griechischen Architekten und Designers Niko Koronis, der in Mailand lebt, sind die Grenzen zwischen Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand fließend. Ist es eine Bank oder ein architektonisches Puzzlestück? Inspirieren ließ sich Koronis von den modernistischen Entwürfen des italienischen Architekten Carlo Scarpa. Die »G«-Kollektion von Koronis umfasst Bank, Couchtisch, Konsolentisch und Hocker, der auch als Beistelltisch fungieren kann. Der Designer war auch vom Produktionsprozess begeistert, je nach Lichteinfall und Dicke des Harzes veränderte sich die Farbschattierung. Obwohl es ein künstliches Material ist, reagierte es eher organisch, meinte er. Wahrscheinlich bringt diese Beobachtung auf den Punkt, warum uns Kunstharz so fasziniert: Es ist perfekt natürlich künstlich. 

Lichtfänger »Cristalmood« nennt sich das neuartige Kunstharz, das für die durchsichtige Badewanne »Reflex« von AL Studio Design entwickelt wurde. antoniolupi.it

© Antonio Lupi

Space Age Das italienische Designduo Draga & Aurel verwendet farbiges Harz für Hocker und Beistelltische und erforscht dabei Retro-Futurismus. draga-aurel.com

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Geometrische Objekte Die »G«-Kollektion von Niko Koronis orientiert sich an den modernistischen Entwürfen des italienischen Architekten Carlo Scarpa. nikokoronis.com

© beigestellt

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 03/2023

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