© Edmon Leong

Mode aufgemöbelt: Fashion-Labels machen Möbel

Immer mehr Modelabels machen Möbel. Auch am Luxus-Sektor. Aber warum? LIVING hat sich die Home-Kollektionen angesagter Fashion Brands genauer angesehen und recherchiert, was der wirtschaftliche Aspekt dabei für eine Rolle spielt.

28.04.2021 - By Manfred Gram

Manchmal braucht es keine Lupe. Etwa dann, wenn es darum geht, eine gewisse Affinität zwischen der Welt der Möbel und der Welt der Mode zu erkennen. Zwar gibt es Differenzen, aber letztendlich sind Stil und Schönheit die Gemeinsamkeiten, die das Trennende in den beiden Disziplinen zu überwinden vermögen. 

Dementsprechend naheliegend ist und war es für die großen Fashion-Marken, das Interior-Segment zu bespielen. Eine Entwicklung, die in den letzten Jahren immer deutlicher geworden ist. Eine rezente Studie vom weltgrößten Marktforschungsinstitut »Research & Markets« liefert das Zahlenmaterial dazu. Es geht um 616 Milliarden Dollar, die der Möbel- und Interiormarkt aktuell wert ist. Und in den nächsten sechs Jahren soll das Volumen gar auf auf 838 Milliarden Dollar anwachsen. Das Luxus-Segment dieses riesigen Marktes macht dabei aktuellen Schätzungen zufolge gut 27 Milliarden Dollar aus. Verständlich, dass Fashion-Brands ihr Stück von diesem Kuchen wollen.

Sowohl im breitenwirksamen Großen – so hat gerade etwa die spanische Fast-Fashion-Kette Mango jetzt erstmals eine eigene Home-Kollektion lanciert – als auch auch im sehr exklusiven, distinktiven Kleinen. Labels wie Versace, Hermès, aber auch Dior erweiterten mit Interior-Stücken ihr Einzugsgebiet und zeigen mit ihren Wohninterpretationen auf inter­nationalen Messen Präsenz. Zwar machen die edlen Designeinrichtungen, gemessen an den Umsätzen, die Fashion-Brands mit Mode lukrieren, nur einen Bruchteil des monetären Gesamterfolgs aus, aber es steckt markenstrategisches Kalkül dahinter. Das Kaufverhalten hat sich verändert. Man erwartet von seinen Lieblingsbrands ein luxuriöses Full-Service für alle Lebensbereiche. 

»Die Verbraucher haben hohe Erwartungen an Qualität, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Alle Aspekte zusammen sind gute Argumente für eine anspruchsvolle Produktion aus dem Inland oder Europa in höherer Qualität zu höheren Preisen.«

Kristian Markus, CEO Joop! Living

Einfluss-Erweiterung 

Einer, der das schon sehr früh erkannte, war die Mode-Legende Giorgio Armani. »Die eigenen vier Wände sind eine Erweiterung unseres Wesens«, brachte Armani in der Vogue einmal die Beziehung zwischen Kleidung, Wohnen und Mensch den Punkt.

Bereits in den frühen 1980er-Jahren entwarf er – ganz kreativer Visionär – mit seiner elegant geometrischen »Logo-Lamp« einen ikonischen Leuchtkörper. Es dauerte allerdings bis ins Jahr 2000, ehe diese Design-Ambitionen unter dem Label »Armani Casa« gebündelt werden konnten. Dafür läuft’s jetzt aber. Mehr noch. Der Home-Collection-Gedanke wurde mit der Einrichtung eigener Armani-Hotels in Mailand und Dubai zu einer Art Wohnvisitenkarte sogar noch weiter vorangetrieben. Gerne erzählt man daher, dass man in Sachen Luxus-Möbel der Weltmarktführer sei. Trotz Pandemie, aus der man aber für die Zukunft etwas mitnimmt, wie der Oberboss zum Möbeljubiläum in der AD erklärt: »Design hat die Aufgabe, Intimität und Sicherheit zu schaffen. Während des Lockdowns haben uns die Objekte, mit denen wir uns umgeben, ›beschützt‹ und uns einen Alltag ermöglicht. Design muss künftig neue Lösungen finden, die sich unterschiedlichen Raumbedingungen anpassen und nachhaltig sind.«

Langfristige Bindung

Wenn Fashion-Labels Möbel machen, geht es aber auch darum, das Stilverständnis, für das die Marke steht und mit dem sie identifiziert wird, ins Wohn-, Schlaf- oder auch Badezimmer zu tragen. Es soll eine komplette Lifestyle-Erfahrung kreiert werden, die den Glanz der Modewelt auch auf Möbel- und Home-Accessoires strahlen lässt. Als eine Art prestigeträchtige Visitenkarte. So verkündete Missoni unlängst, die Nebenmarke »M Missoni« momentan auf Eis zu legen, die Interior-Linie »Missoni Home« präsentierte aber fast zeitgleich eine neue Kollektion. Das entspricht auch der Marketing-Strategie von Luxus-Labels, die eine durchdesignte Welt, einen eigenen Style-Kosmos verkaufen wollen. 

Wie das in Perfektion umgesetzt wird, zeigt Gucci-Kreativ-Chef Alessandro Michele, der seinen überbordenden, knallbunten Pop-Barock-Look in alle Unternehmens-Bereiche transferierte und 2017 mit »Gucci Décor« eine eigene Home-Kollektion forcierte. Wer Lifestyle verkaufen will, schafft dies in der gegenwärtigen Konsumwelt zielsicher mit Interior.  Denn damit entsteht eine langfristige Bindung und Identifikation mit der Marke. Schließlich kauft man sich nicht jedes Jahr eine neue Wohnzimmercouch, aber für die eine greift man dafür etwas tiefer in die Tasche. 

Dafür muss dann aber auch alles passen, wie Kristian Markus, CEO von »Joop! Living« zusammenfasst: »Die Verbraucher haben hohe Erwartungen an Qualität, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Alle Aspekte zusammen sind gute Argumente für eine anspruchsvolle Produktion aus dem Inland oder Europa in höherer Qualität zu höheren Preisen, wie sich inzwischen auch in den Märkten bestätigt.« Das nach wie vor breitenwirksame Label »Joop!Living« wird mittlerweile von der Schweizer Holy Fashion Group geführt und hat sich in Sachen Möbel, Dekoration und Wohn-Accessoires im Premium-Segment sehr gut etabliert. Auch weil man verantwortungsvolle und starke Partner sucht, die im Namen der Marke produzieren. Und zwar das, was ein Designteam, inspiriert von den Farben, Formen und Mustern aus der Fashionkollektion, im eigenen Haus entwirft.

»Bevor  eine  solche  Zusammenarbeit eine   Win-win-Situation für die Beteiligten wird, sind von beiden Seiten – Marke und Hersteller erhebliche Vorleistungen  zu erbringen. Nur wenige sind solchen komplexen Aufgabenstellungen gewachsen«, so Markus. Traditions-Luxus-Häuser wie Fendi, Missoni oder Gucci wählen übrigens denselben Zugang, wenn sie ihre Mode-DNA in Home- und Dekorlinien einfließen lassen. Intern designen, extern bei den besten lokalen Betrieben und Handwerkern produzieren. 

Ein erfolgreiches Prinzip, aber nicht zwingend, wie Louis Vuitton seit 2012 mit seiner Möbel-Serie »Objets Nomades«  beweist.Jährlich werden die renommiertesten Designer und Studios der Gegenwart gefragt, funktionelle, kreative, vor allem aber innovative Möbelstücke zu entwerfen, die von Louis Vuittons Handwerkskünstlern umgesetzt werden. Aber egal, wie die edlen Stücke zu Stande kommen, sie werden auf einem relativ stabilen Marktsegment feilgeboten. Auch wenn in den letzten Monaten wichtige Fachmessen ausgefallen sind und Shops nicht geöffnet hatten. Aber Qualität und Hochwertigkeit setzen sich langfristig durch, oder wie es Kristian Markus treffender formuliert: »Die Krise ist ein Treiber für  anspruchsvolle Anbieter mit hoher Glaubwürdigkeit.« 

Armani Casa

Giorgio Armani gilt gemeinhin als Visionär. Dass sich schöne Möbel und High-Fashion nicht ausschließen, erkannte der Designer schon relativ früh. »Interior ist ein Feld, auf dem ich Objekte und Orte schaffen kann, die meine Philosophie und Ästhetik widerspiegeln«, so Armani. Es dauerte aber bis ins Jahr 2000, ehe der mittlerweile 86-Jährige mit »Armani Casa« seine Philosophie und Ästhetik in neue Sphären hievte.

Eleganz, klare Linien, natürliche Farben und solide, qualitative Handarbeit zeichnen die Kollektionen aus, die in Zusammen-arbeit mit lokalen Manufakturen entstehen und seit 2004 von einem In-House-Designteam ent-worfen werden. In weltweit rund 60 Boutiquen wird mittlerweile das Luxus-Interior verkauft. Der Zwei-Milliarden-Dollar-Konzern setzte trotz Corona 2020 rund 20 Millionen Dollar mit Armani Casa um. Ein Bruchteil – der aber trotz Krise weitgehend stabil blieb.

Louis Vuitton

»Funktionale Möbel und Design-Objekte«, so beschreibt Louis Vuitton den Kern seiner Interior-Schiene »Objets Nomades«. Seit 2012 werden jährlich namhafte Designer und Studios
gebeten, für die Luxus-Marke kreativ zu werden. Unter anderem taten dies bereits Patricia
Urquiola, André Fu, Atelier Oï, India Mahdavi oder Marcel Wanders.

Resultat: zeitlose Designstücke mit Pfiff, gleichermaßen auffällig und subtil, die sich – so vernimmt man – als Long-seller entpuppten. Fun Fact: Louis Vuittons Möbel-Flirt begann bereits 1874 mit einem klappbaren Reisebett, das sich in einem – wie sollte es anders sein – Koffer verstauen ließ. Wirtschaftlich meldet der größte Luxuskonzern der Welt übrigens sehr gute Zahlen. Im ersten Quartal 2021 wurden 14 Milliarden Euro umgesetzt, ein Plus von 32 Prozent. 

Joop! Living

Designer Wolfgang Joop gründete 1987 seine Fashion- und Lifestyle-Marke und merkte rasch, dass man mit Lizenzen das Produktportfolio rasch auffetten kann. Der Schritt ins Interior-Biz war also naheliegend. Heute gehört die Marke »Joop!« zur Schweizer Holy Fashion Group, die sich auch um den Wohnbereich kümmert. Nebst Mobiliar zählen u. a. auch Tableware und Home-Deco zum durchaus beachtlichen Wohn-Sortiment.

»Wir sind kein Hersteller oder Lieferant, sondern koordinieren unter der Marke ›Joop!‹ in  engem Dialog mit  Industrie  und  Handel  ein markenadäquates Angebot«, so Kristian Markus, CEO von »Joop! Living«. Zusammengearbeitet wird dabei vor allem mit renommierten Herstellern und Produzenten. Porzellan stammt etwa aus dem Hause Rosenthal, das Edelstahlbesteck kommt vom italienischen Traditionsunternehmen Sambonet und die Luxus-Betten produziert der steirische Möbelhersteller ADA. 

© Courtesy of Joop! Living

Fendi Casa

Seit 1987 setzt das italienische Traditionsmodehaus Fendi auf eine eigene Home-Kollektion. So gesehen leistete man auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Zudem gelingt das Kunststück, unaufgeregte, raffinierte und zeitlose Stücke zu kreieren, die durch Design-vielfalt, lebendige Farben und kluges Formenspiel zu überzeugen wissen.

Dabei werden immer auch kleine Details aus den Modekollektionen aufgegriffen und in den Designprozess integriert. Das schafft gleichermaßen Wiedererkennungswert und Vertrautheit. Gut zu sehen etwa an den Coffee- und Side-Tables der aktuellen Kollektion. Produziert und gefertigt werden die edlen Stücke übrigens in Italien, für den Vertrieb sorgt die Luxury Living Group. Eigenen Angaben zufolge erzielt die Möbelschiene des Hauses einen Jahresumsatz von rund 70 Millionen Euro. 

MissoniHome

Das Modelabel Missoni gibt es bereits seit 1953. Mit Zickzack-Mustern und farbenprächtigen
Pullovern »erstrickte« man sich über die Jahrzehnte eine treue Fangemeinde. Seit 1983 bringt man die ikonischen Muster und Prints auch in den Interior-Bereich. Eine Idee von Rosita Missoni persönlich. Die Möbel-Schiene des Familien-Unternehmens ist nach wie vor ein Liebkind
der mittlerweile hochbetagten Gründerin –  sie wurde heuer 90 –, die zu Protokoll gibt: »Missoni-
Home lebt. Es entwickelt sich ständig weiter und ist nie fertig.«

Wie hoch dieser Stellenwert tatsächlich ist, zeigen aktuelle Entwicklungen. Bedingt durch die Covid-Pandemie, musste das Unternehmen einige Umstrukturierungen vornehmen und legte kürzlich die Fashion-Linie »M Missoni« auf Eis. Wenige Tage zuvor präsentierte man allerdings die Home-Kollektion 2021. Auch ein Statement. 

Gucci Décor

Als Kreativ-Weirdo Alessandro Michele bei Gucci das Ruder übernahm, dachte man zuerst, er sei ein Lückenfüller. Allerdings schaffte es der Freigeist, der leicht angestaubten Marke neues Leben einzuhauchen. Gucci spielte wieder vorne mit im Modebusiness. Als Zeichen des neu erlangten Selbstbewusstseins rief man 2017 mit »Gucci Décor« auch erstmals eine Home-Kollektion ins Leben.

Knallig, maximalistisch, überbordend finden sich hier nun Stühle, Kissen, Paravents, Klapptische, Kerzen und Tableware. Alles gefertigt und produziert in Italien, von Könnern ihres Fachs. Die Kollektion wird jährlich erweitert. Dem Vernehmen nach auch 2021, obwohl es bedingt durch die Covid-Pandemie zu deutlichen Umsatzeinbußen im Unternehmen gekommen ist. 7,4 Milliarden Euro sind zwar noch immer sehr viel, aber dann doch ein Minus von 23 Prozent.

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