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Das neue Cocooning hat einen Technologie-Boom in unsere Wohnzimmer gebracht. Warum soziale Distanz für kommunikative Nähe sorgt und mit welchen Programmen Sie Arbeitskollegen, Freunde und Familie nun digital nach Hause holen.

30.04.2020 - By Michael Pöcheim Pech

Irgendwie war ja alles schon immer da. Nur genutzt haben wir es nie. Oder jedenfalls zu selten. Kaum zu glauben: Bereits in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte die Fernsehbranche die ersten Technologien zu Videokonferenzen. In den 80ern professionalisierte sich das telegene Vergnügen, und bereits 1995 wurde jenes Unternehmen gegründet, das heute unter dem Namen Cisco Webex als Standard für virtuelle Zusammenkünfte gilt. 

SCHLAG AUF SCHLAG

Skype kam 2003, und in den vergangenen zehn Jahren ging es dann Schlag auf Schlag: Apple brachte 2011 Facetime auf den Markt, im selben Jahr folgte das jetzt so gehypte Zoom, Videotelefonie über WhatsApp ist seit 2016 möglich, und Microsoft startete 2017 mit Teams. 2020 machte sich schließlich das Coronavirus breit, um die Zugriffe auf diese Dienste in ungeahnte Höhen zu katapultieren und damit so ganz nebenbei unsere Kommunikation miteinander nachhaltig zu verändern.

Plötzlich holen wir die Oma digital auf den Bildschirm in unser Wohnzimmer, halten Videokonferenzen mit einem Dutzend Arbeitskollegen und verabreden uns sogar per Web-cam zu Hauspartys mit Unbekannten. Nicht alles, was in Zeiten von Social Distancing boomt, wird auch danach Bestand haben. Aber: Vieles wird bleiben. »Unser Kommunikationsverhalten hat durch die Krise einen großen Sprung gemacht. Wir werden gezwungen, uns mit den eigentlich längst vorhandenen Technologien der Videotelefonie vertraut zu machen, und erkennen plötzlich, dass in dieser Technik großes Potenzial steckt. Das wird die Gesellschaft nachhaltig prägen«, ist Zukunftsforscher Harry Gatterer überzeugt.

Allein die Videokonferenz-App Zoom hat zwischen Jänner und April dieses Jahres die Anzahl ihrer Nutzer pro Tag von 10 Millionen auf mehr als 200 Millionen hochgeschraubt. Die neue Lust am digitalen Treffen macht nicht einmal vor ständig wiederkehrenden Sicherheitsbedenken halt.

»Unser Kommunikationsverhalten hat durch die Krise einen großen Sprung gemacht. Das wird die Gesellschaft nachhaltig prägen.«

Harry Gatterer, Zukunftsforscher

Skype-Nachfolger Teams: Mitte 2021 wird Skype Business eingestellt und von Microsoft Teams abgelöst. Übersichtliche Benutzeroberfläche. Aufgrund von Corona derzeit kostenfrei. teams.microsoft.com

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Allrounder Skype: Auch Bildschirminhalte und Dateien können geteilt werden. Kostenpflichtige Business-Version mit bis zu 250 Personen in Videokonferenz. skype.com

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VERSCHLÜSSELT

»Vor allem bei kostenlos angebotenen Diensten sollte man immer daran denken, dass man dies meist mit der Freigabe seiner Daten bezahlt«, sagt Christian Günther vom steirischen IT-Spezialisten Speicherkraft, mit 800 Kunden österreichweit eine der Branchengrößen. Für private Videounterhaltungen ist das weniger ein Problem als für geschäftliche Webkonferenzen. Profis wie Günther verwenden etwa Cisco Webex für eine sichere Übertragung mit der Möglichkeit von vollständig verschlüsselten Meetings. Man weiß wohl aus eigener Erfahrung, dass sich die Kommunikation in der realen Welt zwischen nur zwei Menschen oft schwierig gestaltet, und es wird tendenziell nicht einfacher, je mehr Leute ins Spiel kommen – egal ob für eine Arbeitskonferenz oder wenn Freunde aufeinandertreffen. Video-Chats schaffen hier jedoch eine gänzlich neue Form des Umgangs miteinander, wie Philipp Maderthaner weiß. Der Kommunikationsprofi sieht ein Wiederaufleben von alten Werten in der neuen Technologie: »In der digitalen Welt ist es eine Notwendigkeit, Menschen aussprechen zu lassen. Das ist etwas, was viele leider längst verlernt haben. Gespräche per Videotelefonie gehen mehr in die Tiefe, man hat den Fokus auf die Person, die gerade am Wort ist. Das alles sind Parameter, die eine Kommunikation schärfen.«

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VIRTUELLE KAFFEEKÜCHE

Und nicht einmal das Informelle muss hier auf der Strecke bleiben. Maderthaner hat in Zeiten der Corona-Isolation für seine Mitarbeiter sogar eine virtuelle Kaffeeküche eingerichtet. »Hier kann man einchecken, um abseits der Arbeit zu plaudern – für Unternehmen ist das ein wesentlicher Punkt.«

Eine Zerstreuung, die im Privaten ebenso gefragt ist: Längst trifft man auf dem Bildschirm auch Menschen, die einem unbekannt sind. Houseparty ist eine dieser Apps, die das möglich machen. Zur Videokonferenz mit Freunden können auch Freunde von Freunden dazustoßen. So entsteht am Schirm schnell ein bunter Mix mit vielen neuen Menschen, spannenden Gesprächen und der – im Gegensatz zur realen Welt – guten Möglichkeit, die »Party« mit nur einem Klick schnell wieder zu verlassen.

Natürlich gibt es rund um die Videochat-Technologien längst auch die passenden Gadgets: Ultra-HD Conference-Cam, modularer Sound und Rally-Mikrofon nennt sich jener letzte Schrei der Technik, auf den man setzen sollte, wenn man sich per Videocall ins rechte Bild rücken will. Ja, auch virtuell haben wir eine Schokoladenseite. Die besten Geräte dieser Gattung sind jenseits der tausend Euro zu haben, leisten dafür aber wahrlich Fantastisches. Wie etwa die Rally-Kamera von Logi-tech: 15-facher HD-Zoom, 90 Grad Sichtfeld, Ultra-HD-Bilderfassung, die Kamerasteuerung bewegt das Objektiv automatisch zu demjenigen, der gerade spricht, die Right-Light-Funktion optimiert zudem die Lichtbalance und hebt Gesichter gegenüber Objekten und Oberflächen hervor. Das alles sorgt für eine noch nie da gewesene Authentizität von Videotelefonie und wird eher früher als später zur Normalität zählen.

»Wir werden uns zukünftig vor allem viel öfter die Frage stellen, ob Reisen unbedingt notwendig ist, um sich zu begegnen«, sagt Trendforscher Gatterer. So wird die neue Form der digitalen Kommunikation ganz nebenbei auch ihren Teil zum Schutz des Klimas beitragen.

VIRTUALITÄT DES MITEINANDERS

Auch Kommunikationsprofi Maderthaner ist sich sicher, dass Videotelefonie für die meisten ab sofort einen Fixplatz im Alltag haben wird – selbst wenn er die Technologie nicht für alle Branchen als gleichermaßen effektiv erachtet. »Im Kreativbereich ist es für mich nach wie vor der reale Raum, der einen größeren Beitrag zum Austausch liefern kann«, so Maderthaner. Es sind vor allem die Chancen, die durch die neue Virtualität des Miteinanders entstehen. Gatterer: »Als Gesellschaft sind wir mittelfristig noch aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen. Dass dies auch jetzt der Fall sein wird, ist sehr wahrscheinlich. Und die neue Art der Kommunikation kann dabei ein wichtiger Baustein sein.«

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