© NATHAN BAJAR/The New York Times//Redux/laif

Jonathan Adler: Anitdepressiva für den Wohnraum

Jonathan Adler hält nicht viel von Understatement. Seine Interiors öffnen die Tür zu einer bunten Traumwelt, in der alles erlaubt ist. LIVING sprach mit dem Ausnahmetalent über Inspirationen, neue Wege und gute Laune während der Quarantäne.

26.11.2020 - By Sandra Keplinger

Rote Lippen mit verrucht hängender Zigarette, zyklopenhafte Vasen und Teetassen mit einem Auge in der Mitte – und jede Menge Gold: Die Designs von Jonathan Adler sind pompös und zelebrieren die Übertreibung. Sein Stil strotzt vor Lebensfreude und ist unverwechselbar. Kein Wunder also, dass der gelernte Töpfer seine erste Keramik-Kollektion bereits 1993 bei niemand Geringerem als Barneys New York zur Schau stellte.

Fünf Jahre später erschien seine erste Möbelkollektion, und es folgte eine eigene Boutique in Soho. Adler ­ ist ein Tausendsassa: Neben seinem Design­geschäft stattet er Hotels und Privatdomizile aus, schreibt einen Blog, ist Fernseh-Juror und setzt sich für die LGBTQ-Community ein. LIVING erwischte Adler während des Lockdowns in seinem Feriendomizil nahe Long Island.

LIVING: Ihre Designs haben einen »Happy Vibe«. Wie bleiben Sie positiv in Zeiten, in denen wir alle im Social-Distancing-Modus sind?
Jonathan Adler:
Ich verbringe die meiste Zeit in unserem Haus auf Shelter Island, einem himmlischen Ort in den Hamptons ganz in der Nähe von Long Island. Ich versuche auf mich aufzupassen und halbwegs bei Verstand – und bei Kasse –zu bleiben. Aber generell würde ich sagen, dass ich mich sehr glücklich schätzen kann: Ich gehe wandern und mache Sport, im Sommer war ich viel schwimmen und auf dem Stand-up-Paddle-Board unterwegs. Ich lasse mich sozusagen von der Kreativität treiben. 

Denken Sie, dass Luxus aufgrund der Lockdowns in Zukunft eine größere Rolle spielen wird?
Natürlich muss das Zuhause jetzt viel schöner sein! Die Menschen bemerken plötzlich die Unvollkommenheit ihrer eigenen vier Wände und versuchen, alles so gemütlich wie möglich zu gestalten. Jeder ist plötzlich Designer geworden – und ich liebe es! Man kann auch beobachten, dass Instagram aus vielen Menschen professionelle Fotografen macht. Unser Auge ist ganz anders geschult als früher, man fängt an, Dinge kritischer zu betrachten. Jetzt hat jeder die Möglichkeit, live einen Ort für die Öffentlichkeit zu komponieren. 

»Ich war einfach verliebt in die Idee, zwei Stile zu vermischen, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben.«

Jonathan Adler, Designer

Apropos Instagram: Wie hat Social Media Ihre Marke vorangetrieben – und hat sich das Konsumverhalten in den letzten zehn Jahren verändert?
Es hat sich extrem verändert! Wir leben in einer Welt, in der es nicht genug ist, dass ein Haus gut aussieht, es muss auch fotogen sein. Ich liebe Social Media natürlich, weil sie eine Plattform für meine Produkte bieten und die direkte Interaktion mit dem Kunden ermöglichen. Das ist ein sehr inspirierender Prozess – die direkte Verbindung macht meine Arbeit leichter. 

Was war das allererste Stück, das Sie designt haben?
Als ich noch in der Schule war, habe ich eine von Chanel und Versace inspirierte Teekanne entworfen. Sie hatte viktorianische Beine und Chippendale-Verzierungen und erinnerte irgendwie an eine Ottomane. Außerdem war sie mit Goldketten verziert, da ich vom 90er-Jahre-Hip-Hop besessen war. Ich war einfach verliebt in die Idee, zwei Stile zu vermischen, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben.   

Sie haben ja ursprünglich als Töpfer und Keramiker angefangen … 
… und das bin ich noch immer! 

Wie sind Sie in neue Design-Sphären eingetaucht?
Meine ganze Karriere hat sich organisch ­entwickelt, vieles ist zufällig entstanden. ­Die Kreativität leitet mein Business und nicht mein Business die Kreativität. Mein Antrieb war immer, etwas zu erschaffen, das einen groovigen Vibe hat und so groovige Räume kreiert (lacht). 

Minimalismus ist also gar nichts für Sie?
Ich sage immer: Ich bin ein minimalistischer Designer, aber ein maximaler Dekorateur. ­Zu Beginn des Designprozesses schaue ich immer auf die Essenz eines Gegenstands. Es gibt dann immer eine chice, elegante Grundlage und eine äußerst exzessive Ausstattung.

Das spürt man auch in der neuen Kollektion. Haben Sie ein persönliches Lieblingsstück?
Die Qual der Wahl! Normalerweise ist mein Lieblingsstück immer das letzte Stück, das gerade fertig geworden ist. In diesem Fall ist es die Bar »Torino« (siehe Seite 120). Sie hat hinterlackierte Glasscheiben in satten Farben und könnte meiner Meinung nach zum absoluten Klas­siker werden.

Was ist in Bezug auf Ästhetik das Wichtigste für Sie?
Licht, Licht und nochmals Licht. Gute Beleuchtung lässt jeden jünger, reicher und dünner aussehen (lacht). Die gesamte Beleuchtung sollte dimmbar sein. Wer auf einen Kronleuchter setzt, sollte ihn immer eine Nummer größer bestellen als ursprünglich vorgesehen – und teurer, als Sie ihn sich leisten können! 

Inwieweit sollte sich die Lage von Haus oder Wohnung auf die Einrichtung auswirken? 
Voll und ganz – Lage ist alles! Design fühlt sich für mich dann natürlich und organisch an, wenn es eine Art Ortssinn hat. Ich denke ständig darüber nach, wie ich einzelne Orte mit meinen Designs zum Leben erwecken und verkörpern kann – ob das nun Wien, Capri oder Big Sur in Kalifornien ist.

Haben Sie einen Trick, wie man seinem Zuhause dieses gewisse Etwas gibt?
Ja: Ignorieren Sie jegliche Designregel! Wenn Sie etwas lieben, wird es funktionieren. Und fangen Sie mit einem auffälligen Teppich an –Sie werden nie wieder zurückblicken!

Wiedererkennungswert

Intensives Royalblau mit Gold und Augenmotive sind typisch für Jonathan Adler.

Divine Drink

Die Tasse »Giuliette« strotzt vor Symbolismus und berührt die Welt der Esoterik.

Animal Kingdom

Eine der Statuen aus der Menagerie-Kollektion.

Game Time!

Neben Möbeln und Wohnaccessoires sind auch Brettspiele und Papierwaren im vielseitigen Sortiment.

Schön originell

Die Vase »Bel Air« macht sich auch ohne Blumen gut. In sechs verschiedenen Farben erhältlich. 

Trend Alert!

Großzügige Loungesessel mit flauschigem Überzug: Adler erkennt Trends immer als einer der Ersten.

Tischpreziose

Die Messingstatue »Metropolis« ist eine Hommage an das Maschinenzeitalter. Mit der Zeit bildet sich eine wunderschöne Patina.

© Falstaff - Kann Produktplatzierung enthalten

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