© Paul Oliver Kaukal

Interview mit Paul-Oliver Kauka: »Voller Backlog, es gibt allerhand zu tun«

Mit der Finanzkrise ist die Bauwirtschaft in Griechenland zum Erliegen gekommen. Die Folge: Es gibt einen immensen Wohnbedarf und eine zunehmend erstarkende Klientel. Der österreichische Investor und Projektentwickler Paul-Oliver Kaukal, Gründer von GDO International, über quirlige und stille Örtchen in der Ägäis.

20.01.2021 - By Wojciech Czaja

LIVING: Sie haben vor einigen Jahren damit begonnen, sich auf Griechenland zu spezialisieren. Warum gerade Griechenland? 
Paul-Oliver Kaukal: 
Meine Familie stammt aus Griechenland, wir arbeiten dort schon seit langer Zeit. In den letzten Jahren sind ein paar kräftige Impulse zu beobachten, die dem von der Finanzkrise 2008 stark getroffenen Land aus der Stagnation raushelfen könnten. Es gibt eine junge Generation, die durch die Schule der Krise gegangen ist und die heute eine extrem hohe Einsatzbereitschaft und Ausbildungsorientierung zeigt – und einen Drive, der nicht zuletzt auf das Konto der wirtschaftlichen Prosperität einzahlt. 

Inwiefern? 
Die gesellschaftlichen familiären Strukturen haben sich komplett verändert. Viele junge Menschen machen sich selbstständig, ergreifen gut bezahlte Jobs und wollen sich mit ihrer Familie sesshaft machen – ohne dabei vom Hotel Mama abhängig zu sein. Für genau diese Mittelschicht beziehungsweise gehobene Mittelschicht gibt es derzeit aber kaum ein passendes Wohnungsangebot am Markt, denn mit der Finanzkrise ist die Bauwirtschaft komplett zum Erliegen gekommen. In den letzten zehn, zwölf Jahren wurde kaum gebaut. Diesen Backlog bekommt das Land nun zu spüren. Es gibt allerhand zu tun – und das bei unvergleichlichen Renditen. 

An welchen Wohnungen mangelt es konkret? 
An klassischen Mittelklasse-Eigentumswohnungen mit 80 bis 140 Quadratmetern, im Idealfall in schönen Grünlagen. In der Regel sehnen sich unsere Kunden nach schlichten, zeitlosen Wohnungen mit viel Stein und Glas. Zum Ausstattungsstandard zählen Balkone, Garagen und ein eigener Garten. 

Es fällt auf, dass Sie in Ihren Wohnungen optional diverse Corona-Features anbieten. Was kann man sich darunter vorstellen? 
Unsere Wohnungen können nach Wunsch mit Touchless Entrances, mit Desinfektionseinrichtungen im Eingangsbereich sowie mit desinfizierbaren Delivery-Boxes für Zustell-Services nachgerüstet werden. Die technischen Vorbereitungen dafür sind bereits getroffen.

Wie oft werden diese Features in Anspruch genommen? 
Immer öfter! Eine hohe Nachfrage verspüren wir auch im Bereich der Wohnungsgrundrisse. Unsere Wohnungen sind je nach Größe mit einem Gästebad ausgestattet. Wir haben festgestellt, dass in Corona-Zeiten die Kunden begonnen haben, das Gästebad gegen einen kleinen, akustisch abgetrennten Arbeitsbereich einzutauschen. 

Wie denn das? 
Ein schönes Gästebadezimmer mit WC und Dusche hat drei bis vier Quadratmeter. Diese Fläche kann man im Bedarfsfall aber auch anders nutzen. Wir haben begonnen, die Bäder mit Tageslicht auszustatten und im Grundriss so zu layouten, dass sie leicht zu kleinen Arbeitsräumen umfunktioniert werden können. Auf diese Weise gibt es einen ruhigen Rückzugsort für Phone-Calls und Zoom-Konferenzen, wenn gerade Full House ist. Ein stilles Örtchen also, nur halt anders interpretiert … 

Von welchem Preissegment sprechen wir? 
Den Großteil unserer Objekte errichten wir als B2S, also als Built-to-sell. Wir siedeln unser Portfolio im Bereich von 2.800 bis 4.000 Euro pro Quadratmeter an. In einigen ausgewählten Lagen sind wir auch höher unterwegs. 

Haben Sie in Ihrem Portfolio auch B2R?
Ja, wir haben auch Built-to-rent, wobei wir mit dieser Sparte erst kürzlich angefangen haben. Zu den aktuellen Projekten, diewir in der Pipeline haben, zählen Senio­ren­residenzen sowie Studentenheime mit kleinen, servicierten Wohneinheiten – diese Asset-Klasse ist in Athen absolut unter­repräsentiert! 

»Griechenland ist ein wirklich attraktives Window of Opportunity. In den meisten Fällen verkaufen wir direkt ab Plan beziehungsweise ab Rohbau.«

Paul-Oliver Kaukal Investor und Projektentwickler

Wie lukrativ schätzen Sie ein Immobilien­investment in Griechenland derzeit ein? 
Sehr! Nachdem die Wohnpreise in den letzten zehn Jahren um 45 Prozent gefallen sind, beträgt das jährliche Wachstum aktuell fünf bis acht Prozent. Für 2020 erwarten wir trotz Corona eine Preissteigerung von rund drei Prozent – immerhin! Griechenland ist ein wirklich attraktives Window of Opportunity. In den meisten Fällen verkaufen wir direkt ab Plan beziehungsweise ab Rohbau. So groß ist die Nachfrage! Hinzu kommt eine sehr gute wirtschaftliche Situation, die sich in den letzten vier Jahren sukzessive verbessert hat: Griechenland bekommt für seine Bonds sogar Negativzinsen. Das gab es in der Geschichte dieses Landes noch nie! 

Was sind die großen Themen für die Zukunft? 
Wohnbau, Wohnbau, Wohnbau. Das ist die mit Abstand wichtigste Bauaufgabe. Doch wenn ich weiter in die Zukunft blicke, dann kann ich mir vorstellen, dass Griechenland ähnlich wie etwa die Balearen, die Kanarischen Inseln oder das spanische und portugiesische Festland – zu einer Ganzjahresdestination ausgebaut wird. Viele Mittel- und Nordeuropäer sind Winter-Birds und sehnen sich nach einer Residenz im Süden, wo sie die Winter verbringen können. Diese Form von Wintertourismus ist in Griechenland bislang eine Marktlücke. Das Potenzial hier ist enorm. 

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