© HG Esch

In Zeiten des Klimawandels sind Spiegelglas und Air-Conditioning passé. Architekten machen sich heute auf die Suche nach Fassaden, die Licht, Luft und Schatten spenden, ohne Energie zu verschwenden. Nicht nur das: Sie sehen auch besser aus.

26.11.2019 - By Maik Novotny

Im April 2019 erregte Bill de Blasio, Bürgermeister von New York City, Aufsehen, als er ankündigte, Wolkenkratzer aus Stahl und Glas zukünftig gesetzlich zu verbieten. »Sie haben keinen Platz mehr in unserer Stadt und auf unserer Erde.« Bis 2050 soll New York CO2-neutral werden. 70 Prozent der CO2-Emissionen von New York stammen aus der Bauindustrie, Glasfassaden sind die größten Klimasünder. Das Motto lautet also: Her mit der intelligenten Fassade! Aber was heißt das? Ist ein Haus schon intelligent, wenn es mit Hightech vollgestopft ist?

Antworten darauf gibt es viele. Eine besondere klimaaktive Fassade entwickelten Allison Dring und Daniel Schwaag von der Berliner Firma Elegant Embellishments: Ihr System »prosolve370e« ist beschichtet mit Titandioxid, das Stickstoffoxid in der Luft neutralisiert. 2012 wurde diese Fassade in Mexico City installiert, einer der Metropolen mit der höchsten Luftverschmutzung der Welt. Andere Architekten gehen die Intelligenz poetisch an. Der vom österreichischen Büro soma konzipierte Themenpavillon auf der Expo 2012 im koreanischen Yeosu wurde vom Expo-Thema »Der lebende Ozean und die Küste« zu einer geschwungenen Form angeregt, deren kiemenartige Schlitze von 108 beweglichen Lamellen gebildet werden.

»Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen.«

Physiker, Stephen Hawking

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Extremes Klima

In Regionen mit extremem Klima ist Erfindungsreichtum besonders gefragt. Manchmal liegt die Intelligenz dabei in der Tradition. Für die 2012 fertiggestellten Al Bahar Towers in Abu Dhabi konzipierte das Büro Aedas eine Fassade auf Basis der Maschrabiyya aus der islamischen Architektur. Diese wurden in parametrische Module verwandelt, die sich mit dem Sonnenverlauf bewegen, für Schatten sorgen und den Bedarf an energieaufwendigen Klimaanlagen reduzieren. 

Auch im anderen Extrem, nämlich im kalten Norden, denkt man intelligent: Das norwegische Büro Snøhetta konzipierte das nördlichste Plus-Energie-Gebäude der Welt, das 2019 in Trondheim eröffnet wurde. Hier, wo sich das Jahr in Dunkelheit und Mitternachtssonne teilt, muss eine Fassade ganz anders funktionieren. Eingerechnet wurde sie in die Gesamt-Energiebilanz inklusive Herstellung und Abbruch des Gebäudes.

Die Zukunft im Programm hat schon namentlich das Berliner Futurium, das sich als »Haus der Zukünfte versteht«, als Forum für Ideen und Diskussionen. Klar, dass der 2019 eröffnete Bau dieses Selbstverständnis auch nach außen tragen soll: Das junge Büro Richter Musikowski schuf dafür eine kantig verzerrte Form, deren spiegelnde Fassade Fotovoltaikpaneele in sich birgt.

Kluge Kommunikation

Mehr als nur ein Schaustück oder ein Bonus, sondern wesentlicher Bestandteil des Gesamtkomplexes ist die Fassade beim Neubau des Campus der Medizinischen Fakultät der Universität Linz. Hierfür wurde vom Büro Lorenzateliers eigens eine bewegliche Keramikfassade entwickelt und patentiert. Die Fassaden der vier Kuben sind unterschiedlich, aber verwandt und nehmen Bezug aufeinander und auf die umgebende Stadt: intelligente Kommunikation.

Intelligenz, das zeigen diese Bauten, muss nicht mit einer Überfrachtung an Sensorik und Elektronik einhergehen. Bill de Blasio muss sich nur etwas weiter umschauen: Die Lösungen sind da. Wie sagte schon der weltberühmte Physiker Stephen Hawking: »Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen.«

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