© Duccio Malagamba

Immobilien Entwicklung: Super schlank bis mega clever

Immobilien wurden in der letzten Dekade immer ausgefeilter. Sie verschmelzen mit neuen Technologien, sie verbinden sich mit ihren umliegenden Gebäuden zu lebenswerten Quartieren und als Ikonen setzen sie Orientierungspunkte in gleichförmigen Betonwüsten.

24.04.2023 - By Heimo Rollett

Vor zehn Jahren war die Welt schon wieder in Ordnung, der ganze Lehman-Krisen-Kram war verdaut. Immobilien boomten, die Zinsen grummelten bei Nullprozent herum, das befeuerte die Investitionen in Gebäude – weil sie laufende Mieterträge versprachen, weil andere Anlagemöglichkeiten wie Staatsanleihen unattraktiv waren, und weil das Geld eben zum Nulltarif ausgeliehen werden konnte.

Campus und Quartiere

Für eine nachhaltige Welt war es ein großer Schritt, als einzelne Immobilienentwickler begannen, über den Tellerrand zu schauen und weiter als bis zur Grenze ihres Grundstücks zu denken. Man mag von der Seestadt Aspern in Wien halten, was man will, aber die vernetzte Vorgehensweise ermöglichte etwa ein fast autofreies Areal, in dem es Sammelgaragen gibt, und dass sämtliche Retailflächen im Erdgeschoß von einer Organisation zentral gemanagt werden, war eine internationale Pionierleistung. Ein anderes Quartier mit höchster architektonischer Qualität und nach speziellen Nutzeranforderungen wurde 2013 eröffnet – ebenfalls in Wien: Der Campus der Wirtschaftsuniversität, direkt neben dem ebenso genialen Quartier Viertel Zwei. Beide haben die Stadt neu definiert.

Auffällig auch: In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche neuartige Tourismusprojekte entwickelt, auch Quartiere, noch mehr: ganze Orte und Destinationen! Ob Portopiccolo (2015) bei Triest, Andermatt in der Schweiz (ab 2013) oder Luštica Bay in Montenegro (erster Baustart auch 2013 und bis heute in Entwicklung). Das Grundstück von Luštica Bay ist beispielsweise 6,9 Millionen Quadratmeter groß, die Neubauten am Meer schauen einem alten Fischerdorf verblüffend ähnlich, nur der Verkehr wird in einem unterirdischen Tunnelsystem geführt. Der bestehende Ort wird saniert, erneuert und in das Projekt integriert.

Apropos große Developments: Weitgehend unbemerkt haben sich die richtig großen Immobilienentwicklungen der letzten Dekade in China abgespielt. Klar, die ein oder andere Ikone haben wir in Europa mitbekommen, dass aber die meisten der 1,4 Milliarden Chines:innen in völlig neu gebauten Städten inklusive Müll-, Wasser- und Verkehrsinfrastruktur wohnen, ist dem Westen kaum bewusst.

Dalian International Convention Center, China
Was immobilientechnisch in den letzten zehn Jahren in China passierte, haben wir in Europa kaum erfasst. Das Convention Center in der bei uns unbekannten Stadt Dalian ist nur ein Beispiel: Das Gebäude würde das Areal der Wiener Staatsoper, Sacher, Bristol und Opernringhof einnehmen. Geplant wurde das 2013 fertiggestellte Kongresszentrum von Coop Himmelb(l)au.

© Duccio Malagamba

Egal ob China, Singapur oder USA – in den letzten Jahren wurde der Grundstücksmangel im urbanen Bereich immer dramatischer. Die Immobilienentwickler:innen fanden darauf zwei Antworten. Bestand zu überbauen bzw. zu sanieren war die eine – eine jedenfalls nachhaltige Variante. Die Verdichtung mittels Neubau auf die Spitze zu treiben, war die andere Idee, die sich in superhohen Häusern auf enorm kleinen Grundriss manifestierte. In Shenzen wurde 2017 der bislang höchste Supertall Skyscraper fertig, fast 600 Meter hoch. Das 432 Park Avenue in New York ist hingegen das höchste Wohngebäude der westlichen Hemisphäre.

Der von Rafael Viñoly entworfene 84-stöckige, 425 Meter hohe Turm (höher als das One World Trade Center, wenn man die Antennen nicht mitrechnet) steht auf einer Grundfläche von nur 28 mal 28 Meter. Mit immer stärkerem Machbarkeits-Glauben und voranschreitenden IT-Entwicklungen, versuchten Entwickler:innen, immer mehr Technologie in ihre Gebäude zu integrieren. Dieser Trend hält bis heute an und noch immer ist nicht restlos klar, was genau der Mehrwert dabei ist, bzw. ob die Gefahr von Cyberattacken auf die Immobilien nicht unterschätzt wird. Kein Trend ohne Gegenbewegung: Derzeit feiern Baustoffe wie Holz und Lehm ihren Triumph über Beton und intelligente Lowtech-Lösungen ersetzen komplizierte und anfällige Haustechnik.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Jubiläumsausgabe

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