© Patrick Galaber / Courtesy of Louis Vuitton

Dass Design im Menschen unterschiedliche Reaktionen auslöst, wissen wir. Auch, dass Designer:innen uns immer wieder mit ihren Ansichten darüber überraschen. Wir baten Atelier Biagetti zum Talk über Louis Vuitton, Emotion und Humor als Eisbrecher.

25.04.2023 - By Angelika Rosam

Es ist keine Notwendigkeit, dass Storytelling ein Bewegtbild auslösen muss. Dass eine Geschichte wie ein Kurzfilm dahinrieselt und man sich in diesem verliert. Vielmehr werden im Design Geschichten erzählt, die zwischen der Inszenierung des Werks und der Persönlichkeit der jeweiligen Betrachter:innen stattfinden und so zum ganz persönlichen Erlebnis ­werden. So wie in der Welt von Biagetti – wir haben das Duo des Mailänder Kreativstudios, Alberto Biagetti und Laura Baldassari, zu seinem Zugang zu seinen Kreationen befragt.

LIVING: Sie wollten mit Ihren Entwürfen immer außergewöhnlich sein und nicht in eine Schublade gesteckt werden …

ATELIER BIAGETTI: Wir haben immer den Drang verspürt, viele Dinge gleichzeitig zu sein, und wir wollten uns nie in eine Kate­gorie einordnen lassen. Wir verwenden verschiedene Werkzeuge, die oft mit unserer Herkunft verbunden sind und auf unseren Erfahrungen aufbauen – mit dem, was wir als Kinder zu Hause gesehen und geatmet haben.

Überdimensionale Katzen, Kuckuckshäuser, leuchtende Palmen – woher kommen diese Ideen?

»Pet Therapy« ist das erste Projekt, das wir mit unserer Tochter Altea durchgeführt ­haben. Sie hat das Studio übernommen, um ihre eigene Welt »ohne Tisch und Stühle oder andere langweilige Objekte« zu bauen. Jedes Objekt ist eine funktionale Skulptur, die die Idee eines grenzenlosen Zuhauses aktivieren soll, in dem das Innere mit dem Äußeren verschmilzt und das Spielerische eine ernste Angelegenheit ist, auf die wir einfach nicht verzichten können.

Wie kam es, mit Louis Vuitton zusammenzuarbeiten? Ihr »Anemona«-Tisch hat bereits Wellen geschlagen …

Wir meinen, dass Objekte ohne eine Geschichte dahinter nicht so interessant sind, und die Idee von »Objets Nomades« ist ein fantastisches Thema, das die Menschen dazu bringt, über neue Erfahrungen nachzudenken. Manchmal ist das, was um die Objekte herum passiert, wichtiger als die Objekte selbst, und jene Stücke, die wir für Louis Vuitton kreieren, sind nicht statisch, sondern sie verlangen Aktion und Interaktion, also eine emotionale Beziehung.

Geld, Religion, Sex – das sind nur einige der gesellschaftlichen Obsessionen, die Sie in Ihren Entwürfen thematisiert haben. Für das neueste »Objets Nomades«-Projekt haben Sie sich auf Wellness konzentriert. Was war die Idee hinter dem »Flower Tower« für Louis Vuitton?

»Flower Tower« ist eine unendliche Licht­säule, eine Metapher für unser inneres Licht. Wir begannen die Arbeit an diesem neuen Werk mit dem Gedanken an ein leuchtendes Wahrzeichen, ein himmlisches Totem als Bezugspunkt für eine zeitgenössische Wohnlandschaft. Es handelt sich um ein grenzen­loses Werk aus mundgeblasenem Kristallglas, das im Kern rein ist und sich an der Form des LV-Blumenlogos orientiert.

Blickfang oder Gebrauchsgegenstand – wie wichtig ist Ihnen bei Ihren Entwürfen die Funktionalität?

In der Vergangenheit hatte das Design von Gegenständen die Aufgabe, »ein funktionales Problem zu lösen«. Heute glauben wir, dass so gut wie alle diese Probleme gelöst sind, was dem Design (und den Designer:innen) die Freiheit lässt, sich mit viel komplexeren Themen zu befassen – sie können sogar ­Probleme, Fragen oder Zweifel hervorrufen – genau wie in einem Magritte-Gemälde.

Versuchen Sie auch, gesellschaftspolitische Ansätze in Ihren Kreationen zu finden?

Humor ist in gewissem Sinne ein politischer Akt, durch Humor kann man sich erlauben, alles zu sagen, und oft verändert die Art und Weise oder der Ton, den man wählt, um ein Wort auszusprechen oder ein Konzept auszudrücken, radikal die Wahrnehmung davon, wie es begrüßt oder wahrgenommen wird.

Jedes Projekt, das Sie schaffen, erzählt eine Geschichte – welche Art von Geschichte ­erzählen Sie am liebsten?

Die Erzählung, die wir kreieren, geht von einem einfachen Charakter oder einer Figur aus, die bereits in unserer Erinnerung, in unserer Kultur vorhanden ist; sie ist nicht etwas völlig Neues, sie ist »ungelöst« und sehr persönlich – eine individuelle Interpretation und Perspektive. Diese Figuren tragen eine Fülle von Gesten und Verbindungen in sich und Verbindungen bieten eine ­Möglichkeit, ein Gespräch zu beginnen.

Was ist das zukünftige Projekt für »Objets Nomades«?

Die Idee ist, Sie auf märchenhafte Abenteuer weiterhin in ferne Länder und weit darüber hinaus mitzunehmen.


Erschienen in:

Falstaff LIVING Jubiläumsausgabe

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