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Glashäuser und Orangerien: Endless Summer

Die Architektur wird zunehmend transparent. Orangerien, Wintergärten, Sun Rooms – Glas, wohin man blickt. Das Material strotzt hierfür auch teils extremen Bedingungen und erfüllt maximale Ansprüche, etwa mit Glas-Faltwänden von 4,5 Metern Höhe.

06.07.2022 - By Nicola Afchar

Mitten in der Bergwelt der Steiermark, auf 1.500 Meter Seehöhe, thront das »Steirereck am Pogusch«, das 2021 »großräumig, aber weithin unsichtbar« erweitert wurde, wie es vonseiten der Architekten und Generalplaner PPAG heißt. Markant: die zwei Glashäuser, aufgrund der Hanglage teilweise eingegraben. »Ihre Hauptaufgabe«, so erklären die Architekt:innen Anna Popelka und Georg Poduschka, »ist es, Tageslicht in die großen unterirdischen Produktionsbereiche zu bringen.« Das warme Glashaus (circa 22 Grad Celsius) ist der Produktionsküche zugeordnet, hier werden unter anderem Kräuter angebaut und geerntet. »Im kalten Glashaus, das wesentlich größer ist, sind all die Pflanzen, die das alpine Klima nicht so gerne mögen.« Und es wäre kein Projekt der Familie Reitbauer, wenn man nicht noch einen Schritt weiter gegangen wäre. Im kalten Glashaus sind zehn Kabanen untergebracht, extra geheizt, für je maximal zwei Personen. Und wer in der Landwirtschaft oder Küche mithilft, nächtigt deutlich günstiger.

Das ganze Glashausprojekt an sich beruhe auf dem Gedanken der Zusammenarbeit und Freundschaft. Konkret waren es die Orangerien und Glashäuser der Landwirt:innen und Gärtner:innen, die zur Inspiration avancierten. Sie waren häufig die Orte, an denen gemeinschaftlich gelacht, gegessen und gefeiert wurde. Und genau das geht jetzt auch am Pogusch. Dass Glas im alpinen Raum so einige Kriterien erfüllen muss, liegt nahe. Popelka und Poduschka: »Ein Glashaus, in dem man auch wohnen kann, in dieser Umgebung: Da ist das Material selbst schon eine Herausforderung: Wärmeeintrag, Wärmedämmung, Schallschutz, Farbwiedergabe, UV-Durchlässigkeit, Sonnenschutz – da müssen einige Widersprüche unter einen Hut gebracht werden.« Komplex geht es weiter: »Die Überwärmung wird durch ein kalkuliertes Zusammenspiel von natürlicher sowie automatisierter Lüftung, Bauteilaktivierung, Beschattung und entsprechender Verglasung verhindert.«

Diese Statements mögen zwar ein Leuchtturmprojekt betreffen, aber sie machen klar: Wer ein -Glashaus andenkt, gleich ob Warm- oder Kaltwintergarten, kauft nicht von der Stange. So etwas wie ein Fertigteilmodell macht keinen Sinn. Wo baue ich? Süden oder Osten? Ein- oder mehrstöckig? Über die Länge des Hauses oder ums Eck? Und wofür nutze ich es? Als Essbereich? Bibliothek? Homeoffice? Und diese Fragen sind erst der Anfang.

»Der Wunsch nach mehr Tageslicht in den eigenen vier Wänden hat im Zuge der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Die Baufamilien erweitern ihren Wohnraum oder wünschen sich eine windgeschützte Terrasse und/oder wollen generell mit gläsernen Lösungen einen stärkeren Bezug zur Natur herstellen und mehr Licht ins Haus lassen.« Dieses Statement stammt von Thomas Mair, Vertriebsleiter Solarlux Austria. Solarlux ist in über 60 Ländern aktiv, hat derzeit rein im Bereich Sommergärten fünf Systeme im Repertoire und mit dem neuen Produkt »Megaline« Großes geschaffen. Im wahrsten Sinne: Die Glas-Faltwände sind bis zu 4,5 Meter hoch und 1,5 Meter breit. 

Glasklare Sache

Sowohl in Europa als auch in den USA sind Glas-Faltwände und Schiebefenster mit minimalen Profilansichten, so Mair, äußerst beliebt. Und wer sich mit dem Thema Zu- und Neubauten beschäftigt, wird nicht umhinkommen, zu realisieren, dass Glas heutzutage fast immer eine Rolle zu spielen scheint. Zumindest die große Glasfront ist fast schon Standard, als optisch abgetrenntes Atelier- oder Homeoffice beispielsweise. Gerne kombiniert mit dunklem Holz oder, im Fall von Glashäusern, dunkler Trägerkonstruktion. Die Architektur: so gut wie immer geradlinig, modern, minimalistisch. Das verschnörkelte Viktorianische sieht man kaum, wie auch Mair bestätigt: »Im Trend sind vor allem große Glasflächen, um einen möglichst unverbauten Blick ins Freie zu haben.«

Leider auch im Trend: massiv steigende Heizkosten. Die Wärmedämmung ist ein zentrales Thema – aber keines, das das Unterfangen unmöglich macht, eher im Gegenteil. »Bei Sonnenstrahlung kann sich ein Wintergarten sogar erwärmen und dadurch Heizkosten sparen helfen. Es gibt Baufamilien, die eine alte Hausfassade über zwei Etagen entfernt und durch eine Verschalung mit einem Wintergarten ersetzt haben, um damit eine bessere Wärmedämmung für ihr Haus zu erzielen.« Auch Solarglas ist ein Thema, bei Wintergartenanbieter Alco verweist man etwa auf ein ökonomisch sinnvolles Zusammenspiel mit konventioneller Photovoltaik. 

Vier-Jahreszeiten-Garten

Und wer im Glashaus sitzt, will es auch richtig gemütlich haben. Tina Dietz, Senior-Interior-Designerin bei Westwing Studio, ist hierfür die Richtige. »Aktuell ist der Wintergarten ein Trendraum, der immer öfter eingerichtet werden soll. War es früher eher ein verglaster Balkon, wünschen sich heute die meisten Kund:innen einen schönen, harmonisch eingerichteten Raum, der als Wohn-, Esszimmer oder Loungebereich fungiert. Gemütlichkeit steht hier ganz oben.« Dietz würde im Fall eines Living Rooms auf zwei gegenüberstehende Sofas setzen, einen Kamin und eine Ecke für Barutensilien. »Auf Technik – wie den Fernseher – würde ich verzichten.« Und natürlich – und das führt uns zurück zum eigentlichen Sinn eines Glashauses – Pflanzen, Pflanzen, Pflanzen. »Große und auch exotische Arten sind perfekt für den Wintergarten, da sie das ganze Jahr für ein angenehmes Raumklima sorgen und durch ihre grüne Farbe sommerliches Flair zaubern. Wichtig ist hier, auf unterschiedlich hohe und große Gefäße zu setzen, um die Pflanzen spielerisch im Raum nutzen zu können – etwa auch als Sichtschutz.«

»War es früher eher ein verglaster Balkon, wünschen sich heute die meisten Kund:innen einen schönen, harmonisch eingerichteten Raum, der als Wohn-, Esszimmer oder Loungebereich fungiert.«

Tina Dietz

Westwing Studio

Tina Dietz

Westwing Studio

Dazu Teppiche, viele Polster und Lichtquellen nach dem Eins-zu-vier-Verhältnis (eine Quelle für direkte und vier für indirekte Beleuchtung) – so lässt es sich im Glashaus gut leben. Eines ist sicher: Wintergärten sind im Kommen. Und sie sind heute viel mehr als ein trotziger Schlechtwetter-Boykott. Sie sind Vier-Jahreszeiten-Gärten und verbinden die Menschen mit der Natur. Auch bei PPAG arbeitet man bereits an einem neuen großen Wurf. Einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt, in dessen Glashaus die circa 500 Bewohner:innen ihre Terrassenpflanzen überwintern können. Und nicht nur das: Es soll auch der eigenen Anzucht von Obst und Gemüse dienen und nicht zuletzt dem Get-together unter dem Himmelsdach. 

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 05/2022

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