© Wunschhaus Architektur & Baukunst

Die Zeiten von coolen, geschniegelten Terrassen sind vorbei. Wir befragten führende Garten- und Architekturexperten, worauf es bei der Planung der perfekten Terrasse ankommt.

04.06.2020 - By Wojciech Czaja

Korbstühle, Terracotta-Töpfe, Lärchenbohlen am Boden, ein weiß lackiertes Klapptischchen, eine Holzpritsche mit naturweißen Textilien, ein paar steinerne Zwerge, darüber Omas Schlafzimmerspiegel, und hinter alledem – als hätte man dem ohnehin schon perfekten Potpourri ein farbig abgestimmtes Passepartout verleihen wollen – ragt eine alte, roh belassene Backsteinwand empor. Die neuesten Gartentrends greifen tief in die romantische Laura-Ashley-Kiste und sind in Wien derzeit genauso angesagt wie im Burgenland, im Salzkammergut oder in New York City. 

»Lange Jahre haben die Menschen nach modernen, reduzierten, minimalistischen Terrassengestaltungen verlangt«, sagt Bernhard Kramer, Partner und Geschäftsführer des in Niederösterreich beheimateten Landschaftsplanungsbüros Kramer & Kramer. »Doch die einstige Zurückhaltung schlägt nun, so scheint es, fast ins Gegenteil um. Die Menschen sehnen sich nach dem Altbewährten, nach dem Sinnlichen, nach dem Romantischen im Grünen. Das geht so weit, dass sogar moderne Dachgeschoß-Ausbauten und futuristische Einfamilienhäuser mit absolut überüppigen Terrassendschungeln ausgestattet werden.« Angesagt, meint der Gartenspezialist, seien natürliche, naturbelassene Materialien wie etwa Korb, Holz, Stein, Kiesel, Keramik, Terracotta und Gusseisen. Hinzu kommen historische Anspielungen in Form von Vasen, Amphoren und kleinen Statuetten sowie industriell wirkende, roughe Brüstungen und Geländerlösungen, die die cleanen, glatten Stahl- und Glaselemente der letzten Jahre mehr und mehr von der Bildfläche verdrängen. Und auch das Licht spielt eine immer wichtigere Rolle. Reichte es früher, den Garten bei Dämmerung direkt und indirekt zu beleuchten, so häufen sich aktuell die Anfragen nach umfassenden Lichtkonzepten, wie man sie bisher eher aus dem Wohnbereich kannte – mit einem breiten Spektrum vom dezenten Homecoming über helle Ausleuchtung für Leseabende und Dinner-Partys bis hin zu romantischen Kuschelstimmungen für den Mitter­nachtscocktail. 

»Auch bei den Pflanzen erkenne ich einen gewissen Trend zu alten Gras- und Staudensorten sowie zu diversen Nutzpflanzen«, so Kramer. »Bei Obst allerdings mit der Einschränkung, dass es sich dabei um helle Früchte oder um kleine Beerensträucher handelt, denn eines ist nach wie vor unverändert: die Abneigung gegen Fallobst und Verschmutzung und Verfärbung des Bodenbelags und der Outdoor-Textilien.« Auf der Dachterrasse am Schlickplatz in Wien-Alsergrund kamen Glyzinien, Felsenbirnen und Japanischer Ahorn zum Einsatz. Eines Tages, so der Plan, soll die Pergola berankt und bewachsen sein. 

Besondere Vorsicht ist bei den technischen Dingen geboten, sobald sich die Terrasse nicht auf ebener Erde, sondern weiter oben in 20 oder 30 Metern Höhe befindet: Pflanzen müssen windresistent sein, Sand und leichte Baustoffe sind aufgrund der Verwehung zu vermeiden, Beschattungsmaßnahmen müssen fest verankert sein, damit sie sich nicht beim ersten Windstoß in ein Segel verwandeln, und Erdkoffer und Wasserbecken müssen kon­struktiv bereits im Vorfeld eingeplant werden, denn meist ist die Dachbelastung mit etwa 300 Kilogramm pro Quadratmeter begrenzt. 

»Die Dos and Don’ts beziehen sich auch auf die Materialien und Oberflächen«, sagt Robert Luger, Partner im Wiener Büro 3:0 Landschaftsarchitektur, das auf die Gestaltung von öffentlichen Plätze und Privatgärten spezialisiert ist. »Glatten, massiven Stein sollte man meiden; denn ist er zu hell, dann blendet er, und ist er zu dunkel, dann heizt er sich so stark auf, dass man kaum noch darauf gehen oder sitzen kann.« In seinem eigenen Patchwork-Garten in Deutschkreutz im Mittelburgenland legte er abwechselnd verschieden große Schollen aus Thermo-Esche und Beton an. »Das Holz ist angenehm, um darauf barfuß zu gehen, der offenporige Beton hingegen wird zwar nie wirklich heiß, heizt sich aber immerhin so stark auf, dass er an einem kühlen, lauen Sommerabend bis in die Nacht hinein angenehme Wärme abstrahlt.« 

Das vielleicht wichtigste Kriterium bei der Planung einer Terrasse – ob im Garten oder im Dachgeschoß – jedoch ist die Himmelsrichtung und damit verbunden die Verschattung der Außenflächen. »Früher haben sich die meisten Bauherren Südterrassen gewünscht«, erklärt Murat Özçelik, Geschäftsführer des Wiener Architekturbüros Wunschhaus, das am Stadtrand von Wien zurzeit das Haus des österreichischen Fußballers Marc Janko errichtet. »Doch in Anbetracht der Klima­krise und der immer heißer werdenden Sommer erkennen die meisten, dass das keine so gute Idee ist. Ich rate meinen Bauherren zu Nordterrassen, weil dies im Hochsommer die einzigen Flächen sind, an denen man sich gerne im Freien aufhält. Schatten ist das wertvollste Gut auf der Terrasse.« Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte eine Sonnenverlaufsstudie erstellen lassen. 

»Die Menschen sehnen sich nach dem Altbewährten, nach dem Sinnlichen, nach dem Romantischen im Grünen.«

Bernhard Kramer, Kramer & Kramer

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