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Expert:innen verraten: So brandet man eine Immobilie!

Property-Branding ist ein gängiges Mittel aus den USA, um Immobilien eine Identität zu geben und sie auf diese Weise aufzuwerten. Doch wann ist dieser Trend nach Europa übergeschwappt? Was macht einen guten Projektnamen aus? Und wo lauern die Gefahren? Darüber sprechen Wohnbauträger Andreas Holler, Branding-Experte Albert Handler und die Architektur­-professorin Anita Aigner.

28.06.2022 - By Wojciech Czaja

Die Markenkritikerin Anita Aigner forscht schon seit Jahren zum Thema Wohnen und stellt fest, dass wir immer häufiger nicht nur für Lage, Größe und Ausstattung zahlen, sondern auch für das Image.

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Der Markenfetischist Albert Handler ist darauf spezialisiert, Markenstrategien zu entwickeln, und sieht in der Affinität zu Marken eine gewisse Sehnsucht nach Wertigkeit, Identität und Storytelling.

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Der Markenpraktiker Andreas Holler verwendet Immobilien-Branding vor allem, um sich von den Konkurrenten am Markt abzuheben. Einen guten, passenden Namen zu finden wird immer schwieriger.

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Aigner Das Property-Branding ist eine Praxis des ästhetischen Kapitalismus, die sich auch im deutschsprachigen Raum immer schneller ausbreitet. Fakt ist: Wir leben heute in einem Kapitalismus, wo immer mehr Geld in die ästhetische Erscheinung investiert wird – und mit Erscheinung meine ich nicht nur das Design, die Form einer Immobilie, sondern auch deren werbliche Inszenierung im analogen und digitalen Bereich.

Ist der Aufwand heute größer als in der Vergangenheit?

Aigner Und wie! Unglaublich, mit welchem Aufwand eine noch nicht existierendeWohnung heute beworben wird. Es gibt Hochglanzbroschüren, extrem aufwendige, oft täuschend echte Renderings und virtuelle Touren, mit denen man auf Websites von Neubauprojekten durch die Wohnungen spazieren kann. Man zahlt hier nicht nur für das Image – wie bei Apple zahlt man auch die Heer-scharen ästhetischer Arbeiter:innen mit.

Handler Wer in der bildgetriebenen Welt nicht gut kuratiert, der verliert. Wir leben in einer Zeit, in der man sich Image und Identität kaufen kann. Das ist ein Fakt.

Herr Handler, Sie sind Branding-Experte. Was macht denn Ihrer Meinung nach ein gutes Branding aus?

Handler Der Name muss zu einem Projekt passen und eine Geschichte erzählen, die die Konsument:innen emotional anspricht und in ihnen im Idealfall persönliche Assoziationen weckt. Natürlich ist es auch wichtig, dass der Name dem Projekt, dem Ort und der Bauaufgabe gegenüber angemessen ist und eine gewisse Authentizität vermittelt. Wenn ich mit allzu ambitionierten Begriffen operiere, die womöglich zu hohe Erwartungshaltungen wecken, dann wird das nicht funktionieren. Nicht zuletzt ist es hilfreich, wenn der Name leicht auszusprechen und leicht zu schreiben ist. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Ich denke nur an Marken wie etwa Trześniewski oder Häagen-Dazs. Auch das kann eine Strategie sein.

Die BUWOG errichtet in Sankt Marx gerade einen Wohnturm unter dem Namen Helio -Tower. Wie kam es dazu?

Holler Tatsächlich wollten wir die drei Türme in Sankt Marx ursprünglich nach drei Wiener Persönlichkeiten nennen, die hier in der Gegend aufgewachsen sind: Unser Turm hätte Mahler-Tower heißen sollen, benannt nach Gustav und Alma Mahler, die anderen beiden wären Helmut Qualtinger und Joe Zawinul gewesen. Aber nachdem hier einige der Namen rechtlich geschützt sind, mussten wir uns davon wieder verabschieden.

Und dann wurde es der Helio Tower?

Holler Helio hat einen schönen rhythmischen Klang und weckt aufgrund der Sonneneinstrahlung und der weiten Aussicht schöne, positive Assoziationen. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwierig es ist, einen Namen zu finden, der noch nicht vergeben und auch nicht rechtlich geschützt ist.

Frau Aigner, Helio Tower oder auch Gustav-Mahler-Tower sind recht große Versprechungen. Was passiert, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden?

Aigner Ich fürchte, das passiert immer wieder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei The One, The Rarity und The Ambassy nicht auch zu emotionalen Enttäuschungen kommt.

Handler Wenn Erwartungen nicht gehalten werden können, dann verliert man an Vertrauen. Die Kunst liegt darin, so schlau zu agieren, dass man die Kundschaft überzeugt und verzaubert – und eben nicht enttäuscht.

Wissen Sie aus Erfahrung, ob sich Branding-Namen über die reine Vermarktungs- und Verwertungsphase hinaus halten können? Oder geraten die Namen wieder in Vergessenheit?

Holler Ganz ehrlich? In 90 Prozent aller Fälle verschwinden die Namen wieder. Doch wenn der Name wirklich gut und authentisch ist, dann besteht die Möglichkeit, dass er sich über den Fertigstellungstermin hinaus halten wird.

Handler Eine wesentliche Bedingung für den Erhalt eines Namens ist, dass er in den Medien und in der Öffentlichkeit oft genug wieder­gegeben wird. Ein Beispiel für einen wirklich guten Namen, der es geschafft hat, sich auch in der breiten Bevölkerung zu etablieren, ist das Wohnprojekt TrIIIple am Donaukanal.

Aigner Das TrIIIple ist ja streng genommen nicht ein einzelnes Bauwerk, sondern ein Ensemble. Ich würde sagen, dass sich Ensemble- und Quartiersnamen eher eignen, in Benützung zu bleiben. Aufgrund des Anteils an städtischen, öffentlichen Räumen gibt es meist einen höheren Identifikationswert mit dem Ort. Beispiele dafür sind die Seestadt Aspern, der Wildgarten oder das Sonnwendviertel.

Wir kommen in die Schlussrunde: Welcher Branding-Name wäre für Sie persönlich ein Hinderungsgrund, um einen Kauf- oder ­Mietvertrag zu unterzeichnen?

Holler Der Name einer politischen Person, mit der ich mich nicht identifizieren kann.
Handler Ich lehne jeden Namen ab, der auch nur irgendwie mit Glamour und Luxus zu tun hat.
Aigner Beides! Sowohl als auch!

Und wie müsste ein Haus heißen, in das Sie ungeschaut einziehen würden?

Holler The No Name.
Handler Etwas Humorvolles und Sympathisches.
Aigner Ich könnte mir im Namen und in der DNA des Wohnhauses ein Bekenntnis zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit vorstellen.

Anita Aigner

(54) studierte Architektur und Philosophie in Wien. Seit 2004 ist sie Assistenzprofessorin am Institut für Kunst und Gestaltung der TU Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Heritage und Housing Studies, derzeit interessiert sie sich für Konstruktion von Gemeinschaft und Finanzialisierung von Wohnraum. Letztes Jahr erschien bei Schlebrügge.Editor ihr Buch »Hier kommt der Investor …«.

Albert Handler

(53) gründete 2010 gemeinsam mit Ulrike Tschabitzer-Handler die Markenagentur brand unit. Das Büro ist auf strategische Markenentwicklung im Bereich Mode, Kunst, Design, Gastronomie, Architektur und Immobilienwirtschaft spezialisiert und konzipiert Corporate-Magazine. 2021 wurde brand unit münchen gegründet. In Weiden am See betreibt er das Sharing-Wohnprojekt Markt67.

Andreas Holler

(50) studierte Business Administration an der Boston University School of Management und war früher für die Immoeast und die Immofinanz tätig. Seit 2013 ist er Geschäftsführer der BUWOG, verantwortlich für Projektentwicklung, Baumanagement, Vertrieb. Die BUWOG verwaltet rund 22.000 Wohnungen in Österreich, weitere etwa 6.000 Einheiten sind in Entwicklung. 

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Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 04/2022

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