© Emanuel Gollob

Emanuel Gollob – Ein neues Gesicht in der Designbranche

Die Arbeiten des Künstlers Emanuel Gollob oszillieren zwischen Kunst, Design und Technik. Für Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst, eröffnen sie dringend notwendige neue Welten und Erzählungen.

14.12.2022 - By Gerald Bast

Ein losgelöster Roboterarm liegt auf einem umgegrabenen, leeren Feld. Er ist ein großer, weißer Roboterarm, wie er beispiels-weise in der Autoindustrie zum Einsatz kommt. Obwohl er offensichtlich von seinem ursprüng-lichen Einsatzort entfernt wurde, ist er noch aktiv. Langsam bewegt er sich um die eigenen Achsen und surrt. Er schmiegt sich dem rohen Boden an, als ob er sich auf der Erde ausruhen wollen würde, um sich dann wieder aufzurichten und weiter zu mäandern. Stromkabel schlängeln sich von ihm weg und sind durch den für die Videoaufnahme gewählten Bildausschnitt begrenzt. Es bleibt unklar, ob die Kabel noch am Strom hängen oder ob der Arm bereits autonom agiert.

Szenenwechsel: Ein ausgetrocknetes Maisfeld. Im Vordergrund sieht man die dürren Pflanzen, im Hintergrund bewegt sich immer energischer und laut surrend ein einzelner Roboterarm durch das Gestrüpp. Die ausgehungerten Pflanzenreste und -halme rascheln bei jeder Bewegung des Arms laut mit. Auch dieser Roboterarm ist von seinem ursprünglichen Einsatzort entfernt und scheint sich in der neuen Umgebung erst zurechtfinden zu müssen.

Beide Szenen sind Videoarbeiten des Künstlers und Designers Emanuel Gollob und Teil seiner Serie »disarming«, die für die BC Gallery Basel entwickelt wurde. Sie zeigen dislozierte, industrielle Geräte, die von ihrem Körper gelöst ihre Bewegungsabläufe in einer für sie neuen, ehemals landwirtschaftlich genutzten Umgebung fortsetzen. Die Inszenierung spielt mit einem bekannten dystopischen Narrativ: der Maschine, die ausgesetzt in einer von Menschen bearbeiteten, aber mittlerweile verlassenen Natur ein Eigenleben entwickelt. Damit verbunden ist ein Unwohlsein gegenüber technischen Geräten im Allgemeinen und Artificial Intelligence und Robotik im Besonderen. Die Inszenierung evoziert aber gleichermaßen ganz anders gelagerte Emotionen, ja man will fast sagen: Mitgefühl mit dem Gerät. Ausgesetztheit in einer unwirtlichen Gegend, die limitierten Bewegungsmuster- und Abläufe erinnern an ein hilfloses und verlassenes Wesen. Für Gollob selbst bilden genau diese Emotionen, die bei den Betrachtenden ausgelöst werden, einen wesentlichen Teil seiner Kunstwerke: das Unheimliche und das Anziehende, das Ungeheure und das Niedliche. Indem er diese Vielschichtigkeit postindustrieller Erzählungen auffächert, stellt er wichtige Fragen zur Beziehung von Mensch, Maschine und Umwelt, die im 21. Jahrhundert relevanter denn je sind.

Futuristisch Ein Einblick in die Serie »disarming«, die für die BC Gallery Basel entwickelt wurde.

Kunst und Design haben sich zu jeder Zeit der neuesten Technologien bemächtigt und diese als Medien für die neue Wahrnehmung und Mitgestaltung sich verändernder Trends genutzt. Kunst und Design – wobei diese beiden Felder oft auch mehr oder weniger deutlich miteinander verschmelzen – waren und sind existen-zielle Elemente der mensch-lichen Zivilisation, ja einer der bedeutendsten Evolutionsbiologen, Edward O. Wilson, hat sogar behauptet, dass Kunst ein un-verzichtbarer Faktor der menschlichen Evolutions-geschichte war.

Die digitale Transformation und die Automatisierung aller Lebensbereiche verändern unsere Welt in noch nie da gewesenem Ausmaß und in einer Geschwindigkeit, die kaum fassbar ist. Die Klimakrise verändert zusätzlich und von Grund auf die Bedingungen menschlichen Zusammenlebens. Die Komplexität und Gleichzeitigkeit dieser unterschiedlichen Entwicklungen sind schwer lesbar, aushaltbar und trotzdem unsagbar dringend. Künstlern wie Emanuel Gollub gelingt es, diese Entwicklungen und Tendenzen spürbar und ­dadurch verhandelbar zu machen. Sein Oszillieren zwischen Kunst, Design und Technologie eröffnet neue Erzählungen, die ich Ihnen hiermit ans Herz legen möchte.

»Doing Nothing with AI 1.0 «Das Projekt will dem verbreiteten Irrglauben entgegenwirken, Geschäftigkeit mit Produktivität oder gar Effektivität zu verwechseln.

Emanuel Gollob studierte Design Investigations bei Anab Jain an der -Universität für angewandte Kunst in Wien und ist aktuell PhD-Kandidat und Researcher im Creative-Robotics-Forschungsteam an der Kunstuniver-sität Linz. 2021 war Gollob Artist in Residence bei MindSpaces, einem EU-Forschungsprojekt im Rahmen der STARTS-Initiative. Seit 2020 ist er  PhD-Kanditat und Researcher im Creative Robotics Forschungsteam an der Kunstuniversität Linz. Emanuel Gollobs Arbeiten wurden kürzlich u. a. im Smithsonian Arts + Industries Building, Washington DC (2021), Science Gallery Melbourne (2021), ArtScience Museum Singapore (2022) und Ars Electronica, Linz (2022) ausgestellt.

emanuelgollob.com

Aktuell sind »Doing Nothing with AI 1.0« im Art Science ­Museum Singapore, »Contact« im Ars Electronica Center, und »disarming« im esc Medienkunst Labor Graz zu sehen.

Gerald Bast ist seit 2000 Rektor der Universität für angewandte Kunst in Wien. Nach Studien der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und Promotion zum Dr. iur. arbeitete er im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und in der Ludwig Boltzmann Forschungsgesellschaft. Als Rektor der Angewandten initiierte er neue, disziplinenübergreifende Programme in Lehre und Forschung und gründete das »Angewandte Interdisciplinary Lab«, das die Interkommunikation zwischen Kunst, Wissenschaft und Technologie, Wirtschaft und Politik betont. In diesen Bereichen ist Bast auch als Autor und Vortragender bei internationalen Konferenzen tätig.

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03