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Die Weltmetropolen buhlen im Wettbewerb um die Gunst der Kunst-Aficionados. Von der Vielfalt, die dadurch entsteht, profitieren wir alle. Eine Reise durch die Museen, Galerien und Art Spaces der Top-Ten-Kunstdestinationen.

24.04.2023 - By Maik Novotny

Wer sich auf die Suche nach der besten Destination für einen Kunsttrip in eine Weltmetropole macht, hat die Qual der Wahl. Jede ist einzigartig, und die Museums-Highlights der Welt werden nicht weniger, im Gegenteil. In den letzten Jahren kam gefühlt jeden Monat ein neues dazu, und bei den Kunstmessen war es nicht anders. Kein Wunder, spätestens seit dem Bilbao-Effekt, den die golden funkelnde Guggenheim-Filiale in der baskischen Stadt auslöste, war die Kultur als Top-Asset im Werben um Tourist:innen erkannt.

So versuchten viele Städte, noch einzigartiger zu werden, durchwühlten ihre staatlichen Sammlungen nach Picassos und gingen auf der Suche nach Stararchitekten die Liste der Pritzker-Preisträger durch. Mit der Konsequenz, dass sie vor lauter Unverwechselbarkeit viel ähnlicher wurden als beabsichtigt.

So hat praktisch jede Hauptstadt ihr Nationalmuseum, meistens aus dem 19. Jahrhundert, mit Jahresringen aus späteren Anbauten und nach noblen Stifter:innen benannten Wings. Diese Museen haben einen höheren Anteil an Tourist:innen als ihre städtischen Rivalen, aber stehen unter Druck, kuratorisch relevant zu bleiben und frischen ihre Sammlung mit zeitgenössischen Positionen auf.

Bilbao

Der Zündfunke für die Museumswelle des 21. Jahrhunderts. Das Guggenheim Bilbao wurde dank Frank Gehrys ikonischer Architektur über Nacht zum Erfolgsrezept für die Belebung post-
industrieller Städte, das oft kopiert und nicht immer erreicht wurde. Nicht vergessen sollte man, dass das ganze Baskenland sich zum Kultur-Konzentrat entwickelt hat, mit der Festivalmetropole San Sebastian als ebenbürtigem Gegenüber Bilbaos. sala-kubo-aretoa.eus guggenheim-bilbao.eus/en

Goldenes Nugget

Das 1997 eröffnete Guggenheim Bilbao, bis heute so etwas wie der Heilige Gral der Arty Cities. Auch wenn seine Formel »Architektur ist wichtiger als das, was drin ist« heute kritischer gesehen wird.

London

Zwar sind die Young British Artists wie Damien Hirst und Tracey Emin nicht mehr young, doch Londons stets rebellische und erstaunlich unelitäre Kunstwelt produziert unablässig neue Namen, neue Generationen. Die hohe Qualität der vielen Kunstschulen sorgt für frischen Wind. Auch der Brain Drain des Brexit-Schocks konnte diese bunte und diverse Weltmetropole nicht kleinkriegen. tate.org.uk/visit/tate-modern

Kunst-Kraftwerk

Die Tate Modern gab nicht nur dem verschlafenen Südufer der Themse einen massiven Schub, sie war mit Installationen wie jener von Olafur Eliasson so erfolgreich, dass sie bald nach der Eröffnung eine Erweiterung bekam.

Tel Aviv

Freiheit und Aufbruch sind so etwas wie die DNA dieser jungen Stadt. Zwischen Strand, Nachtleben und Hightech-Start-Ups bündelt sich dynamischer Lebenshunger, der einen idealen Energieschub für die Kunst liefert. Auf überschaubarer Fläche hat sich eine Szene in stetigem Wandel etabliert, mit dem Museum of Art, dem CCA und der Kunstmesse Fresh Paint als Schaufenster. tamuseum.org.il/en

Kunst, ganz edgy

Das Tel Aviv Museum of Art, 1932 gegründet, hat seitdem immer neue Flügel und Ableger bekommen – Zeichen der Dynamik von Israels weltlich-liberaler Metropole.

KULTUR-BIENENSTÖCKE

Am anderen Ende des Spektrums hegt jede Stadt ihre Art Spaces, die in ehemaligen Brauereien oder Lagerhallen am Rande eine unbekümmerte Mischung aller Kulturformen für junges, vorwiegend einheimisches Publikum anrühren: Musik, Tanz, Performance, Bildende Kunst. Diese summenden Kultur-Bienenstöcke leben weniger von prestigeträchtigen Einzelausstellungen, sondern von Festivals und Events. Hier gilt es, täglich in den Kalender zu schauen, hier ist alles in Bewegung.

Um diese Fixpunkte herum wirbelt ein Schwarm kleiner Galerien. Gestartet aus individueller Leidenschaft, sind sie hier die Pioniere der Szene, die oft seit Jahrzehnten das Zeitgenössische auf die Straße bringen. Man findet sie in Stadtvierteln, die sich auch dank ihnen zu Szenevierteln entfaltet haben. Manchmal – wie etwa in Lissabon – so sehr, dass die Pioniere weiter migrieren müssen, ins nächste Viertel mit erschwinglicheren Mieten.

Basel

Sorry, Zürich, aber was zeitgenössische Kunst angeht, ist Basel die Nummer Eins der Schweiz. Fondation Beyeler, Kunstmuseum, Kunsthaus, und dazu die ART BASEL als Kunstmesse von Weltgeltung: Die Kleinstadt am Dreiländereck ist ein Kunst-Schwergewicht. Natürlich helfen der
Geldregen vieler Spender:innen und der Pharmaindustrie, aber die Qualität muss man schon selbst liefern. Und das tut Basel, mit Schweizer Zuverlässigkeit.

fondationbeyeler.ch   kunstmuseumbasel.ch   kunsthallebasel.ch

Diskreter Tempel

In der Schweiz protzt man nicht, hier wird der Kunst ein würdevoller Rahmen geboten. So wie in der Fondation Beyeler, einem der schönsten Museen der Welt, elegant in einen Park hineinkomponiert.

Riga

Die drei baltischen Staaten bilden ein perfektes Kunst-Ökosystem. Die Jugendstil-Wunderwelt Riga bildet darin den geografischen Mittelpunkt, mit dem Centre for Contemporary Art als kritisch-politisches Gewissen, dem LNMM als Institution, dem LOW, dem Zuzeum und der 427 als junge wilde Galerie – und natürlich mit den Nachbarhauptstädten Wilna und Tallinn gleich ums Eck. zuzeum.com/en  noass.lv/en

Live and Lett Live

Ein Neuzugang in der Museumswelt von Riga ist das Zuzeum, zuhause in einer ehemaligen
Korkfabrik. Eines von vielen Zeichen für den frischen Wind, den das Baltikum in Europas Kunstszene bringt.

Athen

Athens kulturelle Energie begann sich in den 90er-Jahren zu entfalten, als die bildende Kunst Theater und Tanz als kulturelle Vorreiter ablöste. Kurz darauf wurde mit dem Kulturzentrum EMST ein Kunstfixpunkt etabliert, 2017 folgte die documenta 14. Seither hat Athen neue internationale Akteur:innen angezogen, die das anarchische Selbstbewusstsein der griechischen Künstler:innen schätzen. emst.gr

Herausfordernd
In Athen passiert Kunst nicht nur hinter verschlossenen Türen, man findet sie und ihre Inspiration auf den Straßen von Vierteln wie Exarchia, selbstbewusst und rebellisch.

Istanbul

Die liberalste Stadt der Türkei in der Schnittmenge der Kontinente, eine welthungrige Hafenstadt: beste Bedingungen für die Kunst. Die Biennale gibt es schon seit 1987, aber in den letzten Jahren hat die Galerienszene den Turbo eingeschaltet. Der stetige Zustrom hält die Stadt jung und hungrig, und die Kunstszene beschränkt sich nicht mehr auf Viertel wie Beyoğlu, sondern hat den Bosporus längst übersprungen. istanbulmodern.org/en

Leuchtturm für die Welt
Wie ein Schiff liegt das Istanbul Modern am Ufer des Bosporus. Seit der Eröffnung 2004 ist es
zum Begegnungsort mit der reichen Welt zeitgenössischer türkischer Künstler:innen geworden.

DAS NÄCHSTE BERLIN

Welche Städte waren nun in den letzten zehn Jahren die Hotspots unter den Besten? Wer schaffte es, einzigartig zu bleiben, und welche Newcomer sorgten für Furore auf der Weltbühne? Zu Beginn schien kein Weg an Berlin vorbeizuführen: das »Arm, aber sexy«-Mekka, das Künstler:innen aller Kontinente anzog, weil man sich Wohnung und Atelier leisten konnte, weil es lässig und divers war und man hoffte, eines Nachts Einlass ins legendäre Berghain zu finden. Dann wurden die aufwändig renovierten Kunsttempel der Museumsinsel wiedereröffnet, allesamt großartige Destinationen, aber auch das Zeichen einer Verfestigung. Schon suchten die Trendscouts nach dem »nächsten Berlin«. Fündig wurden sie zum Beispiel in Athen. Radikal, anarchisch und unberechenbar, von Finanzkrisen schwer gebeutelt, aber voller Dynamik, die Reibungsflächen zum Erbe der Antike erzeugte und die griechische Hauptstadt zum Nebenschauplatz der documenta 14 machte. Ebenso selbstbewusst auf der Weltkarte der Kulturdestinationen: das östliche Mitteleuropa. Traditionsreiche Städte wie Riga, Tallinn, Prag oder Bukarest belebten ihre alten Museen ebenso wie die junge Szene mit Stipendien, Messen und internationalen Kooperationen.

Auf anderen Kontinenten waren es die ehrgeizigen Boomtowns der Weltwirtschaft, die die Kunst als ideales Mittel entdeckten, touristischen Magnetismus zu entwickeln und die begehrten High-Potential-Arbeitskräfte mit kulturellem Umfeld zu locken. So stieg die Zahl der Museen in China von 4692 im Jahr 2016 auf 5788 im Jahr 2020, das heißt: alle zwei Tage kam ein neues dazu. Schließlich musste man sich auch im innerchinesischen Städtewettbewerb um die rapide wachsenden Zahl wohlhabender heimischer Tourist:innen durchsetzen.

Nicht zuletzt wurde spät, aber doch die Südhalbkugel als eigenständiges und stets überraschendes Füllhorn sich immer weiter auffächernder Kunstwelten anerkannt. Museen wie das MACAAL in Marrakesch wurden zum Tor, das nördlichen Besucher:innen die vitalen afrikanischen Kunstschwerpunkte wie Nigeria, Elfenbeinküste, der DR Kongo oder Uganda erschloss.

Miami Beach

Die Metropole am Atlantik ist der extrovertierte Gegenpol zum verkopften New York, und hat dabei ihre Sinne besser zusammen als das maßlose Los Angeles. Das Konzentrat an Kunst, Design und Architektur spielt in der Weltliga mit, bei der Art Basel Miami Beach trifft sich alles, was in der Kunst Rang und Namen hat, der lateinamerikanische Einfluss sorgt für eine Extradosis Farbigkeit. icamiami.org  miamidesigndistrict.net  artbasel.com/miami-beach

Schweiz am Strand
Einmal im Jahr macht die Mega-Kunstmesse in Miami Beach Station. Die Welt ist in Floridas Metropole natürlich 365 Tage lang zu Gast.

Dubai

Glitzernde Türme, ein Paradies für Investor:innen. An Kunst denkt man da zuerst nicht. Doch die Emirate sind ein wichtiger Knotenpunkt im Nahen Osten. Kein Wunder, dass genau hier eine Fülle von Galerien und Museen entstanden ist, mit der jährlichen Kunstmesse Art Dubai als Schaufenster und den Art Space der Alserkal Avenue als gar nicht so geheimer Geheimtipp. alserkal.online

Galerien im Hangar
Ein bewusst harter Kontrast zur verschwenderischen Optik von Downtown Dubai: Das Kunst-Konzentrat Alserkal Avenue im Industriegebiet hat sich zu Recht internationale Reputation erworben.

Marrakesch

Schon immer am Schnittpunkt der Kulturen gelegen, hat sich das Angebot in der marokkanischen Stadt seit 10 Jahren rasant vervielfältigt. Mehrere Festivals, die 1-54 Contemporary African Art Fair und mit dem MACAAL eine neue afrikanische Institution, die als
eines von vielen Toren zur Kunstwelt Afrikas mit ihren vielfältigen 54 nationalen Szenen fungiert. macaal.org

Opulente Oase
Das Museum of African Contemporary Art Al Maaden, kurz MACAAL, präsentiert Künstler:innen
aus Marokko und Westafrika.

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