Ein Blick in die Zukunft: Der Konsum in Quarantäne
Das Karussell des Modezirkus drehte sich in den letzten Jahren für viele zu schnell und wurde durch den Ausbruch der Coronakrise plötzlich gestoppt. MAN’S WORLD analysiert die Folgen der Pandemie und wagt einen vorsichtigen Blick in die Zukunft.
03 . Dezember 2020 - By Sandra Keplinger
Für manch ein Luxusmodehaus hatte es das letzte Jahrzehnt in sich: Neben den üblichen Frühlings- und Herbstpräsentationen – sowohl im Damen- und Herrenbereich – kamen zwischendurch noch Capsule Collections, Cruise Shows oder Couture dazu. Übersetzt bedeutete das für manche Modehäuser wie Dior oder Prada bis zu sieben Kollektionen pro Jahr, man hörte Designer und Produktionsteams förmlich nach Luft schnappen. Bereits vor der Coronapandemie wurden Stimmen laut, die das System nicht für nachhaltig hielten, sowohl im klassischen Wortsinn, was Umweltfreundlichkeit angeht, als auch im Sinnbildlichen. Europäische Produktionsstätten kamen kaum noch nach.
Kein Wunder also, dass auch viele High-End-Labels Teile der Fertigung nach Asien verlegten oder chinesische Arbeiter nach Italien holten, um das Prädikat »Made in Italy« zu schützen. Diesem Kreislauf wurde durch Covid-19 abrupt ein Ende gesetzt: Die Produktion kam vielerorts (vor allem in China) bereits Anfang des Jahres zum Stillstand, Mitte März wurden anlässlich des ersten Lockdowns auch Boutiquen und Kaufhäuser für mehrere Wochen gesperrt. Während LVHM innerhalb kürzester Zeit auf den medizinischen Notstand reagierte und in seinen französischen Fabriken statt Parfums Desinfektionsmittel produzieren ließ, hielt man im Großteil der Modewelt nervös den Atem an. LVHM-CEO Bernard Arnault sagte im Februar gegenüber Vogue: »Wenn das Problem innerhalb von zwei, vielleicht zweieinhalb Monaten gelöst ist, wird es nicht schrecklich sein. Wenn es zwei Jahre andauert, ist das eine ganz andere Geschichte.«
Leider war das wirtschaftliche Desaster vorprogrammiert: Laut einem Bericht von »Business of Fashion« gemeinsam mit McKinsey brach die Wertschöpfungskette der Modebranche, die normalerweise um die 2,5 Billionen US-Dollar im Jahr erwirtschaftet, um 27–30 Prozent ein. Am härtesten wurde der Luxusmarkt mit einem Rückgang von bis zu 39 Prozent des Umsatzes getroffen. Jeglicher Zynismus ist hier übrigens fehl am Platz, denn die Luxusbranche sorgt für unzählige Jobs, angefangen bei den Arbeitern, die Rohstoffe für Textilien ernten, bis zum Handelsangestellten in der Boutique.
Für 2021 wird zwar leichtes Wachstum erwartet, doch um die Verluste wettzumachen reagierten Marken wie Louis Vuitton oder Chanel mit teils saftigen Preiserhöhungen, die von heftiger Kritik auf Social-Media-Plattformen begleitet wurden. Auch Online-Retailern scheint es wider Erwarten im Luxusbereich nicht allzu gut zu gehen, Interviewanfragen von MAN’S WORLD an große Händler wie Net-a-porter oder Mr Porter wurden zu diesem Thema nicht beantwortet. Im Gegensatz zu Amazon, das Rekordumsätze einfuhr, blieb der große Ansturm auf Luxuswaren aus. Vielen Käufern schien es auf der einen Seite pietätlos, während einer globalen Gesundheitskrise High-End-Waren zu konsumieren, auf der anderen Seite fielen gesellschaftliche Zusammenkünfte aus, um besagte Statusobjekte zur Schau zu stellen. Auch der Konsum stand sinnbildlich unter Quarantäne.